Theaterkritik – „Lady in the Dark“ in der Volksoper

Das muss man sich trauen


„Lady in the Dark“ von Kurt Weill in der Volksoper. Eine Theaterkritik von Helmut Schneider.
Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien


Das muss man sich erst einmal trauen, bei einem Publikum, das sich ein Musical erwartet: Ohne einen Takt Musik verfolgen wir in Kurt Weills „Lady in the Dark“ minutenlang die erste Sitzung einer sich offenbar in einer Art Burnout befindlichen Frau bei ihrem Psychoanalytiker. Liza Elliott , die Herausgeberin einer großen Frauenzeitschrift in New York, hat einen Zusammenbruch als sie erfährt, dass ihr Geliebter sich endlich von seiner Frau scheiden lassen kann und sie heiraten will. Dr. Brooks, ganz Freudianer, lässt sie frei assoziieren und erst dann wird die Szene zum Musical, wir sind natürlich mitten in einem Traum in dem Miss Elliot ganz anders ist als im Leben, nämlich selbstsicher und entscheidungsfreudig.

Kurt Weill wollte nach seiner von den Nazis erzwungenen Migration nach New York von Europa nichts mehr wissen und ein amerikanischer Komponist werden. Er schrieb zahlreiche Musicals. Bei „Lady in the Dark“ holte ihm dann doch wieder die Vergangenheit ein, denn die Psychoanalyse, die bekanntlich in der Geburtsstadt seiner Ehefrau Lotte Lenya erfunden worden war, galt gerade in New York als der letzte Schrei. Ein Musical, das im Wesentlichen aus psachoanalytischen Sitzungen besteht, ist freilich ein kühnes Unterfangen. Das Werk wurde am 23. Jänner 1941 am Broadway uraufgeführt und brachte es auf immerhin 467Aufführungen.

In der Volksoper spielt man nun dieses Zwitterding zwischen „Musical“ und „Play“ recht ansprechend, wobei die Musicalpartien zweifelsfrei die gelungeneren sind. Die Regie von Matthias Davids und das Bühnenbild von Hans Kudlich geben sowohl Raum für Glamour als auch für ernste Gespräche. Sehr gut gefällt der riesige Spiegel über der Couch, die freilich wie ein riesiges Doppelbett ausschaut und so auf gewisse Defizite im Leben von Liza Elliott hinweist.

Julia Koci in der Titelrolle kann mühelos zwischen Business-Frau und Glamour-Girl wechseln. Ben Connor gibt den draufgängerischer Filmstar Randy Curtis, Marie-Christiane Nishimwe die Assistentin Elinor Foster, Robert Meyer den Dr. Brooks. Insgesamt gab es keine Enttäuschungen. Auch das Orchester unter James Holmes brachte Weills Musik zum Funkeln – sogar zwei Hits waren dabei. Ein ungewöhnlicher Musicalabend und eine lange entbehrte Möglichkeit, Kurt Weills Musik abseits seiner in Deutschland entstandenen Erfolgsstücke zu entdecken.