13 neue Kurzgeschichten vom Meister – T.C. Boyle „I walk between the Raindrops“

Kurzgeschichten haben es bei uns noch immer schwer. Die meisten, die sich überhaupt für Literatur interessieren, lesen lieber Romane. Möglicherweise weil Stories schwieriger zu konsumieren sind, denn man muss sich in jeder Geschichte erst zurechtfinden – wer ist der „Held“?, wo spielt das Ganze und in welcher Zeit? Das mag in den USA nicht anders sein, aber dort hatte man immerhin lange Zeit Magazine, die regelmäßig Kurzgeschichten servierten. Der Markt ist kleiner geworden, aber die höhere Achtung für Short Stories ist geblieben. Und so überrascht es nicht, dass die aktuellen Meister dieses Genres aus den USA kommen. T.C. Boyle gehört zweifelsohne dazu, wobei das deutsche Publikum nur einen Bruchteil seines tatsächlichen Outputs kennen.

13 Stories bringt Hanser jetzt heraus, die die Vielseitigkeit seine Oeuvres wieder einmal beweisen. Da machen wohlhabende Kalifornier in einem kleinen Ort in Arizona Bekanntschaft mit dem seltsamen Personal einer Bar. Zwei Welten treffen aufeinander. Eine Geschichte spielt in der Zukunft, wo selbstfahrende Autos auch gegen den Willen ihrer Besitzer entscheiden, wer einsteigen darf und in einer anderen sind wir beim Ausbruch einer Pandemie auf einem Kreuzfahrtschiff. Diese Story hat Boyle geschrieben, als wir von Corona noch so gut wie gar nichts wussten. Das Thema ist aber sowieso, wie sich Menschen verhalten, die auf engstem Raum tagelang quasi eingesperrt werden.

Boyle kann das nämlich perfekt, mit wenigen Sätzen eine Stimmung erzeugen und Personen so knapp beschreiben, dass ihre Handlungen glaubhaft werden. Und er schert sich wenig um die sogenannte political correctness. Am College haben fast gleichaltrige Lehrerinnen und Schüler sexuelle Beziehungen – ein Minenfeld fürwahr, aber dem Autor geht es nicht um Moral, sondern nur um die persönlichen Erfahrungen seiner Protagonisten. Wir sind ja in der Literatur und nicht in einem Gesetzesentwurf. Boyle liebt es auch, Unerwartetes zu bringen – in einer Geschichte sind wir etwa in Frankreich nach dem Weltkrieg, als eine Mutterkorn-Vergiftung einem ganzen Dorf Horror-Halluzinationen verschafft. Lustiger ist die Geschichte, in der selbsternannte Führerinnen Menschen 50 Dollar abknöpfen, damit sie für 2 Stunden im Wald vor der Haustüre allein sein können. Eine echte, schmerzhafte Begegnung mit der Natur erfährt ein Teilnehmer aber erst, als eine Klapperschlange in seinem Vorgarten auftaucht.


T. C. Boyle: I walk between the Raindrops. Stories.
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren und Anette Grube
Hanser
274 Seiten
€ 26,50

Eine Arbeiterfamilie im Sauerland – Martin Beckers Standortbestimmung seiner Herkunft in „Die Arbeiter“

Sagt heute noch jemand barabern oder hackeln? In Deutschland heißt das malochern und bedeutet hartes, körperliches Arbeiten. In den 70er-Jahren waren noch etwa 40 Prozent der Menschen in Österreich und Deutschland Arbeiter, heute sind es gerade einmal noch unter 20 Prozent. Viele Jobs sind verschwunden, aber sehr viele wurden einfach aus dem Arbeitsrecht rausgerechnet, man nennt das Scheinselbständigkeit. Der Neoliberalismus hat übernommen. Nicht geändert hat sich, dass Menschen dieser Klasse durchschnittlich etwa 5 Jahre früher sterben.

Martin Becker wurde 1982 in einer Kleinstadt im Sauerland geboren. Sein Vater war Bergmann und wechselte nach einem Unfall in eine Fabrik, wo er ebenfalls mit schwerem Gerät hantieren musste. Die Mutter versuchte sich als Schneiderin für ein Versandhaus. Geld war immer knapp. Wenn es sich ausging, fuhr man an die Nordsee, übernachtete aber nicht am Strand, sondern billiger im Landesinneren und ernährte sich von Dosensuppen. Den Traum vom Eigenheim erfüllte man sich mit immensen Schulden, das Reihenhaus wurde niemals abbezahlt. Als der Kinderwunsch sich nicht erfüllen wollte, nahm das Paar ein Waisenkind auf – allerdings verschwiegen die Behörden, dass Lisbeth schwer behindert zur Welt gekommen war. Als den Eltern ihr Verhalten seltsam vorkam, bot man ihnen an, das Kind wieder zurückzunehmen – was die Arbeiterfamilie empört ablehnte.

Martin Becker – der Autor lässt uns nie im Unklaren, dass es seine Geschichte ist, die er hier erzählt – kommt als Nachzügler zur Welt, sein Bruder Kristof ist da schon der Vernünftige in der Familie. Becker wird Autor, aber anders als seine französischen Kolleginnen/Kollegen Annie Ernaux oder Didier Eribon, die die Autofiktion zur Kunstform erhoben haben, bleibt er ziemlich unsentimental nahe am Geschehen. Er schreibt sich frei von seiner Wut auf die Eltern, versucht zu verstehen und weiß immer ganz genau, dass deren Geschichten und Sehnsüchte auch seine sind.

Bald schon zerfranst die Familie an ihren Widersprüchen. Mutter ist aufbrausend bei ihrer Jagd nach Schnäppchen, Vater meistens still, am Wochenende trinkt er Korn – für Andersdenkende hat man wenig Verständnis, aber immerhin wählt man immer SPD und keine Rechtsradikalen. Alle sind viel zu dick. Erst am Schluss, als die Brüder sich ihrer Verantwortung für die siechen drei Verwandten stellen müssen, werden Gespräche versucht. Gefühle haben keinen Platz in dieser Wirklichkeit.

„Die Arbeiter“ ist ein nachdenklich machendes Buch über einen schweigenden Teil unserer Bevölkerung, ihre Träume und Wünsche. Am Strand der eiskalten Nordsee stehend, versichert man sich dennoch immer, was für ein schönes Leben man doch hat.


Martin Becker: Die Arbeiter
Luchterhand
302 Seiten
€ 22,70

Gedanken von Otto Brusatti

©Gemeinfrei

Vor hundert Jahren, am 3.Juni 1924, starb Franz Kafka in Kierling bei Klosterneuburg an Lungentuberkulose. Gedanken von Otto Brusatti.

Franz Kafka hat mehr Konjunktur als erwartet, als gedacht noch vor ein paar Jahren, als überhaupt vermutet etwa vor ein paar Jahrzehnten. Er ist zur Nr.1 im Andenken-Jahr 2024 geworden (also jedes für Bruckner oder Kraus, Kant oder Schönberg, Bittner oder Schmidt, Schütz oder Brando, Lenin oder Mayröcker und so fort). 

Warum? Ja, zugegeben, das Geheimnisvolle, Gefährliche, Undurchschaubare oder die schwarzen Seelen vor allem Erkundende, das man zurecht seiner Literatur nachsagt, es fasziniert allemal. Andererseits: Kafka zu lesen erfordert nicht nur Ausdauer, sondern auch Mut (die Romane selbstverständlich, die Erzählungen in ihrer Unterschiedlichkeit, die Tagebücher als Kafka- oder schlicht Psyche-Geheimtipp). Und nun doch noch eine Anmerkung: Ja, es wird ungemein viel über Kafka und seine Werke publiziert. Es herrscht die einhellige Übereinstimmung, dass er zu den prägendsten Literatur-Menschen des ganzen 20. Jahrhunderts zählt, er, der noch vor seinem 41. Geburtstag (ziemlich elend) verstarb. Viel wird aber auch geschrieben, ohne wirklich über die Voraussetzungen firm zu sein – das bürgerliche Leben um und während des 1. Weltkriegs etwa, die Position von Frauen als hehre Gattinnen, Verehrte und gebrauchte Huren, die altösterreichische Literatur-Situation an sich oder bloß rein Praktisches, was in den Texten viel mehr eine Rolle spielt als zunächst zu vermuten wäre.

Dennoch: Der Selbsterkennungswert bei Kafka-Lektüre ist auch um den 100. Todestag so gewaltig wie nur bei ganz wenigen Meistern des Faches. 

Aber noch eines, bloß erzählt: Diesen Franz Kafka konnte man – noch und geradezu brutal – verstehen, nachvollziehen und mehr, ging man etwa in den Hoch-Kommunismus-Jahren (also so zwischen 1970 und 1980) in Prag spazieren. Man begegnete in den Gassen, die damals noch immer aussahen, als hätte sie ein Expressionismus-Stummfilm-Regisseur errichtet, engen, schaurigen oder verstörenden Bildern, Szenen, Menschen, wie aus Angstträumen entsprungenen Situationen, als befände man sich eng zwischen Kafka-Buchseiten.


Die ersten Produktionen der Wiener Festwochen – „Blutstück“, „Barocco“ und „La clemenza di Tito“

Foto: ©Fabian Hammerl

Der neue Festwochen-Intendant Milo Rau, geboren 1977 in Bern, aber global produzierend, will die Wiener Festwochen bekanntlich zu einem gesellschaftspolitischen Projekt machen – mit einer „Freien Republik Wien“, einem Rat der Intellektuellen und Produktionen, die Fragen der Zeit behandeln. Wenn man im Theater sitzt, ist das freilich alles nicht wirklich relevant, sobald das Licht im Zuschauerraum ausgeht zählt nur, ob das Gebotene interessieren kann. Die ersten Premieren zeigen ein lebendiges Bühnengeschehen, das nicht immer gefällt, aber zumindest Positionen vertritt.

Gleich die erste Premiere – „Blutstück“ nach dem Roman „Blutbuch“ von Kim de l’Horizon – kommt dabei wie ein Gruß aus längst vergangenen Hippie-Welten daher. Es geht um unseren menschlichen Körper, aber eigentlich um Identität und die Scham, das Individuum zu sein, das man ist.  Die deutsche Regisseurin Leonie Böhm hat aus dem Roman eine Art Feelgood-Musical mit Menschen auf Selbsterfahrungstrip gemacht. Der Autor spielt selbst mit. Das ist ja alles sympathisch und man gönnt ja auch allen Zeitgenossen mit sich und ihrem Körper glücklich zu sein – aber warum soll ich mir die kindlich-naiven Dialoge im Plastik-Bühnenbild mit aufblasbarer Hand, deren Finger wie Penisse aussehen, antun? Das Publikum war freilich sehr zufrieden und feierte die neue Wokeness.

Solcherart gewarnt wird man von „Barocco“ geradezu umgehauen. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikov hat noch im Hausarrest an einem Musikdrama über die Freiheit und den Protest gegen jegliche Repression gearbeitet. Ausgehend von berühmten Selbstverbrennungen aus Protest gegen den Vietnamkrieg oder den Einmarsch des Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei, setzt er an diesem Abend einiges in Brand. Und er konterkariert es mit der größten überirdischen Schönheit, die es zu haben gibt, nämlich Barockarien von Monteverdi, Händel und Bach. Die Musik wird mit einem Mini-Orchester live gespielt, aber elektronisch aufgefettet. Ballettnummern setzen zusätzlich dramatische Akzente. Es sind durchwegs starke Bilder und manches – wie der Auftritt eines singenden Zauberkünstlers – scheint auch unnötig. Aber die positiven Eindrücke überwiegen. Einmal muss Daniil Orlov mit nur einer Hand spielen – die andere hält ein Ordnungsmann in Handschellen. Am Schluss explodiert mehrfach eine Villa auf der Leinwand – man ist da an die berühmte letzte Szene von Antonionis „Zabriskie Point“ erinnert.

Festwochen-Chef Milo Rau himself bringt in Wien jetzt seine stark veränderte Fassung von Mozarts letzter Oper „La clemenza di Tito“. Ein Abend der Thesen, bei der Mozarts Werk nur als Gerüst für Überlegungen zu Kunst und Politik herhält. Der Kaiser darf bei Rau nicht mildtätig und gerecht sein, denn er gehört ja zum Establishment. Alles nur Show und so ist sein Tito ein Malerfürst, der versonnen ab und zu mit einem riesigen Pinsel an einem großen Bild werkt. Dazu hat Rau 19 Wienerinnen und Wiener mit Migrationshintergrund gecastet, deren Geschichten auf einer Filmleinwand – oft parallel zu den gerade gesungenen Arien – erzählt werden. Überhaupt gibt es viel Text zu verdauen, der üblicherweise im Programmheft seinen Platz hat. Mozart machte 1791 keine Revolution, die fand bekanntlich in Paris statt. Dass der aufgeklärte, freimaurerische Komponist mit dem Tito dem österreichischen Kaiser die Utopie eines idealen Herrschers vor die Nase hielt, war Rau wohl zu wenig spektakulär. Man tröstet sich an diesem Abend im MuseumsQuartier aber mit der wunderbaren Musik, die Camerata Salzburg spielte unter Thomas Hengelbrock ganz famos und auch die Sängerinnen und Sänger leisteten – den plumpen Regieeinfällen zum Trotz – eine sehr gute Arbeit.

Weitere Festwocheninfos: festwochen.at

Zwischen USA und Irland – Colm Tóibíns Roman „Long Island“, die Fortsetzung seines Erfolgs „Brooklyn“

Der Ire Colm Tóibín ist einer der besten europäischen Erzähler. Mit „Brooklyn“ – 2010 auf Deutsch erschienen – gelang ihm ein Aussiedlerroman, der zeigte, dass selbst für Menschen, die dieselbe Sprache sprechen und aus demselben Kulturkreis kommen, Migration alles andere als leicht ist. „Brooklyn“ wurde 2016 auch erfolgreich verfilmt. Jetzt erschien – gut 15 Jahre später – eine Fortsetzung mit dem gleichen Personal. Thema ist wieder die kulturelle Differenz verschiedener Kulturkreise und die Unfähigkeiten der Menschen zur Kommunikation. Über weite Strecken bestimmt das Ungesagte die Handlung.

Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Eines Tages taucht bei der in Long Island mit ihrem Mann Tony und den zwei halbwüchsigen Kindern lebenden Eilis ein Mann auf, der ihr erklärt, er werde das Kind, das Tony mit seiner Frau gezeugt hatte, nach der Geburt vor ihre Haustüre legen. Eilis ist entsetzt – den Seitensprung hätte sie ihm wahrscheinlich verziehen, aber ein anderes Kind will sie unter keinen Umständen aufziehen. Tonys italienische Familie sieht das anders, seine Mutter erklärt sich bereit, das Kind zu sich zu nehmen. Doch man wohnt in der Siedlung Haus an Haus, Eilis würde das Ergebnis von Tonys Seitensprung täglich sehen müssen. Sie flüchtet geradezu zu ihrer Mutter, die in Kürze ihren 80. Geburtstag feiern wird – in Enniscorthy, im Westen Irlands. Eilis hatte ihre Heimat vor 20 Jahren das letzte Mal besucht, als sie schon heimlich mit Tony verheiratet war und eine Liebschaft mit dem Pubbesitzer Jim eingegangen war. Ihr Schwanken zwischen Jim und Tony machte die Spannung von „Brooklyn“ aus. Und natürlich trifft Eilis jetzt wieder auf Jim, der sich gerade mit Eilis‘ Freundin Nancy verloben will. Wieder bleibt bis zum Ende offen, wie die Liebesgeschichten ausgehen, wenn man so will, lässt Tóibín sogar noch Raum für einen dritten Roman.

In der Nacherzählung klingt das natürlich wie der Inhalt eines Groschenhefts. Doch Colm Tóibín ist eben ein großartiger Erzähler, der das Unvermögen seiner Protagonisten, sich verständlich zu erklären, genau beobachtet. Er braucht dazu auch keine großen sprachlichen Kunststücke – die Einfachheit seines Stils entspricht perfekt dem Gehalt seiner Geschichte. Der Roman wird abwechselnd von Eilis, Nancy und Jim erzählt, wir sind ganz nahe bei ihnen und verstehen komplett ihre Dilemmata. Mit Zeitangaben ist der Autor sparsam, wir sind in der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert, Eilis Kritik daran, dass amerikanische Jungs in Vietnam sterben müssen, hat einen Verweis aus Tonys Großfamilie zur Folge und verweist uns in die 70er-Jahre. Ein Roman für Menschen, die sonst keine Liebesromane lesen.


Colm Tóibín: Long Island
Aus dem Englischen von Giovanni und Ditte Bandini
Hanser Verlag
316 Seiten
€ 27,50

Abwechslungsreicher Dreiteiler

©Ashley Taylor

Das Wiener Staatsballett zeigt mit „Les Sylphides“ Choreographien von Michel Fokine und Uwe Scholz sowie eine Uraufführung von Adi Hanan.

 Die Premiere von Les Sylphides 1909 in Paris sorgte für großes Aufsehen. Ihr Choreograph, Michel Fokine, hatte zu Musik Frédéric Chopins das erste »Ballet Blanc« ohne eine konkrete Handlung geschaffen. Voller Poesie entfalten sich Bilder eines jungen Mannes, der in einem mystischen Wald wundersamen Sylphiden begegnet. Viele kleine Details werden in Soli und kleinen Formen vom gesamten Ensemble getanzt. Olga Esina zeigt überaus elegant ein Prélude, Elena Bottaro tanzt eine Mazurka,und Ionna Avraam führt einen großen Walzer an. In der Volksoper wählte man die Orchestrierung von Frederic Chopins Klavierstücken durch Benjamin Britten, die kurzzeitig verschollen und nun erstmals auch in Wien erklingt.

Nach der Pause brilliert die israelische Künstlerin und Ensemblemitglied Adi Hanan mit einer Uraufführung für das Wiener Staatsballett. In Eden wirft die junge Choreographin zu Musik von Franz Schubert und Arvo Pärt einen frischen Blick auf eine der berühmtesten biblischen Geschichten – Adam und Eva im Garten Eden – und konfrontiert animalisch-wilde Paradies-Vorstellungen mit der Erforschung des Verlusts der Unschuld und der Bewusstwerdung des Menschen im eigenen Körper. Zwei genderfluide Vierergruppen tanzen in raschem Wechsel.

Hinter der Gruppe sind zwei Tänzer*innen in nicht sehr ansprechenden Kostümen – Claudine Schoch und Marcos Menha – die sich, in einen weißen Kokon, bewegen. Schließlich werden sie vom „Wächter des Gartens“ (Yuko Kato) aus dem Stoff geschält.
Das letzte Stück des Abends „Jeunehomme“ in der Choreografie des 2004 früh verstorbenen Uwe Scholz zu Mozarts 9. Klavierkonzert war musikalisch und tänzerisch herausragend. Das Orchester unter der Leitung von Ido Arad und das Ensemble des Wiener Staatsballetts harmonieren perfekt. In einem engen Miteinander agieren Tanz und Komposition, vereinen Dramatik und Leichtigkeit und erschaffen im gemeinsamen Rhythmus eigene Ballettwelten: Bilder von Hingabe und Zweifel, Nähe und Ferne. Jeunehomme, 1986 für Les Ballets de Monte-Carlo choreographiert, gilt bis heute als eine der bedeutendsten Schöpfungen des Choreographen. In Wien wird die Choreographie erstmals seit der Uraufführung wieder im kompletten Bühnen- und Kostümbild Karl Lagerfelds zu sehen sein, das den Geist der Mozart-Zeit aus der Perspektive des zeitgenössischen Couturiers kongenial einfängt. 

 
LES SYLPHIDES
Musik Frédéric Chopin in einer Orchestrierung von Benjamin Britten

EDEN (URAUFFÜHRUNG)
Musik Franz Schubert & Arvo Pärt

JEUNEHOMME 
Musik Wolfgang Amadeus Mozart
Choreographie Uwe Scholz


wiener-staatsoper.at

KAFKAS FRANZ – Das Stück zum Kafka-Jahr nur einmal im Rabenhof „The Reunion“, 34 Jahre später am 19. Mai

©Stefan Diesner

34 Jahre nach der legendären Aufführung der Trash-Komödie „Kafkas Franz“ durch Kurt Palms „Sparverein Die Unzertrennlichen“ treffen die DarstellerInnen der Originalbesetzung wieder zusammen, um Szenen aus dem Stück zu lesen, ein bisschen zu tanzen und darüber zu plaudern, was in den letzten 34 Jahren so alles passiert ist.
Die Inszenierung von Kurt Palm sorgte dereinst für Furore und wurde auch zu einem internationalen Theaterfestival in den Ruhrpott eingeladen, wo man sich wunderte, was an Wiener Bühnen alles möglich ist.

Die Komödie stammt vom Engländer Alan Bennett und heißt im Original etwas eindeutiger „Kafka’s Dick“. Darin kommt Kafka aus dem Totenreich zurück, sieht seine von ihm der Verbrennung verfügten Werke in der Bibliothek und trifft einen Fan und dessen frustrierte Frau.

Die Jubiläumsshow zur legendären Kultkomödie. Mit Max Goldt, Amina Handke, Elisabeth Kny, Fritz Ostermayer, Tex Rubinowitz, Christoph Winder und Kurt Palm

Karten & Infos: rabenhoftheater.com

Pichlmaiers zum Herkner mit nachhaltigem Frühlingsmenu

©Pichlmaiers

Im Mai und an den Feiertagen präsentiert Küchenchef Roman Artner seine neuesten Frühjahrs-Kreationen.

Auf der neuen Karte finden die Gäste exquisite Gourmet-Speisen, wie zum Beispiel das vegetarische Highlight: ein Gebrannter Fenchel mit Orangen-Püree & Majoran-Vinaigrette sowie mediterran angehauchte Kreationen wie die Calamari, gefüllt mit Kalbskopf, Artischocke & geräucherter Chipotle-Sauce.

Auf die Klassiker wird natürlich nicht verzichtet. Traditionelle Spargelgerichte werden ebenso serviert, wie auch der bei Gästen beliebte Bio-Maibock aus Österreich mit Mönchsbart, Mairübe & Holunder-Jus.


Pichlmaiers zum Herkner
Dornbacher Straße 123; 1170, Wien
pichlmaiers@zumherkner.at
+43 1 480 1228
Website
Pichlmaiers zum Herkner
Instagram
LINK

Öffnungszeiten:
Mo: 18:00–24:00
Di & Mi: Ruhetag
Do & Fr: 18:00–24:00
Sa & So: 12:00–24:00

Öffnungszeiten während der Feiertage im Mai:
Mo 20.05. Pfingstmontag geöffnet: 12:00–24:00
Do 30.05 Fronleichnam geöffnet: 12:00–24:00

Zwischen Berlin und Nicaragua – Jörg Magenaus 80er-Jahre-Roman „Liebe und Revolution“

An der Uni in Berlin wird noch fleißig Karl Marx diskutiert und in einem Lesekreis treffen einander Studenten, um gemeinsam Peter Weiss‘ „Ästhetik des Widerstands“ zu lesen und zu deuten. Wir sind im linken Milieu von Westberlin.

Jörg Magenau, den man auch als Redakteur des deutschen Feuilletons kennt, führt in seinem ersten Roman „Liebe und Revolution“ zwei Erzählstränge zusammen. In dem einen fällt gerade die Berliner Mauer und Tausende „Ossis“ feiern ihre erste Nacht im Westen. Im anderen ist der Protagonist Paul – im Rückblick – gerade in Nicaragua, um den Sandinisten im Kampf gegen die von den USA unterstützen Contras zu helfen. Er trifft sogar den regierenden Revolutionär Daniel Ortega. Paul ist aber nicht bei der kämpfenden Truppe –  seine Aufgabe ist es, mit einfachsten Mitteln ein Fabriksgebäude für die Näherinnen eines Dorfes zu bauen. Paul ist kein richtig Überzeugter, er wirkt eher wie ein Getriebener des Zeitgeistes, was sich auch in seinem Liebesleben widerspiegelt. In Berlin war er mit Beate zusammen, die er beim historischen Mauerfall zufällig wieder trifft. In Nicaragua schwärmte er für die unnahbare Sigrid, die er freilich bei einem gefährlichen Überfall in Stich lässt – sie wird verschleppt. Zurück in Berlin arbeitet er bei einer Nachrichtenagentur, während Beate schon einen Job im Feuilleton hat.

Magenau gelingt es überzeugend, die jeweiligen Stimmungen und Milieus in den zwei Ländern einzufangen, der nachdenkliche Paul wird zwar von ihm nicht in Schutz genommen, er bringt aber doch Verständnis für seine Schwächen auf. Der Roman ist sehr gut lesbar – die Engführung der zwei Erzählstränge funktioniert perfekt.


Jörg Magenau, den man auch als Redakteur des deutschen Feuilletons kennt, führt in seinem ersten Roman „Liebe und Revolution“ zwei Erzählstränge zusammen.

Jörg Magenau: Liebe und Revolution
Klett-Cotta, 304 Seiten, € 24,80

Drei Schwestern in Linz – Caro Reichls Debütroman „Was glänzt, verschwindet mit uns“

Die in Wien lebende Linzerin Caro Reichl beschreibt in ihrem Erstlingsroman „Was glänzt, verschwindet mit uns“ drei Schwestern und ihre komplizierte Verbindung zueinander.

Die erzählende Protagonistin Nola ist die jüngste, die selbstbewusste Katrin die älteste Schwester. Der Roman setzt ein, als die Mittlere, Ida, im Sterben liegt, womit Nola – obwohl als Psychotherapeutin arbeitend – überhaupt nicht umgehen kann. Just in der Sterbenacht hat sie einen One-Night-Stand, nachdem sie sich zuvor liebevoll um ihre Schwester gekümmert und sogar Idas Kater bei sich aufgenommen hat. Da kommt auch noch ausgerechnet ihre heimliche Jugendliebe zu ihr in Therapie, doch Herr Pechmann kann sich offensichtlich überhaupt nicht mehr an seine ehemalige Schulgefährtin erinnern. Ihre enge Verbindung zu Ida hatte sich in einem Phönix manifestiert, die sie sich ebenso wie ihre Schwester tätowieren ließ. In wirren Tagträumen bewegt sie sich wie der mystische Vogel durch die Lüfte. Vom Phönix wird ja berichtet, dass er sich aus der eigenen Asche wieder erheben kann. Wir dürfen also für Ida hoffen.

Dabei verliert Nola nach und nach den Boden unter ihren Füßen. Sie gefährdet ihre ziemlich lieblose Beziehung zu ihren in Salzburg arbeitenden Freund, indem sie in dessen Wohnung Idas Hinterlassenschaft lagert. Sie schwärmt weiterhin für Herrn Pechmann und mischt sich sogar gegen ihr Berufsethos in dessen Leben ein. Schließlich verschlampt sie Termine. Nicht einmal mit dem Kater kann sie eine Beziehung aufbauen. Als dieser auch noch stirbt, hat sie einen völligen Zusammenbruch.

Caro Reichl schafft es, uns trotz dieser trüben Geschichte als Leser bei der Stange zu halten. Ihre Hauptperson gewinnt mit den Seiten immer mehr Kontur und stellt sich dann ziemlich überraschend als höchst manipulativ heraus. Ein vielversprechender Erstling.