Chris Lohner über die Nachkriegsjahre

Text: Andrea Buday

Heuer jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. U.a. wird am 8. Mai am Heldenplatz das „fest der freude“ gefeiert. Unter dem Motto: „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus – Für ein Niemals wieder und Frieden in Europa“.

Chris Lohner hat die Nachkriegsjahre noch gut im Gedächtnis – „Ich bin ein Kind der Stadt“, nennt sie ihr Buch, in dem sie über diese Zeit schreibt. Lesen Sie hier ein Interview zum Erscheinen des Buches 2020. 

wienlive: Sie schreiben, Sie waren rachitisch und unterernährt, aber irgendetwas Essbares fand sich immer…

Chris Lohner: Wir hatten sehr nette Nachbarn, die Portners, die einen Schrebergarten in Meidling besaßen, wo sie Gemüse anbauten, das sie mit uns teilten. Manchmal wurden wir Kinder auch dorthin eingeladen und dann durften wir Beeren essen. Das war wie im Märchen. Andererseits kannten wir keinen Riesenhunger, weil wir ja gewohnt waren, sehr wenig zu essen.

War es in Wien nicht leichter?

Ganz im Gegenteil. In der Stadt war es viel ärger als auf dem Land, wo man immer wieder einmal einen Erdapfel oder ein kleines Stückerl Brot bekam. Darum ist ja meine Großmutter zum Beispiel auf den Laaerberg gegangen, um dort Sauerampfer zu pflücken oder Brennnesseln, die sie dann verkocht hat.

Dann kamen aber die CARE-Pakete aus den USA …

Das war großartig! Wie Weihnachten und Ostern zusammen. Später wurde ich dann Ehrenmitglied von CARE.

Sie erzählen auch von Bassenawohnungen, also Klo und Wasser auf dem Gang, sowie von Bettwanzen.

Wir wurden jeden Morgen auf rote Punkte, also Wanzenbisse, kontrolliert und wenn welche gefunden wurden, streute man hochgiftiges DDT aufs Bett. Man hatte nichts anderes und niemand dachte sich etwas dabei. Jeder machte das, weil ja alle Wanzen hatten.

Sie wuchsen im zerbombten Wien mit Not und Entbehrungen auf, beschreiben Ihre Kindheit aber als eine sehr glückliche.

Wir waren zwar arm, aber gleichzeitig in vielerlei Hinsicht sehr reich. Unsere Eltern haben sich mit uns beschäftigt, mit uns gespielt und waren für uns da. In der Volkshochschule, die mein Vater leitete, durfte ich Kurse besuchen. Ich lernte Töpfern, Französisch und Nähen, zudem gingen wir ins Kino und wir unternahmen regelmäßig Ausflüge aufs Land wie etwa Wandern im Wienerwald. Uns Kinder langweilte das, aber meine Liebe zur Natur verdanke ich meinen Eltern. Denn wir waren so oft als möglich im Freien.


Chris Lohner: „Ich bin ein Kind der Stadt. Wienerin seit 1943“
Vorwort von Hugo Portisch
€19,80
echomedia Buchverlag