Buchtipp – Iris Blauensteiner, Atemhaut

Entfremdung zwischen Mensch und Maschine


Iris Blauensteiner ist sowohl Filmerin als auch Autorin. Mit „Atemhaut“ ist ihr ein Roman über die Entfremdung zwischen Mensch & Maschine gelungen. Am 20. Mai liest sie bei Rund um die Burg.
Foto: sandraphotoart.at


Iris Blauensteiner studierte ‚Kunst und digitale Medien‘ an der Akademie der bildenden Künste Wien sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Ihre Filme, die sie seit 2004 vor allem in den Bereichen Drehbuch und Regie umsetzt, zuletzt „Die Welt ist an ihren Rändern blau“, „die_anderen_bilder“, „Rast“ und „Schwitzen“ waren auch auf internationalen Festivals zu sehen. Ihr Debütroman „Kopfzecke“ erschien 2016.

Interview mit Iris Blauensteiner

Was war bei Ihnen zuerst da, das Bedürfnis zu schreiben oder zu filmen?

Iris Blauensteiner: Das Filmen, ich habe eigentlich mit 15 schon damit begonnen, nämlich im Medienzen-trum in der Zieglergasse, wo ich Animationsfilme gemacht habe. Mit dem Schreiben habe ich erst später, mit 24, angefangen – auch weil man als Filmerin ja immer auch schreiben muss, etwa Drehbücher oder Begleittexte für Filme. Filmen und Texten sind meine zwei ästhetischen Sprachen, mit denen ich arbeite. In beiden Genres kann ich Atmosphären, Zwischentöne und Zwischenmomente beschreiben und erzählen. Auch komplexere Dynamiken in mehreren Schichten und Ebenen lassen sich in beiden Medien darstellen.

Wie ist die Idee zu diesem Roman entstanden?

Mein Ausgangspunkt war eine WG und Edin war nur eine von mehreren Figuren. Letztlich hat mich dann seine Geschichte am meisten interessiert, weil sich in ihm die Problemfelder Leistungsgesellschaft oder Männlichkeit sowie die Ebene Computerspiele zeigen lassen. Er steht dann im Roman vor dem Dilemma, dass er von Maschinen ersetzt wird und er gleichzeitig Maschinen zur Bewältigung dieser Konflikte einsetzen will.

Ich habe den Roman vor allem als die Geschichte eines Arbeitslosen gelesen, ist das so angelegt?

Ja, Edin definiert sich ja über viele Werte wie Gender, seine Biografie und eben über seine Arbeit. Und wenn das auf einmal plötzlich weg ist, was bleibt dann noch? Als Künstlerin kenne ich solche prekären Verhältnisse natürlich auch persönlich, die künstlerische Arbeit ist ja hochprekär. Man muss permanent Rahmen schaffen und schauen, dass die auch eingehalten werden, dazu muss ich die Finanzierungen aufstellen. Ich mache das natürlich gerne und habe es mir auch ausgesucht, ich verfolge auch aufmerksam die Fair-Pay-Bewegung im Kulturbereich.

Romane in der 2. Person Singular sind extrem selten. Warum haben Sie die Du-Perspektive gewählt?

Für mich ist es eigentlich eine Ich-Perspektive, denn Edin spricht sein Ich sozusagen als Du an. Es ist ein bisschen so wie „Stell dir vor“ und so weiter. Dadurch bekommt das so eine entrückte Position und ist Ausdruck dafür, dass er sich selbst entfremdet ist und neben sich steht. Eigentlich ist es seine Aufgabe im Roman, zu einem Ich zu finden.

Welche Funktion hat das exzessive Computerspielen im Roman?

Die Fremd- und Selbstbestimmung ist ein großes Thema im Buch. Auch die verschiedenen Rollen, die er spielt. Am Computer steuert er einen Avatar, der er selbst ist und dann auch wieder nicht. Durch das Internet ist einfach eine neue Welt entstanden, die Menschen viel mehr Rollen ermöglicht und zu viel mehr Rollen drängt, als sie schon vorher hatten.

Edin baut am Schluss eine Maschine, ist das so etwas wie ein Android?

Eigentlich ist es eine ganz banale Maschine – mit Luftpumpen, aufblasbaren Kissen, ummantelt mit Latex. Ich habe ja eine Art Bedienungsanleitung dazu geliefert. Man kann sich das als etwas großes Warmes vorstellen, das atmet. Und das gibt Edin ein Gefühl von Sicherheit.

Iris Blauensteiner wird am 20. Mai um 17 Uhr bei „Rund um die Burg“ aus ihrem Roman lesen.    


Iris Blauensteiner, Atemhaut
Kremayr & Scheriau
ISBN: 978-3-218-01279-9
160 Seiten
€ 20,–