Der sogenannte „Heldenplatz-Skandal“ gehört zur österreichischen Zeitgeschichte wie der Einsturz der Reichsbrücke oder der Autounfalltod Jörg Haiders. Es ranken sich viele Legenden um das letzte große Stück Thomas Bernhards, der nur Monate später 1989 verstorben ist.

Frank Castorfs Theatermarathon mit Thomas Bernhards „Heldenplatz“ am Burgtheater

Szene aus dem Stück. – ©Matthias Horn

Der sogenannte „Heldenplatz-Skandal“ gehört zur österreichischen Zeitgeschichte wie der Einsturz der Reichsbrücke oder der Autounfalltod Jörg Haiders. Es ranken sich viele Legenden um das letzte große Stück Thomas Bernhards, der nur Monate später 1989 verstorben ist.

Dass man „Heldenplatz“ heute nicht mehr so spielen kann, wie bei der wunderbar präzisen Uraufführung unter Claus Peymann, war von Anfang an klar. Zumal der Deutsche Frank Castorf ja auch nicht für werkgetreue Inszenierungen bekannt wurde. Und die mehr als 5-stündige Aufführung am Burgtheater demonstriert auch eindrucksvoll die Gefahren, die ein unreflektierter „Heldenplatz“ mit sich bringen kann. Die stärksten Szenen im Stück – etwa der Monolog des Professors über die verkommenen Österreicher – allesamt Nazis – erregen noch immer die größte Aufmerksamkeit, doch sind sie nur um Haaresbreite von affirmativer Folklore entfernt. Im Burgtheater spricht – ja schreit fast – Birgit Minichmayr die berühmten „Österreich-Schmähungen“ des Professors (alle spielen an dem Abend alle) eingewickelt wie eine Mumie. In diesem Kostüm kann sie sich kaum bewegen, schafft es zur Erheiterung des Publikums aber dennoch, sich auf einen Sessel zu legen und herumzuwirbeln. Ein Höhepunkt des Abends. Derart verfremdet kann man dem Spiel gut folgen.

Mindestens ebenso präsent wie das Bernhard-Stück sind allerdings Texte von Thomas Wolfe („Nur die Toten kennen Brooklyn“) und John. F. Kennedy. Beide hatten Europa bereist, als die Nazis schon in Deutschland herrschten. Man lobt etwa die Sauberkeit der deutschen Städte im Gegensatz zu den italienischen und spanischen. Zwischendurch singen Inge Maux und Minichmayr Lieder auf Jiddisch. Wir befinden uns nämlich nicht in Wien am Heldenplatz, sondern – wie schon das Bühnenbild (Alexandar Denić) klarmacht – in New York beim Abgang einer Subway. Und hier, im Untergrund, spielen auch einige zentrale Szenen, die wie bei Castorf gewohnt, via Live-Video auf eine große Leinwand übertragen werden. Da will etwa ein älterer Mann (Branko Samarovski) Brooklyn erkunden, unter Zuhilfenahme eines großen Stadtplans – immer wieder wird an dem Abend eine globale Heimatlosigkeit angesprochen. Und wo Fremde sind, ist der Faschismus nicht weit. „Ihnen solt ma umbringen“ steht in Leuchtbuchstaben im Himmel von New York – wohl ein Ausspruch, den Bernhard 1988 oft hören konnte. Und Marie-Luise Stockinger rettet sich im geschickt inszenierten Video als Angebetete auf den Balken eines gerade entstehenden Hochhauses. Alle Darsteller (Marcel Heuperman, Inge Maux, Birgit Minichmayr, Franz Pätzold, Branko Samarovski, Marie-Luise Stockinger) leisten wirklich Großartiges. Und die meisten Zuseher beweisen Sitzfleisch: Man bekommt neben eindrucksvollen Momenten voller Magic und Poesie nämlich durchaus Passagen zu hören, die man kaum einordnen und aufgrund der Länge des Abends kaum mehr aufnehmen kann. Trotzdem: Wer sich auf die ausufernde Produktion einlässt, weiß danach zumindest, was Theater heutzutage noch zu leisten vermag.

Infos & Karten: burgtheater.at