Politsatire – Christoph Peters: Der Sandkasten
Kurt Siebenstädter ist der beliebteste Morgeninterviewer und Moderator in einer öffentlich-rechtlichen Radiosendung in Berlin. Er stellt zur Aufstehzeit respektlos Fragen sowohl an Minister als auch an Oppositionspolitiker, Wissenschaftler und Skeptiker, Imame und Geistliche, was ihm in den Jahren den Ruf der Unbestechlichkeit einbrachte. Von den Leitartiklern nicht für ernst genommen, gefällt er sich in seiner Rolle als kritischer Hinterfrager. Glücklich ist dieser Skeptiker in Christoph Peters Politroman „Der Sandkasten“ allerdings schon lange nicht mehr. Seine jüngere Frau, die als Lehrerin arbeitet, nimmt er nicht für voll, seine pubertierende Tochter entgleitet ihm – sie will auf Schüleraustausch in die USA, all die Dinge, die er sich vorgenommen hat, ihr zu zeigen und mit ihr zu machen, sind niemals geschehen.
Und jetzt deutet ihm ausgerechnet eine Politikerin der SPD, die er noch dazu sexuell anziehend findet, in einem vertraulichen Gespräch mit, dass an seinem Stuhl gesägt wird. In Zeiten der Pandemie gehören sich gewisse Fragen nicht. Besonders nicht, wenn es um die Regierung geht, die gerade jetzt in Pandemiezeiten alle Macht unhinterfragt in Händen hält. Das erfährt er wenig später auch von seinem Chefredakteur. Denn dieser Roman spielt nur in einem sehr kleinen Zeitfenster – Siebenstädter kommt abends nach Hause, geht wieder zu Terminen und moderiert am nächsten Morgen seine letzte Sendung. Offenbar achtet er nämlich beim Überqueren einer Straße fatalerweise nicht auf den Verkehr.
Wobei in „Der Sandkasten“ selbst nur oberflächlichen Kennern der deutschen Politik sofort bei den sehr detailfreudig gezeichneten Politikern reale Akteure in den Sinn kommen. Da ist etwa der manisch-vorsichtige Gesundheitssprecher der SPD, ein „hypochondrischer Zwangsneurotiker“ wie es im Buch heißt, oder der aalglatte Liberalenchef und der karrieregeile, stumpf-rechte aktuelle Gesundheitsminister der Union. Man muss das aber alles gar nicht wissen oder beachten – ähnliche Typen gab es ja überall.
Interessanter ist sowieso wie der Autor die schnell vorgenommenen Transformationen in den Medien und der Politik beschreibt. Christoph Peters hat etwa sehr genau beobachtet, wie uniform sich die Mehrzahl der Medien in der Pandemie verhalten haben und wie sie dabei eine Menge an Glaubwürdigkeit einbüßten. Wobei sich Peters dabei keineswegs verbissen an die Materie heranmacht – seine Lust an pointierten Beschreibungen offenkundig. Man erhält in diesem Roman dann aber doch eine ziemlich echt scheinende und noch dazu kurzweilige Darstellung der Mechanismen in der heutiger Politik und in den Medienunternehmen.
Christoph Peters: Der Sandkasten
Luchterhand
254 Seiten
€ 22,70