Ein intellektueller Spaß mit einer berühmten Familie – Joshua Cohens Roman „Die Netanjahus“.

Ein intellektueller Spaß mit einer berühmten Familie – Joshua Cohens Roman „Die Netanjahus“

Schreibt ein bekannter amerikanischer Autor ein Buch mit dem Titel „Die Netanjahus“ tendiert die Erwartungshaltung in Richtung Schlüsselroman (wobei bei einem solchen natürlich keine echten Namen verwendet würden). Noch dazu, wenn der Untertitel „Oder vielmehr der Bericht über ein nebensächliches und letztlich sogar unbedeutendes Ereignis in der Geschichte einer sehr berühmten Familie“ lautet. Der in Brooklyn lebende Joshua Cohen – Liebling der Intellektuellenmedien wie Village Voice und NYT – spielt natürlich mit unserer Gier nach Klatsch und Skandalen. Das heißt aber nicht, dass er am Ende doch noch Pikantes berichten würde. Doch bevor die „Netanjahus“ tatsächlich ins Geschehen kommen, ist das halbe Buch um.

Seine Hauptperson und Erzähler ist ein Historiker namens Ruben Blum, der das Pech hat in den 50er-Jahren, der einzige Jude in Corbindale – einer völlig unbedeutenden Universität am Rande des Staates New York – zu sein. Er ist noch dazu – eines der vielen Klischees, die Cohen genüsslich auftischt – auf Steuern spezialisiert („Eine Geschichte Amerikas in zehn Steuern“ ist eines seiner Bücher) und muss nicht nur wegen seines eindrucksvollen Barts jedes Jahr den Weihnachtsmann für das College spielen, sondern wird noch dazu bei allen Fragen betreffs Judentums um Rat gefragt, obwohl er sich längst als Amerikaner fühlt. Und da beginnt die Misere für ihn. Er soll auf Geheiß seines Rektors einen jüdischen Professor beurteilen, der sich am College beworben hat, und ihn sozusagen der Kollegenschaft präsentieren. Blum ist gar nicht begeistert, ist doch dieser Ben-Zion Netanjahu, wie er schnell herausfindet, bereits in ganz Israel verhasst. Er bekommt sogar regelrechte Warnungen vor diesem obskuren Historiker zugespielt.

Der taucht dann auch leibhaftig bei Blum auf – und zwar mitsamt seiner Mischpoche – also seiner rechthaberischen Frau und seinen drei ungezogenen Söhnen Jonathan, Benjamin und Iddo. Das bringt Chaos in das beschauliche Leben von Ruben Blum, der sehr zurückgezogen mit seiner Frau und pubertierenden Tochter in der Vorstadt lebt. Im Folgenden geht nicht nur der teure Farbfernseher zu Bruch als die Netanjahus um Geld für das Hotel zu sparen bei den Blums einziehen. Das ist zweifelsohne sehr lustig und wunderbar elegant erzählt. Schenkelklopferischen Klamauk darf man sich von diesem Roman allerdings nicht erwarten, Cohen handelt seitenweise die haarsträubenden Thesen von Ben-Zion Netanjahu über die Judenverfolgung und den Holocaust ab. „Die Netanjahus“ bleiben ein intellektueller Spaß, für

Joshua Cohen 2022 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde.

Die Figur des Ruben Blum erinnert laut Experten an den Literaturwissenschaftler Harold Bloom, der Cohen kurz vor seinem Tod vom Campusbesuch „eines obskuren israelischen Historikers Ben-Zion Netanjahu“ in New Haven erzählt hatte. Das letzte Kapitel des Romans stellt die geschilderten Geschehnisse dann noch einmal auf eine andere Ebene.