Pflegekraft trifft Karrierefrau – Susanne Gregors „Halbe Leben“

Pflegekraft trifft Karrierefrau – Susanne Gregors „Halbe Leben“

Der neue Roman der in Wien lebenden aus der Slowakei stammenden Autorin Susanne Gregor beginnt gleich mit einem Absturz. Bei einem Spaziergang mit Paulína, der Betreuerin ihrer Mutter, fällt Klara in eine tiefe Böschung und kommt ums Leben. Die folgenden Seiten erzählen dann das Davor. Und das ist interessant, denn Gregor versteht es, Alltagsszenen so zu verdichten, dass die dahinter liegenden Probleme in den Familien verständlich werden. Denn natürlich hat auch die slowakische Pflegekraft Paulína daheim eine Familie, die sie jeweils für zwei Wochen verlassen muss. Denn so ist der Deal mit der Karrierefrau Klara, die schon mit ihrer halbwüchsigen Tochter überfordert war und sie deshalb von ihrer Mutter betreuen ließ. Doch Mutter Irene ist nach einem Schlaganfall selbst pflegebedürftig und Klaras Mann Jakob ein Träumer, der recht unenergisch als Fotograf arbeitet. Als Paulína kommt, scheint sich alles zum Besten zu entwickeln. Sie und Klara sind gleichaltrig, vielleicht kann sich gar so etwas wie eine Freundschaft entwickeln.

Susanne Gregor, deren Vorgängerromane „Das letzte rote Jahr“ und „Wir werden fliegen“ schon sehr positiv aufgefallen sind, weiß gekonnt das Verhältnis der beiden Frauen zueinander zu entwickeln. Zwischendurch machen wir als Leser auch einen Abstecher in die Gedanken der zunehmend dementer werdenden Mutter Irene. Niemand hat böse Absichten und doch entstehen Kränkungen, ihre Lebenswelten sind einfach sehr verschieden. Und beide haben immer wieder das Gefühl zu versagen – vor allem natürlich in ihrer Mutterrolle. Mit „Halbe Leben“ ist Gregor ein Roman gelungen, der dem komplexen Frauenleben heute gerecht wird.

Susanne Gregor wird ihren Roman auch bei RUND UM DIE BURG (Freitag, 9. Mai und Samstag 10. Mai) präsentieren.


Susanne Gregor: „Halbe Leben“
Zsolnay Verlag, 190 Seiten, € 24,50