Am 21. September wird wieder Heimito von Doderer gedacht – Hier ein paar Gedanken zu Doderers Kriminalroman „Ein Mord den jeder begeht“.

Am 21. September wird wieder Heimito von Doderer gedacht – Gedanken zu Doderers Kriminalroman „Ein Mord den jeder begeht“

Am 21. September wird wieder Heimito von Doderer gedacht – Hier ein paar Gedanken zu Doderers Kriminalroman „Ein Mord den jeder begeht“.

„Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln wie er will.“

Mit dieser sarkastischen Feststellung beginnt einer der untypischsten Krimis der Weltliteratur, nämlich Heimito von Doderers 1938 bei C. H. Beck erschienener Roman „Ein Mord den jeder begeht“ – bis 1951, dem Erscheinen der „Strudlhofstiege“, das einzige Buch Doderers mit nennenswertem Erfolg. Außerdem ist der Roman quasi ein Auftragswerk seines endlich gefundenen neuen Verlages, Doderer gab auch wie geplant zeitgerecht das Manuskript ab.

Der beschriebene Kriminalfall ist freilich kein geplanter Mord. Der Todesfall ist aber trotzdem entscheidend für das Schicksal des Protagonisten Conrad, dessen Jugend – sehr untypisch für einen Krimi – detailliert beschrieben wird. Doderer spart auch nicht mit eindrücklichen Bildern, die fast nach einer psychoanalytischen Auslegung schreien – etwas, das sich Doderer freilich verbeten hätte.

Der Junge Conrad fängt Molche und bewahrt einzelne Exemplare in seinem Zimmer auf. Sie gedeihen im Dunkeln, es riecht modrig und einmal bringt Conrad einfach so auch eine kleine Schlange um. Ein Spiegel im Vorzimmer lehrt ihn das Gruseln oder eher die Faszination des Abgründigen. Im Großen und Ganzen hat Conrad freilich – als Sohn eines reichen Tuchhändlers – eine sehr unspektakuläre Jugend, wenngleich seine Mutter stirbt und sein Vater ziemlich unzugänglich ist. Doch Conrad, von dem Doderer immer wieder betont, dass er eher kein Geistesblitz ist (er ist „klein Denker vom Beruf“), erhält nach dem Studium die Chance, sich im Betrieb eines Geschäftsfreundes seines Vaters in Württemberg zu bewähren. Bald heiratet er Marianne, die Tochter des Fabriksbesitzers, und erfährt – über ein Bild – vom Schicksal seiner Schwägerin Louison, die mutmaßlich einem Raubmord im Zug ums Leben gekommen ist. Wie sich später über viele Umwege herausstellt, trägt ausgerechnet Conrad selbst Schuld daran – indem er bei einem Ulk unter Jugendlichen mitmachte. Wichtiger ist freilich, wie Conrad in den Bann seiner toten Schwägerin gerät und den Kriminalfall lösen will. Dabei entgleitet ihm freilich sein unspektakuläres Leben. Schon bald nach der Hochzeit, findet er seine Frau nicht mehr begehrenswert und er sieht – trotz Warnungen aus seiner Umgebung – zu, wie sich Marianne nur noch mit ihren Sportsfreunden die Zeit vertreibt. Im Showdown fährt Conrad dann nach Berlin, wo er den längst entlasteten vermeintlichen Raubmörder verfolgt. Der Zufall spielt ihm dann den Aufklärer zu – jenen Jugendlichen, der mit ihm im Nebenabteil saß und der Louison einen Streich mit einem Totenkopf spielen wollte. Conrad fährt nach Hause, wo er seine Frau mit ihrem Liebhaber antrifft, er schleicht sich aus der Wohnung und kommt im Haus eines Freundes wiederum durch einen dummen Unfall ums Leben. Sein Tod scheint fast wie die Strafe für ein ungenütztes Leben zu sein. Denn, wie Doderer im Roman ausführt, bedeutet leben zu wissen, wer man selbst ist. Was natürlich an die berühmte Inschrift am Orakel zu Delphi erinnert.

Interessant ist, wie Doderer in diesem Roman noch jedes Detail der Erzählung auf die Wirkung und das Ende hin anordnet. So erklärt er etwa in der Mitte des Romans, wie eine elektrische Klingel funktioniert und dass es dabei zu einem Funkenschlag kommen kann. Ein solcher löst dann die Explosion aus, nachdem eine unglücklich liebende Bedienstete mittels Gas Selbstmord verüben will. Dass der Roman im III. Reich erscheinen konnte, bedingte natürlich Doderers Mitgliedschaft bei der Reichsschrifttumskammer. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.


Am 21. September wird um 18.30 Uhr der Historiker und frühere Leiter der Büchereien Wien Alfred Pfoser im Justizpalast über Doderers Darstellung des Justizpalastbrandes in den „Dämonen“ sprechen. Chris Pichler liest ausgewählte Passagen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.