D-Day für Doderer 2022

Nachdem der Abend für Heimito von Doderer im Vorjahr ein voller Erfolg war, wird das echo medienhaus auch heuer wieder am 21. September – dem Tag, an dem „Die Strudlhofstiege“ 1925 spielt – diesen einzigartigen Wiener Schriftsteller feiern. Und zwar wieder im Café Landtmann – die Gäste diesmal sind die Schriftstellerin Nadja Bucher und die Schauspielerin Chris Pichler.
Foto: Arman Rastegar

Nadja Bucher veröffentlichte 2020 im Milena-Verlag den Roman „Die Doderer-Gasse oder Heimitos Menschwerdung“. Die originelle Idee dieser Geschichte: Heimito von Doderer wird ausgerechnet in einem Mädchen 1976 in der Großfeldsiedlung wiedergeboren und trifft dort einen anderen Wiedergeborenen, nämlich Adolf Loos. Zwei alte weiße Männer, gefangen im Körper von halbwüchsigen Girls. Der Hintergrund: In der Großfeldsiedlung – dem größten je gebauten Gemeindebau der Stadt – gibt es tatsächlich sowohl eine Doderer- als auch eine Loos-Gasse. Doderer will unbedingt seinen – durch seinen Tod 1966 – unvollendet gebliebenen Roman Nr. 7 fertig schreiben und hofft auf das literarische Interesse seiner jungen Wirtin.

Die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Chris Pichler wird Stellen aus dem Werk Doderers und dem Roman von Nadja Bucher lesen. Wien live-Chefredakteur Helmut Schneider wird den Abend moderieren und Nadja Bucher zu ihrem Verhältnis zu Doderer befragen. Der Eintritt ist wieder frei.

Der „D-Day für Doderer“ am 21. September soll jetzt – analog zum großen Vorbild dem Bloomsday für Joyce am 16. Juni – alljährlich in Wien gefeiert werden. Das Foto zeigt den D-Day im Vorjahr im Café Landtmann.

Danube Jumping

Air Condition – Künstlerische Intervention am Danube Jumping

Die Umzäunung der weltgrößten schwimmenden Trampolinanlage – des Danube Jumping am Copa Beach in Wien – wird künftig zum einzigartigen Trägermedium für öffentliche Kunst. Seit 8. Juli ist dort die erste Doppel-Jahresausstellung mit Werken von Franz Stefan Lun und Christoph Mayer zu sehen.
Bild: ©Florian Gruber

So erhält Kunst im öffentlichen Raum einen zusätzlichen Reiz durch die Wechselwirkung mit der Umgebung. Die spezifischen Gegebenheiten bezüglich Örtlichkeit, Dimensionen und multiperspektivischer Wirkung führten bei den Künstlern Franz Stefan Lun und Christoph Mayer somit auch zur Initialzündung.

Weithin sichtbar, bietet die Umzäunung des Danube Jumping – der beim Copa Beach auf der Neuen Donau schwimmenden Trampolinanlage nahe der Reichsbrücke – eine ideale Gelegenheit zur künstlerischen Gestaltung. Das dafür entwickelte Konzept AIR CONDITION fand bei dem Geschäftsführer der Freizeitanlage Lukas Maierhofer prompt Anklang. So wird die Sportstätte künftig als außergewöhnliche Plattform für Public Art starke ästhetische Akzente setzen. Die zum Fluss hinschauende Außen- wie auch die Innenseite werden künftig im Jahresrhythmus bespielt.

Die weltgrößte schwimmende Trampolinanlage setzt bereits mit den vierfarbig leuchtenden Pfählen, die ihre Umzäunung unterteilen, insbesondere in den Abendstunden einen weitum sichtbaren ästhetischen Akzent. Durch die quadratische Segmentierung in 20 Felder von zirka 2,60 x 2,60 m auf einer Länge von 55 Metern erweist sich die Umrandung der Sportstätte als geradezu prädestiniert für eine künstlerische Intervention. Dieser Gedanke war Ausgangspunkt des gemeinsam entwickelten Konzepts, das von dem in Ottensheim (OÖ) lebenden und arbeitenden Künstler Franz Stefan Lun und dem in Wien beheimateten Künstler Christoph Mayer stammt. Die beiden Absolventen der Wiener Universität für angewandte Kunst haben bereits des Öfteren auch auf internationaler Bühne kooperiert.

„Die Trampolinanlage ist von allen Seiten gut einsehbar, sei es vom transdanubischen Ufer, sprich dem Copa Beach oder von der gegenüberliegenden Donauinsel aus. Ebenso von der Reichsbrücke wie auch von der Fußgänger- und Radfahrerbrücke Ponte Cagrana und nicht zuletzt vom Wasser aus“, verweist Christoph Mayer auf die Vielzahl an spannenden Blickwinkeln.


Christoph Mayer gestaltet in der Eröffnungssaison 2022 die dem Fluss zugewandte Außenseite von Danube Jumping. In großdimensionalen Lettern wird sich über die Länge von 55 Metern ein Schriftzug erstrecken, der historisch-politische Assoziationen auslösen dürfte. NO ADOLFSALTO HERE lautet der Imperativ, der ein Wortspiel vermuten lässt: „Adolfsalto“ als Metapher für ein populistisches Manöver, den rechtsradikalen Überschlag vorwärts. Mit dem Sport des Trampolinspringens näher Vertraute wissen allerdings, dass ein „Adolph-Salto“ schlicht ein Vorwärtssalto mit 3-1/2-facher Schraube ist. Was als warnendes politisches Statement im Sinne einer Agitprop verstanden werden könnte, entpuppt sich als augenzwinkerndes Verbot einer artistischen Übung. Die doppelbödige Botschaft regt zur Reflexion von Alltagswahrnehmungen an.  

Franz Stefan Lun wird an der Innenseite der flussseitigen Umzäunung, dem Copa Beach zugewandt, einen eigens für AIR CONDITION erstellten Bildzyklus präsentieren. Seine Arbeiten visualisieren einerseits Dynamik, die beim Trampolinspringen u. a. durch die Flieh- und Schwerkraft bestimmt wird.


Lustspielhaus 2022

Wienerisch im Lustspielhaus

Wenn in der „Tartuffe“-Version von Franzobel von der Pest die Rede ist, weiß jeder und jede im Publikum, dass da eine heutige Pandemie gemeint ist, gegen die man am besten ein Wurmmittel einwirft.
Bild: Sabine Hauswirth

Wienerisch wird im Lustspielhaus ja sowieso gesprochen und nur die Kostüme und die Bühne erinnern mehr an das 17. als an das 21. Jahrhundert. Nun gut, Menschen, die Schmeichlern mehr glauben als der eigenen Familie gab und gibt es sowieso zu allen Zeiten. Bekanntlich steht sogar heute ein erfolgsverwöhnter Bundeskanzler im Verdacht, für ihn geschönte Umfragen gekauft zu haben. Trotzdem hat man diesmal im Lustspielhaus das Gefühl, Franzobel hätte seine französische Vorlage zu wenig auf heutige Parallelen hin ausgebeutet. Einige Pointen sitzen, aber da wäre mehr möglich gewesen.

Dabei tut Regisseurin Viktoria Schubert ihr Möglichstes, um die eben nicht immer spritzige Moliere-Version in Schwung zu halten. Das Darsteller-Team mit Martin Bermoser, Hemma Clementi, Erika Deutinger, Maddalena Hirschal, Adi Hirschal und Thomas Höfner ist auch wirklich gut gelaunt und pointensicher bei der Sache. Schon allein deshalb – und wegen der exzellenten Stimmung im Publikum vor der Aufführung und in der Pause – lohnt aber der Abend. Und wie es momentan leider ausschaut, dürfte es die allerletzte Premiere des Teams um Adi Hirschal sein. Wir werden es vermissen!

Infos und Karten: www.wienerlustspielhaus.at

ImPulsTanz 2022

Tanz erobert die Bühnen

Noch bis 7. August bringt das ImPulsTanz Festival Wien wieder mit Tanz, Performances, Workshops, Filmen, Ausstellungen, Lesungen und Partys in Bewegung. Mit dabei sind insgesamt 54 Produktionen von Größen der Tanzgeschichte, Vertreter*innen der österreichischen Szene sowie internationalen Up-and-comers in der [8:tension] Young Choreographers’ Series.
Bild: Reto Schmid

Im Volkstheater erzählt die flämische Needcompany rund um den Choreographen Jan Lauwers eine Geschichte zwischen Kriegsschauplatz und Familienessen rund um einen israelischen Elitesoldaten, der zum Tänzer wurde. Musikalisch-mitreißend wird es beim südafrikanischen Ballett-Star Dada Masilo, die mit kraftvollem Tanz und gefühlvollem Gesang in THE SACRIFICE den aus Botswana stammenden Tswana-Tanz mit Strawinskys Le sacre du printemps verbinden. Trajal Harrell, Hauschoreograf des Schauspielhaus Zürich, zeigt mit sechs Tänzer*innen zum Sound von Keith Jarretts Köln Concert und Joni Mitchell einen Versuch sich nah zu sein in einer Welt, die auf mehr als eine Weise von Distanz bestimmt ist.

Anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der großen Compagnie Ultima Vez rund um den Choreografen Wim Vandekeybus zeigt ImPulsTanz gleich zwei seiner Stücke – die Weltpremiere von Scattered Memories sowie sein neues Stück Hands do not touch your precious Me. In letzterem arbeitet er mit der spanischen Komponistin Charo Calvo, acht Tänzer*innen und erstmals auch mit dem Performer und bildenden Künstler Olivier de Sagazan zusammen. Gemeinsam erschaffen sie eine spektakuläre Welt, in der die Körper wie lebendige, fleischliche Skulpturen zwischen dem Utopischen und dem Grausamen, dem Mächtigen und dem Zerbrechlichen balancieren.

Michael Turinsky und Florentina Holzinger hingegen sind nur zwei von insgesamt 21 Produktionen aus Österreich, darunter Uraufführungen von Liquid Loft /Chris Haring, Akemi Takeya oder Philipp Gehmacher und ein Wiedersehen mit Tanz*Hotel oder Elio Gervasi – endlich wieder auf der Bühne!

Das gesamte ImPulsTanz-Programm gibt es unter www.impulstanz.com.

Ausstellung im Mumok

Kollaborationen – Eine neue Schau im mumok

Ausgehend von den Schwerpunkten der mumok Sammlung in den Avantgarden der 1960er- und 1970er-Jahre geht es in der neuen Ausstellung um unterschiedlichste Zusammenschlüsse unter Künstlerinnen und Künstler.
Foto: Courtesy Sprüth Magers Bildrecht, Wien 2022

Der Bogen, den die Schau dabei spannt, reicht von der kleinsten zur größten Einheit des Miteinanders: von der internen Verbundenheit des Kollektivs zum punktuellen Zusammenschluss des Konnektivs, vom Paar zur Gesellschaft – und nicht zuletzt von der Liebesbeziehung zur Allverbundenheit. Kollaborationen geht der Frage nach, wie künstlerische Modellformen eines „Wir“ für das gesellschaftliche Zusammenleben fruchtbar gemacht werden können: Was bedeutet Kollaboration im 21. Jahrhundert, wenn sich grundlegende Gesellschaftsstrukturen zusehends?

Die Liste der ist Künstlerinnen und Künstler ist gewaltig: Marina Abramović & Ulay, Ant Farm, Art & Language, Martin Beck, Bernadette Corporation, Anna & Bernhard Blume, George Brecht, Günter Brus, John Cage, Merce Cunningham, Chto Delat, Leidy Churchman, Clegg & Guttmann, Phil Collins, Bruce Conner, DIE DAMEN, Jean Dupuy, VALIE EXPORT, Peter Faecke und Wolf Vostell, Robert Filliou, Rimma Gerlovina & Valeriy Gerlovin, Gilbert & George, Manfred Grübl, Andreas Gursky, Richard Hamilton und Dieter Roth, Haus-Rucker-Co., Christine & Irene Hohenbüchler, IRWIN, Ray Johnson und Berty Skuber, On Kawara, Friedrich Kiesler, Alison Knowles, Brigitte Kowanz und Franz Graf, Louise Lawler, Lucy R. Lippard, Sharon Lockhart, George Maciunas, Larry Miller, Ree Morton, Otto Muehl, museum in progress, Moriz Nähr, Natalia L.L., Otto Neurath, Yoko Ono, Nam June Paik, Stephen Prina, Jörg Schlick, Hubert Schmalix, Secession, Seth Siegelaub, Christian Skrein, Daniel Spoerri, Petr Štembera und Tom Marioni, Thomas Struth, Timm Ulrichs, VBKÖ, Kerstin von Gabain und Nino Sakandelidze, Franz Erhard Walther, Robert Watts, Franz West, Wiener Gruppe, Oswald Wiener, Heimo Zobernig u.a.m. ; mit der Videoreihe lumbung calling der documenta fifteen, kuratiert von ruangrupa.

Auf dem Foto oben: Andreas Gursky, Nha Trang, 2004 (© Andreas Gursky / Courtesy Sprüth Magers / Bildrecht, Wien 2022)

Informationen und Details: mumok.at

Kinderlesefest 2022

©Stefan Joham

Das Kinderlesefest am Sonntag im Prater

Ab 10 Uhr lesen bekannte Kinderbuchautoren und -autorinnen aus ihren Werken an verschiedenen Locations im Wiener Prater, wie zum Beispiel im „Kinderlesefest-Waggon“ des Riesenrads oder im beliebten Schweizerhaus. Das ist die Gelegenheit für junge Bücherfreunde, ihre Lieblingsautoren endlich einmal persönlich kennenzulernen und live zu erleben: So liest u.a. G&G Verlagsautorin Sabina Sagmeister aus ihrem Buch „Wolfsblick“. Ferdinand Auhsers Kamishibai- Erzähltheater begeistert mit einer aufregenden Geschichte, einem riesengroßen Kamishibai, tollen Bildern und natürlich jeder Menge Musik. Und Wiens Kinderbuchautor Reinhard „WIENY“ Mut erzählt „Sagenhaftes“ aus seinem neuesten Buch „Alle Neune – Der sagenhafte Stephansdom“.

Alle Infos und das Programm gibt es auf: kinderlesefest.at

Spendenaktion

Evelyn Grill – HOPE4UKRAINE

Spendenaktion: Siebdruck-Unikate kaufen und der Ukraine Hoffnung geben.
Foto: Hope4Ukraine

Evelyn Grill arbeitet in großen Formaten und Serien und hat über die Jahre ihr eigenes künstlerisches Genre entwickelt, in denen sie Siebdruck mit Malerei und textilen Techniken verbindet. 2002 schaffte sie ihr Diplom mit Auszeichnung an der Kunstuniversität Linz/Meisterklasse Textil. 2020 erhielt sie ein Kunststipendium des Landes NÖ.

©Hope4Ukraine

Jetzt sammelt sie mit Siebdruck-Unikate Geld für die Ukraine. Schon mit 20 Euro kann man der Ukraine wieder Hoffnung geben.

Infos unter:

nfo@evelyn-grill.at
www.evelyn-grill.at

Opernlabor in der Brotfabrik – The Start Up

©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

»THE START UP« 

Dieses Wochenende zeigt das Opernlabor in der Brotfabrik ihr neues Stück.

Das Opernlabor der Wiener Staatsoper lädt unter der Leitung von Krysztina Winkel Jugendliche und junge Erwachsene in wöchentlichen Proben dazu ein, mit Inhalten und Themen zu experimentieren sowie persönliche und gesellschaftliche Themen zu behandeln, die aus ihrer Perspektive dringend eine Plattform benötigen. Inspiriert wird das Projekt jedes Jahr von einer Oper aus dem Repertoire der Wiener Staatsoper. Das Ziel des Projekts ist es – neben dem Erschaffen einer neuen Musiktheater-Performance mit gesellschaftsrelevanten Inhalten – Lust und Neugier auf das Genre Oper sowie die Institution Wiener Staatsoper zu wecken.

Beim Opernlabor darf jede und jeder mitmachen, unabhängig von der eigenen musischen Vorbildung: Im Mittelpunkt steht vor allem der gemeinsame kreative Prozess und die daraus resultierende Begegnung von verschiedenen Persönlichkeiten, Interessen, Stärken und persönlichen Motivationen durch und mit denen gemeinsam Theater geschaffen wird. Aktuell sind 18 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 24 Jahren aus 8 Nationen im Opernlabor-Ensemble. Geprobt wird im Kulturhaus Brotfabrik im 10. Bezirk, hier ist auch der Sitz des Kooperationspartners Superar.

Im Zentrum des neuen Jugendstücks »THE START UP« stehen die Themen Stresskultur, toxische Kommunikation und Beziehungen sowie Femizide. Verhandelt wird dies in einem Start Up: Hier wird heiß diskutiert, denn die Sales-Zahlen stimmen schon lange nicht mehr. Entscheidungen werden getroffen und es wird gekündigt. Welche Auswirkungen diese Entscheidungen auf ein Individuum haben können, ist Ausgangspunkt für das neue Stück des Ensembles. Satirische Momente treffen auf kritische, tiefgreifende Sprachcollagen zu toxischer Kommunikation oder einen Recherche-Femizid-Chor aus Verharmlosungs-Headlines der Medien zum Thema Gewalt an Frauen.


Premiere: Freitag, 17. Juni 2022, 18.30 Uhr
Weitere Vorstellung: Samstag, 18. Juni 2022, 19.00 Uhr
Ankersaal im Kulturhaus Brotfabrik, 1100 Wien

Kostenlose Tickets können auf wiener-staatsoper.at reserviert werde, solange der Vorrat reicht.

Ocean State – Interview mit Stewart O’Nan

©Trudy O’Nan

Mörderische Liebe

In „Ocean State“ erzählt Stewart O’Nan vom Mord unter Teenagern – und von den Bruchlinien der Gesellschaft. Ein Interview.

„Als ich im achten Schuljahr war, half meine Schwester dabei, ein anderes Mädchen zu töten.“ Mit diesem Spannung versprechenden Satz beginnt der in Pittsburgh lebende Autor Stewart O’Nan seinen neuen Roman. Marie erzählt rückblickend von ihrer Schwester Angel, die gegen Ende des Romans gemeinsam mit ihrem Freund Myles wegen Mordes an der ebenfalls in Myles verliebten Birdy vor Gericht steht. Wir sind an der Küste von Rhode Island in einer ehemaligen Industriestadt, in der die Menschen eher schlecht als recht über die Runden kommen. Sogar die Schülerinnen schuften, miserabel bezahlt in Aushilfejobs im Supermarkt & Diner.

Stewart O’Nan, der 2017 mit seinem Roman über ein schließendes Lokal „Letzte Nacht“ Gast bei „Eine Stadt.Ein Buch.“ war, ist ein Meister der Darstellung von gesellschaftlichen Umbrüchen und sozialen Verwerfungen. Als Leser erleben wir Liebe und Neid, Hass, Verzweiflung und Hoffnung sogenannter „einfacher“ Menschen hautnah ohne moralische Verurteilung mit. Am Schluss ist es natürlich die Tochter der geschiedenen Krankenschwester, die länger ins Gefängnis gesteckt wird als der Sohn der reichen Familie.

Wie entstand „Ocean State“? Gibt es einen realen Fall?

Stewart O’Nan: Der Fall, der meinen Roman inspiriert hat, ist der Mord an der 13-jährigen Mary Ann Measles in einer kleinen Flussstadt in Connecticut.

War der eindrucksvolle erste Satz des Romans  gleich zu Beginn Ihres Schreibens da?

Mein ursprünglich erster Satz war „Diesen Sommer lebten wir in einem Haus am Fluss.“ – eine Verneigung vor Hemingways „In einem anderen Land“ und Shirley Jacksons „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“. Mein tatsächlicher erster Satz kam also später.

Der Satz bringt natürlich Spannung, aber Sie scheinen mehr an den Umständen als am Mord selbst interessiert, warum?

Das „Wie“ und besonders das „Warum“ ist für mich wichtiger – und dann vor allem die Konsequenzen des Mordes, also wie die Betroffenen damit leben müssen.

Nur eine Person spricht direkt – und zwar ausgerechnet die jüngste, die 13-jährige Marie, die natürlich am wenigsten versteht, warum?

Marie ist ruhig und introvertiert, aber sie ist auch die moralisch Wertende – und bis zum Mord war ihre große Schwester Angel ihr Idol. Ohne ihr Vorbild weiß sie nicht, wie sie sein soll – sie muss sich quasi neu erfinden. Sie versteht die Geschichte nicht ganz, obwohl sie ja auch betroffen ist, und deshalb trägt sie den Roman. 

Sie haben vier Hauptcharaktere, alle sind weiblich, warum?

Die Männer sind in dieser Geschichte schwach und kümmern sich nicht um das, worauf es ankommt, nämlich ihre Familien. Sie sind passiv, wärend Carol, Angel und Birdie die Konsequenzen ihres Handeln tragen müssen.

Die Gegend um Rhode Island scheint wie ein zusätzlicher Charakter im Roman, warum spielt der Roman gerade hier?

Ich habe die Küste von Rhode Island gewählt, weil ich sie besser kenne als die Kleinstadt in Connecticut. Im Lockdown konnte ich auch meine üblichen Erkundungen vor dem Schreiben nicht machen. Und die Küste bringt mehr Romantik und mehr Kontrast.

Der Roman spielt 2009, im ersten Jahr von Obama als Präsident, ist das wichtig für die Geschichte?

Ich wollte eine retrospektive Erzählerin, brauchte also eine Zeit, die zehn Jahre vergangen ist. Es passte auch gut in die Zeit des Zusammenbruchs der Immobilienblase, die wie ein Echo aus der Epoche des Industrieverfalls in den 70er- und 80er-Jahren erschien.

Ich lese den Roman als eine Parabel über Besitz. Beide Mädchen wollen den schönen, reichen Myles?

Ja, daran besteht kein Zweifel. Myles ist eine Trophäe. Sie brauchen ihn als eine Bestätigung ihrer Besonderheit, ihres Wertes. Aber was passiert, wenn sie diese Trophäe verlieren?

Das Streben nach Besitz erzeugt Gewalt – eine Kapitalismuskritik?

Ich denke, es ist mehr eine Warnung davor, was Liebe vermag. Uns in dem einen Moment erhöhen und im nächsten Moment unser Selbstwertgefühl völlig zu zerstören. Liebe macht uns glücklich, aber auch verzweifelt und eigentümlich. Birdy denkt sich Liebe als Besitz, der sie verändern kann und uns Dinge machen lässt, von denen wir wissen, dass wir sie nicht tun sollten.     


Stewart O’Nan: Ocean State
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel
Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-498-00268-8
254 Seiten
€24,70

Kinderlesefest 2022

Gratis-Lesestoff für die Sommerferien

Bewährtes Konzept, neue Location: Am Sonntag, den 3. Juli 2022 findet erstmals das beliebte Wiener Kinderlesefest im Wiener Prater statt. Pünktlich zum Sommerferienbeginn bildet das Event den krönenden Abschluss der heurigen Wiener Kinderlesefest-Tour – Kinder und Jugendliche zwischen 4–14 Jahren erwartet dabei ein spannendes Rahmenprogramm.
Foto: Stefan Joham

Ein besonderes Highlight für alle Bücherwürmer und solche, die dies noch werden wollen: Sie können sich beim Wiener Kinderlesefest mit Lesestoff für die Sommerferien eindecken – und das kostenlos. Außerdem lesen bekannte Kinderbuchautor*innen aus ihren Werken an verschiedenen Locations im Wiener Prater, wie zum Beispiel im „Kinderlesefest-Waggon“ des Riesenrads oder im beliebten Schweizerhaus. Das ist die Gelegenheit für junge Bücherfreunde, ihre Lieblingsautoren endlich einmal persönlich kennenzulernen und live zu erleben: So liest u.a. G&G Verlagsautorin Sabina Sagmeister aus ihrem Buch „Wolfsblick“. Ferdinand Auhsers Kamishibai- Erzähltheater begeistert mit einer aufregenden Geschichte, einem riesengroßen Kamishibai, tollen Bildern und natürlich jeder Menge Musik. Und Wiens Kinderbuchautor Reinhard „WIENY“ Mut erzählt „Sagenhaftes“ aus seinem neuesten Buch „Alle Neune – Der sagenhafte Stephansdom“.

Alle Infos und das Programm gibt es auf: kinderlesefest.at

Bewährtes Konzept, neue Location: Am Sonntag, den 3. Juli 2022 findet das beliebte Wiener Kinderlesefest im Wiener Prater statt.

„Mit dem Wiener Kinderlesefest setzt sich unser Haus bereits seit 11 Jahren dafür ein, Kindern den Spaß am Lesen näherzubringen. Denn Lesen bietet die einzigartige Möglichkeit, in fremde Welten einzutauchen, sich auf Phantasiereisen zu begeben und jede Menge Abenteuer zu erleben – daher freuen wir uns sehr, dass wir jedes Jahr auf die Unterstützung starker Partner und namhafter Verlage aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zählen können, um gemeinsam die Lesefreude von Kindern und Jugendlichen zu wecken und zu fördern. Die Ferienlektüre ist auch in diesem Jahr gesichert!“, erklärt echo-event-Geschäftsführer Christian Pöttler.

Der Wiener-Kinderlesefest-Bus tourt im „Lesemonat Juni“ durch die Wiener Volksschulen. Im Rahmen des 11. Wiener Kinderlesefests werden rund 40.000 Kinder- und Jugendbücher der renommierten Partnerverlage wie etwa G&G Verlag, Arena, Bastei Lübbe, cbj und Beltz an Kinder in Wien verteilt.

Den ganzen Juni über liefert der „Wiener Kinderlesefest“-Bus spannende Bücherpakete an die Wiener Volksschulen – eine Gratis-Aktion, zu der sich alle Volksschulen in ganz Wien anmelden konnten. Außerdem startet im Juni 2022 auch wieder die erfolgreiche Vorlese-Initiative „Lies mit“, die den Spaß am Lesen bei Volksschulkindern fördern soll. Alle Lehrer*innen der teilnehmenden Schulen erhalten dabei ein eigenes „Vorlesebuch“, aus dem sie ihren Schüler*innen vorlesen sollen.

Die Initiative richtet sich aber nicht ausschließlich an Wiener Volksschulen. Lesen und Vorlesen kann man immer und überall. Fotos von der Vorlese-Aktion können und sollen gepostet werden, und zwar auf der Facebookseite @WienerKinderlesefest mit dem Hashtag #kinderlesefest oder können auch per Mail geschickt werden an kinderlesefest@echo.at – die Einsendungen werden im Anschluss in der Galerie auf www.kinderlesefest.at veröffentlicht. Unter allen Einsendern werden tolle Bücherpakete der Partnerverlage sowie limitierte Plätze für eine Fahrt im „Kinderlesefest-Waggon“ im Wiener Riesenrad am 3. Juli 2022 verlost.

Das Wiener Kinderlesefest versteht sich als moderne Leseförderung – Lesen soll als positives Erlebnis erfahrbar werden. Denn Lesen ist eine Bereicherung für alle Menschen, niemand soll von dieser lustvollen Erfahrung ausgeschlossen bleiben.


Unser großer Dank gilt vor allem unseren langjährigen Unterstützern, insbesondere der Stadt Wien und der Wiener Städtischen Versicherung. Weiters bedanken wir uns bei unseren zahlreichen Partnern, wie unter anderen Bauer Medien, McDonald’s, der Industriellen Vereinigung Wien, G4S, Prater Wien, Thalia, Bildungsdirektion Wien und Münze Österreich.