Das Jungtalent – Nils Arztmann spielt „Das Vermächtnis“ im Theater in der Josefstadt

Es geht um homosexuelle Freunde in New York von den AIDS-Jahren bis heute. In seinem mehrfach ausgezeichneten Stück „Das Vermächtnis“ (u. a. Tony-Award ) verarbeitet der Amerikaner Matthew López das Schicksal dreier Generationen schwuler Männer zu einem hochaktuellen Spiegel unserer Gesellschaft. Geschrieben in der ersten Periode der Präsidentschaft Donald Trumps entfaltet die Geschichte gerade heute eine enorme Sprengkraft. Das Theater in der Josefstadt bringt ab 15. März das mit Pausen mehr als 7 Stunden dauernde Stück erstmals in Österreich auf die Bühne. In der Inszenierung von Elmar Goerden spielen 11 Männer und nur eine Frau (Andrea Jonasson). Einer von ihnen ist der 1999 in Wien geborene Nils Arztmann, der seit 2 Saisonen fix im Ensemble der Josefstadt ist und schon in zahlreichen Produktionen zu sehen war (u. a. „Leben und sterben in Wien“, „Die Möwe“).

wienlive: Sie wollten schon als Kind zur Bühne, dabei waren die Eltern nicht am Theater, wie kam es dazu?

Nils arztmann: Ich bin zu der Kindertheatergruppe „gut gebrüllt“ von Maria Köstinger gekommen. Das war der Startschuss – obwohl es dann noch lange gedauert hat, bis ich mir eingestanden habe, dass ich das professionell machen will. Aber nach der Matura war mir klar, dass ich das zumindest probieren muss. Ich wollte dann eigentlich in einer deutschen Schauspielschule vorsprechen, bekam aber während meines Zivildienstes nur 10 Tage Urlaub – da gingen sich nur Schulen in Österreich aus und es wurde das Max Reinhardt Seminar, worüber ich nachträglich sehr froh bin.

Sie haben angesichts Ihres Alters schon sehr viel gespielt – sowohl am Theater als auch im Film, dabei war zwischendurch ja Pandemie?

Ja, irgendwie ist sich da viel ausgegangen. Vielleicht auch, weil ich sehr früh angefangen habe. Und: Ich hatte immer auch große Lust zu spielen.

 Das Theater in der Josefstadt ist ideal für Sie?

Ja, vor allem durch die Kolleginnen und Kollegen. Speziell jetzt bei den Proben zum „Vermächtnis“ – da entsteht ein Raum, in dem wir gemeinsam eine Geschichte erzählen wollen, die uns am Herzen liegt. Auch weil wir alle wissen, dass dieses Stück gerade jetzt wichtig ist. Das spürt man. Wenn man so eine lange Zeit – wir proben mehr als 4 Monate! – gemeinsam zusammen ist, fühlt man, dass man echt zusammenwächst. Also das Gegenteil von Lagerkoller, sondern so etwas wie eine metaphysische Verbindung. Dabei sind wir ja fast nur Männer – der tolle Monolog, gespielt von Andrea Jonasson, kommt erst sehr spät – nach fünfeinhalb Stunden.

Ein Stück mit fast nur Männerrollen, herrscht da eine andere Dynamik?

 Ich habe tatsächlich noch nicht darüber nachgedacht, dass wir nur Männer sind, obwohl es mir natürlich bewusst ist. Ich könnte auch nicht sagen, dass sich dadurch eine andere Dynamik ergibt – ich sehe meine Kollegen einfach nur als Menschen.

 Aber es sind doch alles schwule Männer, oder?

Die Mehrzahl schon, aber es gibt auch heterosexuelle Männer in dem Stück. Alle Schauspieler spielen außerdem mehrere Rollen. Ich spiele etwa einen jungen Mann, der Schauspieler werden möchte und in das Leben eines Pärchens – gespielt von Raphael von Bargen und Martin Niedermair – eindringt. Anfangs noch sehr naiv, wird er später auch manipulativ.

 Ist „Das Vermächtnis“ ein Konversationsstück mit wenig Handlung?

Nein, es gibt sogar sehr viel Handlung! Ich spiele auch einen Erzähler, der die Geschichte vorantreibt. Aber es wird immer wieder eingegriffen und „vorgespult“. Durch diesen dauernden Wechsel der Zeiten passiert eigentlich andauernd etwas. Man kann da zuschauen wie bei einer TV-Serie.

Matthew López hat sein Stück als Reaktion auf die erste Ära von Donald Trump geschrieben. Wie politisch ist „Das Vermächtnis“?

Das Drama ist wirklich sehr politisch und passt perfekt in die Gegenwart. Es geht ja auch konkret um den Abbau von Rechten, die über die letzten Generationen hinweg schon erkämpft worden sind. Das wird konkret thematisiert, angesprochen und behandelt. Aber das Stück ist einfach so vielfältig und umfassend – es kommen Sehnsucht, Liebe, Ängste und Politik vor. Das macht es ja so toll und so schillernd. Ich freue mich wahnsinnig darauf, das spielen zu dürfen.


Das komplette Interview lesen Sie im neuen Wienlive. Hier entlang zum E-Paper.

Karten und Infos: josefstadt.org

Rockstar der Wissenschaft – Der Genetiker Josef Penninger im Interview

Er ist ein Superstar, der Rockstar der Wissenschaft. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist Josef Penninger auch der breiten Öffentlichkeit bekannt: die Medien holten den hochdekorierten Forscher gerne vor den Vorhang, um Covid-19 verständlich zu erklären.

Der weltweit renommierte Genetiker ist Visionär und Vordenker. Seine Forschungen veränderten die Medizin. Der Oberösterreicher beschäftigt sich mit den genetischen Ursachen von Krankheiten, daraus resultiert die Entwicklung neuer Medikamente, die Millionen Menschen das Leben retten. U. a. flossen Professor Dr. Penningers Forschungsergebnisse in die Entwicklung eines Osteoporose-Medikaments ein, außerdem war er an der Entwicklung der Krebs-Immuntherapie beteiligt und seine Forschungen waren maßgeblich für die Entwicklung der Corona-Impfstoffe (Details auf den nächsten Seiten). 

Der hochdekorierte Wissenschaftler ist seit Jahrzehnten im Ausland tätig, seit 2023 ist der Pionier auf dem Gebiet der Präzisionsmedizin wissenschaftlicher Geschäftsführer des deutschen Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig – eines der weltweit größten Institute in diesem Forschungsbereich. Gleichzeitig übernahm Penninger die erste Professur für Personalisierte Medizin an der Medizinischen Universität Wien: „Ich bin zu 100 Prozent Direktor des HZI, die Professur in Wien mache ich zu 25 Prozent.“

Für die MedUni Wien soll Penninger gemeinsam mit vielen Kolleg:innen der MedUni Wien nun am MedUni Campus AKH – direkt neben dem AKH Wien, einem der besten Krankenhäuser der Welt – ein Zentrum für Präzisionsmedizin aufbauen, das Eric Kandel Institut. Die Baukosten – 90 Millionen Euro – sind gesichert, der Spatenstich erfolgte 2023, bezugsfertig soll das mit den neusten Technologien ausgerüstete Institut Ende  2026 sein. Ermöglicht wurde der Bau des Instituts auf Initiative des Rektorats mit EU-Fördermitteln und Spenden.

Als Vordenker hat Penniger konkrete Vorstellungen für das Eric Kandel Institut: „Es soll ein Leuchtturm für Präzisionsmedizin sein, auf den die ganze Welt blickt und von dem jeder österreichische Patient einen Nutzen ziehen kann –  ein Forschungsinstitut von absoluter Weltklasse für  angewandte biomedizinische Forschung“.

Rund 100 Millionen würde der jährliche Betrieb des Eric Kandel Instituts nach seinen Vorstellungen kosten. Eine sinnbringende Investition ins Gesundheitssystem und in die Zukunft der Medizin. Nicht nur der Nutzen für die Patient:innen wäre enorm hoch, sondern auch die Umwegrentabilität: große Pharma-Unternehmen könnten erstmals Wien bzw. Österreich als interessanten Standort wahrnehmen.

Allerdings: gesichert sind die jährlichen Betriebskosten für diesen Meilenstein der Medizin noch nicht. Jetzt ist die Politik am Zug.

Das ganze Interview mit Josef Penninger lesen Sie hier im wienlive E-Paper.

Interview mit Richard Cockett über Wien als Wiege der modernen Welt

Bild: ©Elisabeth Lechner

Richard Cockett ist nach dem Erscheinen seines äußerst fundierten Buches „Vienna. How the City of Ideas Created the Modern World“, das jetzt auch auf deutsch bei Molden vorliegt, Stadtgespräch unter Intellektuellen. Im MAK war er zu Gast bei den Wiener Vorlesungen. Das Erstaunlichste seiner Beschreibung ist die Fülle der Persönlichkeiten Wiens, die prägend wirkten und so Unterschiedliches wie das moderne Management (Peter Drucker), die empirische Sozialforschung (Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda), die Einbauküche (Margarete Schütte-Lihotzky) und das Einkaufszentrum (Viktor Gruen) erfanden – um nur wenige Highlights zu nennen. Auch das Wiener Kaffeehaus hatte seinen Anteil an der Moderne und so erwies sich sogar das von Touristen belagerte Café Central als ideal für das Interview.

Wie haben Sie Wien bei Ihrem ersten Besuch 1987 erlebt?

Richard Cockett: Ich kam damals noch als Tourist und nur für eine Woche. Also ging ich zum Belvedere, sah mir die Klimt-Bilder an und Schönbrunn. Ich dachte auch nicht viel über Wien nach. Erst später, als ich viel über Wien erfahren und die vielen Wiener Intellektuellen entdeckt hatte, begann es mich weiter zu interessieren. 

Gibt es Orte in Wien, die sie jedes Mal aufsuchen?

Ich habe ein paar Lieblingscafés wie das Landtmann, das Museum und das Prückel – das sind meine Top 3.

Wie wurde Wien für Sie als Historiker interessant – durch Lazarsfeld und Hayek?

Als Wirtschaftsjournalist und Historiker habe ich mit Hayek und Mises angefangen, denn ich schrieb in den frühen 90er-Jahren ein Buch über das Aufkommen der Politik von Thatcher und Reagan. Und schon bald wurde mir klar, dass die beiden sehr von diesen liberalen Wiener Wirtschaftsdenkern beeinflusst waren. Auch von Karl Popper. Ich fand, dass das ein interessantes Gebiet wäre.

Damals wusste niemand, dass der Reaganismus seine Wurzeln in Wien hat?

Ja, das ist auch heute noch teilweise so. Es wird auch schwer sein, einen Amerikaner zu finden, der Peter Drucker kennt oder gar weiß, dass er aus Wien kommt.

Wie sehr erinnert Sie die heutige politische Situation mit Brexit und dem Erstarken der Rechten an die 30er-Jahre?

Es gibt viele Parallelen, wie eine Welle von harter rechter Politik. Aber hier in Wien habt ihr ja eine sozialdemokratische Partei, die eine gesunde Mehrheit hat – wenngleich sie von feindlichen Kräften im In- und Ausland umgeben ist. Das weckt Erinnerungen an die 20er- und 30er-Jahre. Und wie Sie wissen, hatte die rechte Politik in Österreich ein schreckliches Ende. Aber Österreich ist jetzt eine stabile Demokratie, ein Mitglied der EU und hat eine starke Verfassung. Ich sehe also keine apokalyptische Gefahr für Österreich.

Das ganze Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Wien live.


„Vienna“ von Richard Cockett
Verlag Yale University Press
464 Seiten
Sprache: Englisch

Martin Walker liest bei der 20. Kriminacht in den Kaffeehäusern

Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.
Text: Ursula Scheidl

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Historiker und politische Journalist Martin Walker ist heuer bei der Kriminacht zu Gast in Wien und entführt Leser*innen mit seinem 16. Fall von Bruno, Chef de police, wieder in die französische Provinz.

Martin Walker versteht es blendend, Geschichte, Aktuelles, die politische Kultur Frankreichs und das einzigartige Flair des Périgord zu vermengen. Sein neuestes Buch „Im Château“ beginnt mit der Aufführung der Befreiungsschlacht um das malerische Mittelalter-Städtchen Sarlat. Die halbe Stadt ist in historischen Kostümen auf dem Marktplatz unterwegs, auch Bruno. Doch der Hauptdarsteller bleibt schwer verletzt in seiner Rüstung liegen. Sofort stellt sich die Frage: Unfall oder Absicht? Zumal es sich bei dem Schauspieler um einen sehr hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter mit weitreichenden internationalen Beziehungen handelt. Und natürlich sind alle von Brunos Freunden mit Feuereifer dabei, Licht ins Dunkel der Sache zu bringen. 

Autor Martin Walker. – ©Klaus Maria Einwanger
Martin Walker. – ©Klaus Maria Einwanger

vormagazin: Sie leben seit fast 30 Jahren im Périgord. Was fasziniert Sie an dieser Region?

Martin Walker: Es begann mit meiner Faszination für die prähistorischen Höhlenmalereien, dann für die neuere Geschichte, von den Römern bis zur arabischen Invasion, Karl den Großen, die Ankunft der Engländer und der Hundertjährige Krieg, die Verfolgungen der beiden ketzerischen Bewegungen hier, der Katharer und der Protestanten – so viel Menschheitsgeschichte konzentriert sich an einem Ort. Und dann war da noch das Essen, der Wein …

Es gibt viele Krimireihen, die in bestimmten Regionen spielen. Warum eignet sich das Périgord besonders für Ihre Geschichten mit Bruno?

Ich war überrascht, dass noch niemand das Périgord als Kulisse für einen Krimi verwendet hatte, und ich war fasziniert von dem Ort. Ich hatte bereits „Schatten an der Wand“ veröffentlicht, das ist eher ein Geschichtsroman, und genoss es, das zu tun, aber dann erkannte ich, dass mein Tennispartner, Dorfpolizist Pierrot, ein perfekter Typ für einen Krimi war.

Der 16. Fall von Bruno ist internationaler denn je zuvor. Wie kam es zur Entwicklung vom Polizisten eines kleinen Dorfes zum Ermittler großer internationaler Zusammenhänge?

Es begann eigentlich schon früh mit meinem Buch „Reiner Wein“, in dem es um eine große US-amerikanische Weinfirma geht. Dann erkennt Brunos große Liebe, Isabelle, die Assistentin des Innenministers in Paris ist, dass Bruno eine entscheidende Bereicherung in seiner Region ist. Dann haben wir einen baskischen Terroristen, einen britischen Gauner im Antiquitäten-handel, Kinder einheimischer arabischer Familien, die für die Taliban rekrutiert wurden, ein britischer Meisterspion zieht sich in Brunos Dorf zurück, dann taucht der russische Geheimdienst auf … Vieles davon kommt aus meinem Hintergrund als Journalist im Nahen Osten, in Russland und den USA.

Welche Rolle spielt der französische Geheimdienst?

Frankreichs wichtigstes Zentrum für elektronische Aufklärung befindet sich hier, in Domme im Dordogne-Tal, und ich traf englische Freunde, die für sie arbeiteten und französischen Technikern alle Varianten des Englischen, wie sie von Arabern, Afrikanern, Chinesen und so weiter gesprochen werden, beibrachten. Und wenn Sie wissen, wo Sie schauen müssen, sind die Antennen und Satellitenkuppeln nicht zu übersehen. Unvermeidlich, dass es zu einem Ziel wird.

Sie geben in diesem Buch auch Finanztipps. Was reizt Sie daran, immer wieder abseits der Haupthandlung Dinge zu recherchieren und einzustreuen? 

Ich bin im Herzen immer noch Journalist und liebe es zu erklären, wie die Welt meiner Meinung nach funktioniert. Eines habe ich gelernt: Nationale Sicherheit und Hightech sowie Investitionen und Steuerpolitik gehen fast immer Hand in Hand.

Prinzipiell, wie finden Sie die Ideen für Ihre Bücher?

Ich halte meine Augen und Ohren offen, bleibe in Kontakt mit alten Kontakten auf der ganzen Welt, versuche, nie die Dinge für bare Münze zu nehmen und immer daran zu denken, dass sich auf lange Sicht alles um Menschen dreht.

Ich schätze, Brunos 17. Fall ist schon geschrieben?

Der 17. Fall, „A Grave in the Woods“, ist soeben in Großbritannien und den USA veröffentlicht worden
(die deutsche Übersetzung ist bei Diogenes für 2025 in Vorbereitung), und ich habe bereits das Manuskript des 18. an meinen Verleger geschickt – der Titel steht noch nicht fest. Jetzt plane ich die Nummern 19 und 20. 

Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau Julia auch ein Kochbuch geschrieben. Wie haben Sie kochen gelernt?

Zuerst von meiner Mutter, dann vom Reisen und dem Versuch, die Gerichte, die ich in Afrika und dem Nahen Osten genossen hatte, wieder zu kreieren, und dann von Julia, die eine brillante Köchin ist. 

Sie produzieren auch selbst Wein. Wie kam es dazu?

Julien, unser örtlicher Weinhändler, ist ein guter Freund und hat ein Familienweingut. Er half mir dabei, den Cuvée Bruno herzustellen.

Sie waren ja schon mehrere Male in Wien. Was mögen Sie besonders in der Stadt?

Das Wiener Schnitzel im Gasthaus „Zu den 3 Hacken“ und die Bruegels im Kunsthistorischen Museum.

Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.


„Im Château“, der sechzehnte Fall für Bruno, Chef de police, von Martin Walker
Aus dem Englischen von Michael Windgassen
Diogenes
384 Seiten
€ 26,80

Wer Extreme stärkt, schwächt Österreich – Stephan Zöchling und seine Initiative ZusammenStaerker

„Österreich hat sich etwas Besseres verdient als einen Wahlsieger Kickl“ – Unternehmer Stephan Zöchling finanziert die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker aus eigener Tasche, unterstützt wird er von weiteren Wirtschaftstreibenden. – ©picturedesk.com

Gegen Verhetzer in der Politik, gegen Populisten und Demagogen, tritt Spitzenunternehmer und Investor Stephan Zöchling anlässlich der Nationalratswahl am 29. September mit der überparteilichen Initiative #ZusammenStaerker auf. „Wir wollen keine politischen Brandstifter und Extremisten in Ministerien oder anderen Entscheidungsfunktionen“, sagt Zöchling.
„Wir treten gegen extreme politische Ränder auf und machen uns für mehr Respekt und Sachlichkeit in der heimischen Politik stark.“ (zusammenstaerker.at)

Zusammen stärker

Der studierte Betriebswirt Zöchling, u.a. Miteigentümer und Chef des Auspuffherstellers Remus und Mitgesellschafter der Vorarlberger Erne Group, will vor allem potenzielle Nichtwähler bzw. Unentschlossene aufrütteln. Hass, Wut und Zorn seien keine guten Ratgeber, eine Denkzettelwahl solle tunlichst vermieden werden.
Zöchling hat zahlreiche prominente Unterstützer:innen aus der Wirtschaft für seine Initiative wie etwa Industriemanagerin Brigitte Ederer, Immobilienentwickler Erwin Soravia, Hotelière Elisabeth Gürtler und Kunsthändler Roman Herzig.
Im Interview spricht Stephan Zöchling über die Ziele der Initiative #ZusammenStaerker, über die Stimmung in Österreich vor der Nationalratswahl, er fordert kompetente Politiker:innen und er sagt: „Österreich hat sich etwas Besseres verdient als einen Wahlsieger Kickl“.


In der politischen Landschaft Österreichs sind Populisten und Demagogen nichts Neues, es gibt seit Jahren Verhetzer, Brandstifter und Hassredner. Warum haben Sie die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker just 2024 ins Leben gerufen?

Die Initialzündung waren im vergangen März erste Umfrageergebnisse für die EU-Wahl im Juni: die FPÖ lag an erster Stelle. Das hat nicht nur mich, sondern viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehr nachdenklich gemacht. Uns war klar: Wir können nicht länger tatenlos zuschauen, wir müssen etwas tun. Wir wollen gegen extreme politische Ränder auftreten. Denn ein weiteres Erstarken von Populisten und Demagogen würde nicht nur das friedliche Miteinander in unserem Land gefährden, sondern auch massiv der heimischen Wirtschaft schaden.

Wen wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker in erster Linie ansprechen?

Wir wenden uns an jene, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen. An jene, die vielleicht eine Denkzettelwahl in Betracht ziehen, die aus Wut oder Zorn eine Entscheidung treffen würden, die sie am Tag nach der Wahl vermutlich bereits bereuen würden. Und wir wenden uns an die Österreicher:innen, die vorhaben, nicht zu wählen.

Tatsache ist, dass die Nichtinanspruchnahme des Wahlrechts eine Form der Dekadenz ist. Denn sehr viele Menschen auf diesem Planeten hätten gern ein Wahlrecht und würden sich wünschen, dieses auch ungehindert ausüben zu können. Vor dem diesem Hintergrund ist es unbillig zu sagen, ich kann zwar wählen, aber ich geh nicht hin, weil das sind eh alles Trotteln und das interessiert mich nicht. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, das Wahlrecht wahrzunehmen und damit die Demokratie zu schützen.

Es ist auch nicht egal, wen man wählt. Es gibt ein wählbares Spektrum der Parteien der Mitte – links, konservativ, grün oder liberal. Es geht nur darum, dass sich Österreich etwas Besseres verdient hat, als einen Wahlsieger Kickl.

Wie empfinden Sie die Stimmung in unserem Land kurz vor der Nationalratswahl?

Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Extreme an beiden politischen Rändern versuchen, daraus Stimmen zu machen – mit einfachen Feindbildern und negativen Emotionen wie Hass, Angst oder Zorn. Aber Brandstifter und Extremisten sind nicht die Lösung, nur ein sachliches und respektvolles Miteinander bringt uns weiter. Und das brauchen wir, denn Österreich steht vor großen Herausforderungen, nicht nur wirtschaftlich.

Was ist die Intention, was wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker bewirken?

Wir wollen aufmerksam machen, sensibilisieren, die Menschen zum Nachdenken bringen. Wir wollen vermitteln, wie wichtig die kommende Wahl ist, und dass jede Stimme zählt. 

Tatsache ist, dass die Politiker:innen, da jetzt so laut schreien, schon mehrfach gezeigt haben, dass sie nicht regieren können. Das haben wir bei den Kommunisten gesehen, bei den Spaßparteien, die nur Proteststimmen bekommen haben, und vor allem bei den rechten Parteien. Denn Ausländerfeindlichkeit, Menschverachtung und Wissenschaftsleugnung bringen die Gesellschaft nicht voran, sondern spalten sie noch weiter.

Schadet die Ausländer-Hetze der rechten Populisten auch der Wirtschaft?

Es hilft mit Sicherheit nicht, ausländerfeindlich zu sein und eine Festung Europa hochziehen zu wollen. Denn eine Festung Österreich würde uns u. a. Touristen kosten, die nicht mehr nach Österreich kommen, weil sie nicht in ein   ausländerfeindliches Land wollen. Eine Festung Österreich würde uns dringend benötigte Arbeitskräfte kosten, denn Menschen, die die Wahl haben, werden nicht nach Österreich kommen, sondern in die Schweiz oder nach Kroatien oder Slowenien gehen – die beiden Letzteren sind mittlerweile neue, attraktive Länder zum Arbeiten.

Auf der Homepage von #ZusammenStaerker kann man eine Unterstützungserklärung unterschreiben. Wie viele Unterstützer:innen haben Sie kurz vor der Wahl?

Um die 13.000. 

Wird aus der Initiative eine neue Partei werden?

Nein, auf keinen Fall.

Sie können sich nicht vorstellen, in die Politik zu gehen –  Zöchling for Kanzler?

Ganz sicher nicht!  Es wird daraus keine politische Aktivität entstehen, es ist eine rein zivilgesellschaftliche Initiative.

Ist die Initiative für Sie mit der Wahl beendet oder wird sie weitergeführt?

Aufgrund der guten Resonanz schließe ich nicht aus, dass wir #ZusammenStaerker nach der Nationalratswahl weiterführen werden.

Die Initiative #ZusammenStaerker quasi als ständiger Beobachter, als Mahnerin, als Sensibilisierungs-Tool für Polemik, für Populisten und Demagogen, für Verhetzer und Brandstifter in der Regierung?

Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber nicht mit dem Ziel, dass #ZusammenStaerker einmal im Parlament sitzt.

Was erwarten Sie sich von einer neuen Regierung?

Die neue Regierung hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört vor allem auch, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver zu gestalten. Die Unternehmen müssen entlastet werden. Es gibt hohe bürokratische Hürden und bürokratische Belastungen, da spreche ich noch gar nicht von den Lohnnebenkosten.

Ein Beispiel: Unternehmen müssen mittlerweile zusätzlich zum Jahresabschluss und zu einer Vielzahl an weiteren Berichten, wie einem Umweltbericht, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht schreiben. Den liest niemand, aber er kostet mittelständische Unternehmen knapp 70.000 Euro pro Jahr – so viel kostet ein Arbeitsplatz.

Größere Unternehmen geben pro Jahr insgesamt bereits rund 750.000 Euro für Audits und Berichte aus – das ist Lobbyisten-getrieben, da verdienen nur irgendwelche Berater daran, weiters bringt das überhaupt nichts. 

Sowohl in den Ländern wie auch beim Bund wurde eine unglaubliche Bürokratie

aufgebaut. Sie müsste durchkämmt werden, um die Unternehmen zu entlasten.

Mit dem freigesetzten Geld könnte man Arbeitsplätze schaffen, Investitionen tätigen und Innovationen und Startups finanzieren. All das können wir nicht, weil wir mittlerweile ganze Abteilungen brauchen, um dem Bürokratie-Irrsinn Herr zu werden.

Es ist Aufgabe der Politik, diese Bürokratismen zu durchkämmen. Da käme man sehr schnell auf Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe, damit könnte eine Steuersenkung finanziert werden. Derartige konkrete Vorschläge vermisse ich bei den Wirtschaftsprogrammen der Parteien, sie sind immer sehr vage, verlieren sich in Allgemeinplätzen. Deshalb brauchen wir dringend kompetente Politiker:innen, die wissen, was es bedeutet, Unternehmer zu sein.

Wie schätzen Sie als Spitzenunternehmer generell die Wirtschaftslage ein? – Die aktuellen Schlagzeilen lauten etwa „Wirtschaftskrise hält an“, „Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt“ …

Wir stehen am Anfang eines Tsunamis. In Deutschland wurde die Wirtschaft von der Regierung an die Wand gefahren. Das wirkt sich insofern auf Österreich aus, weil wir ein Exportland sind, Stichwort Zulieferindustrie, da wird es weniger Nachfrage geben. Außerdem ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte für unseren Tourismus. Im kommenden Winter werden wir schon zu spüren bekommen, dass unsere deutschen Nachbarn vermehrt ausbleiben, weil sie sich einen Schiurlaub nicht mehr leisten können oder das Geld aufgrund der ungewissen Arbeitsmarktsituation lieber sparen. Dieser Trend hat sich bereits im vergangenen Sommer bei den Buchungen für Kroatien, Italien und Griechenland gezeigt. Nicht nur die Deutschen bleiben aus, dasselbe gilt für die Benelux-Länder und natürlich für die Engländer, die nach dem Brexit mit dem Rücken zur Wand stehen.

Das alles zusammen ist für unsere Wirtschaft ein toxischer Cocktail. Vor diesem fordernden Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir kompetente und besonnene Politiker:innen haben und keine Populisten, die nichts anders können, als Hassreden zu halten.


zusammenstaerker.at

Der Verlag Elster & Salis Wien und seine Verlegerin Anja Linhart

Foto: ©Stefan Diesner

Zum Bücherlesen fand Anja Linhart erst relativ spät, gerade weil sie – in Deutschland – als Tochter einer Buchhändlerin aufwuchs. Bis 13 hatte sie entschieden andere Interessen. Aber dann fiel ihr ein Buch von Simone de Beauvoir in die Hände und der Funke sprang über: „Das war meine Einstiegsdroge. Ich musste alles von ihr lesen.“ Nach der Schule fing sie beim Radio an, die journalistische Arbeit behielt sie dann auch während des Studiums (Politikwissenschaften)in Frankfurt und danach bei – den Gegensatz von kurzen Radioclips und langen theoretischen Arbeiten, die sie auf der Uni verfassen musste, fand sie reizvoll. 2008 kam sie aus privaten Gründe nach Wien, wo sie zunächst beim Wiener Kindertheater mitarbeitete, ehe sie 2020 über einen Bekannten das Angebot bekam, ein Büro des Schweizer Verlags Elster & Salis in Wien aufzubauen, in dessen Lektorat sie schon länger gearbeitet hatte. Seit 2023 ist Elster & Salis Wien ein eigenständiger Verlag, der sich vor allem um aktuelle österreichische Literatur kümmert.

wienlive: Woher nahmen Sie den Mut, einen Verlag zu gründen?

Anja Linhart: Nun, ich hatte ja viel gelernt bei Elster & Salis und hatte große Unterstützung aus der Schweiz. Gerade in der Pandemie konnte man im Verlagsbereich nicht viel machen und so hatte ich Zeit, mich in das Geschäft einzuarbeiten. Mit Gábor Fónyad („Als Jesus in die Puszta kam“), Johanna Wurzinger („Und das Universum schweigt“) und Lisbeth Exner („Realitätenhandlung“) hatte ich aber bald schon ein hochwertiges Programm. Und dann kam Silvia Pistotnigs „Die Wirtinnen“ und wurde zu einem kleinen Bestseller – das verkauft sich immer noch gut, auch in Deutschland. Für mich ein zeitloses Buch, das drei Generationen anspricht und auch von drei Generationen gelesen wird – fast schon ein Klassiker.

Aktuell scheint die österreichische Literatur geradezu zu boomen – heimische Autoren/Autorinnen gewinnen goße deutsche Buchpreise. Es gibt zahlreiche Debüts, nicht nur von ganz Jungen. Haben Sie auch diesen Eindruck?

Ja, und es stimmt, dass einige auch etwas später, wenn sie sozusagen schon ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt haben, mit dem Schreiben ernst machen. Jakob Pretterhofer hat schon bei Luftschacht einen Roman herausgebracht, aber er lehrt auch an der Filmakademie Drehbuch und Dramaturgie. Wenn man seine Texte liest, merkt man sofort, dass er sehr viele Bilder im Kopf hat. Er ist aus dieser Generation von Anfang-40-Jährigen, die die Dinge ganz anders sehen – auch weil sie schon eine Familie haben. „Die erste Attacke“ entwickelt sich dann auch vom Bobo-Familienroman zum etwas trashigen 70er-Jahre Horror-Movie.

In Wirklichkeit geht es um die geradezu inflationär zunehmenden diffusen Ängste, die sich auch in der Pandemie gezeigt haben. Dazu der Krieg und die Klimakrise – beides Bedrohungen, die für den Einzelnen nicht greifbar scheinen.

Wo sehen Sie die Nische von Elster & Salis Wien?

Ich habe noch niemand angesprochen, der bei einem anderen Verlag war, aber es kommen doch einige zu mir, die bereits in größeren Verlagen zu Hause waren. Eine Autorin hat einmal zu mir gesagt: „Ich will nicht bei einem Verlag nur eine Nummer sein.“ Bei unserem kleinen Programm sind natürlich alle Autorinnen und Autoren jeweils sozusagen der Haupttitel. Ich arbeite immer auf Augenhöhe mit ihnen zusammen, ich würde nie ein Buchcover machen, das dem Autor, der Autorin nicht gefällt. Jeder Autor, jede Autorin bringt ja neben neuen Themen auch eine eigene Community mit, wir sind definitiv noch im Wachsen.

Ich arbeite viel im Home Office, ich habe nur eine freie Korrektorin und einen Grafiker, das Lektorat mache ich selbst. Eigentümer von Elster & Salis Wien ist ein Schweizer Investor – ein begeisterter Leser –, ich bin die Geschäftsführerin.

Leider bekommen in Österreich nur Verlage, die drei Jahre lang mindestens fünf Titel im Jahr herausbringen eine größere Verlagsförderung – alle anderen bekommen nur sehr wenig öffentliche Unterstützung. Ich mache aber sicher kein Buch, von dem ich nicht überzeugt bin.

 Bekommen Sie inzwischen schon viele Manuskripte zugesandt?

Ja, es steigt sowohl die Anzahl als auch erfreulicherweise die Qualität. Unser Profil ist klar: Wir machen ausschließlich zeitgenössische Literatur von österreichischen oder in Österreich lebenden Autorinnen und Autoren. Ich arbeite, wenn es sich vermeiden lässt, auch nicht mit Agenturen zusammen, weil ich selber gerne den direkten Kontakt mit meinen Autorinnen und Autoren habe.


elstersalis.com

Johann-Philipp Spiegelfeld im Interview

Johann-Philipp Spiegelfeld besucht Österreichische Adelsfamilien in ihren Stammsitzen und zeigt, wie heutzutage in den Schlössern und Burgen gelebt wird. – ©ORF

Johann-Philipp Spiegelfeld ist Flugkapitän, Historiker, Rettungssanitäter, Kommandant des Malteser Hospitaldienstes Österreich – und seit 2021 Quotenheld des ORF: Als „Herrschaftszeiten“-Moderator lockt er mit seinen sommerlichen Schlossbesuchen bis zu 701.000 Zuseher:innen vor die Bildschirme. Im August gehen drei neue Folgen auf Sendung. Jetzt gibt’s begleitend zur Erfolgsserie ein gleichnamiges Buch. Plus: Demnächst wird sich Spiegelfeld auch hinter Klostermauern umschauen.

Highlight

Herrschaftszeiten, ist der Mann sympathisch. Unterhaltsam, klug, selbstironisch, uneitel – gut nachvollziehbar, warum Johann-Philipp Spiegelfeld, 43, die Gunst des ORF-Publikums im Sturm erobert hat. Bis zu 701.000 Zuseher:innen, Marktanteil 23 Prozent, begeistert er pro Folge mit seinen sommerlichen Schlossbesuchen – eine Tatsache, die „Herrschaftszeiten“ zu einem absoluten Highlight macht.

2021 startete der Berufspilot und TV-Neuling als Moderator der ORF-Reihe. Zwei Tage pro Folge verbringt er als Gast auf einem Schloss bzw. einer Burg, nonchalant und nie um einen guten Sager verlegen bietet er Einblicke ins arbeitsreiche Adelsleben. Heuer geht bereits die vierte Staffel on air: ab 30. Juli – jeweils am Dienstag um 21.05 Uhr in ORF 2 – stehen nach zwei Wiederholungen drei neue Folgen auf dem Programm.

Schon der Take-off der ersten Staffel klappte bravourös, seitdem befinden sich die Quoten im Steigflug. Johann-Philipp Spiegelfeld, der bei Austrian Airlines seit 2002 als Flugkapitän im Einsatz ist, steuert „Herrschaftszeiten“ souverän über das Sommerloch.

Mit roter Tasche und stets mit Sneakers – in diesem Fall mit Ameisen-Print von aicus.at – macht Johann-Philipp seine telegenen „Hausbesuche“. – ©ORF
Mit roter Tasche und stets mit Sneakers – in diesem Fall mit Ameisen-Print von aicus.at – macht Johann-Philipp seine telegenen „Hausbesuche“. – ©ORF

Persönliche Note

Treffen mit dem ORF-Quotenhelden im traditionsreichen „Salettl“ in Wien-Döbling, in dem die Zeit vor Jahrzehnten erfolgreich angehalten wurde. Ein charmantes Ambiente, das durchaus mit „Herrschaftszeiten“ korrespondiert. Inmitten des verwunschen anmutenden Gastgartens: Johann-Philipp Spiegelfeld. Verstrubbelte Haare, Sneakers, herzliches Lachen. Charakteristika, mit denen er auch der Sendung eine ganz persönliche Note verleiht.

Spiegelfeld ist ein Mann der Tat: prompt bringt er – das zum Setting passende – leicht antiquierte Aufnahmegerät wieder zum Laufen und erzählt währenddessen vom eben erschienenen Buch „Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche“, das er gemeinsam mit Serienschöpfer und Regisseur Martin S. Pusch begleitend zur ORF-Serie geschrieben hat. „Es gibt viel geschichtlichen Hintergrund, Anekdoten und Hoppalas.“ (Amalthea Verlag, € 31,-)

Im ORF hat „Herrschaftszeiten“ im Sommer mittlerweile Tradition. Den Erfolg hätte sich Spiegelfeld nicht erwartet: „Ich war ein absoluter TV-Neuling, ich hab‘ mit gar nichts erwartet. Jetzt freue ich mich umso mehr für das ganze Team, dass die Sendung so erfolgreich ist. Es ist eine tolle Gemeinschaft, ich werde von allen extrem unterstützt.“ Nachsatz: „Wir arbeiten an den Tagen in den Schlössern sehr viel, aber wir haben auch viel Spaß.“

Das Interview über Adel, Anekdoten, Buch, Pläne und wahre Werte.

Am 30. Juli gibt’s die Wiederholung der ersten Folge: Bei Familie Goess-Enzenberg auf Schloss Tratzberg“ (21.05 Uhr, ORF 2). Drei neue Folgen sind ab ab 13. August zu sehen. – ©ORF
Am 30. Juli gibt’s die Wiederholung der ersten Folge: Bei Familie Goess-Enzenberg auf Schloss Tratzberg“ (21.05 Uhr, ORF 2). Drei neue Folgen sind ab ab 13. August zu sehen. – ©ORF

Die ersten drei Staffeln von „Herrschaftszeiten“ hatten je bis zu sieben Folgen. Heuer gibt’s aus ORF-Spargründen – Fußball EM und Olympische Spiele – nur drei neue Episoden. In welchen Schlössern sind Sie zu Gast?

Wir sind bei der Familie Beppo Harrach auf Schloss Prugg, ein Stadtschloss in Bruck an der Leitha in Niederösterreich. Außerdem besuchen wir die Familie von Lukas Liechtenstein in Schloss Frauenthal in der Steiermark. Und die Familie Keil im Schloss Kohfidisch im Burgenland, Sarah Keil stammt aus einer ungarischen Grafenfamilie, das Schloss ist von ihrer Familie.

Die Schlossbesitzer – auch wenn das Bekannte bzw. Verwandte von Ihnen sind – gestatten Ihnen samt ORF-Team ganz ohne Überredungskünste einen sehr privaten „Hausbesuch“?

Mittlerweile rufen mich die Familien sogar an, weil sie auch in der Sendung sein wollen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Sie wissen, dass wir sie nicht als skurril oder abgehoben darstellen.

Sie erkennen den Wert: die Präsentation des Schlosses ist eine Marketingmaßnahme. Die meisten Familien bieten u. a. Führungen an, um die Schlösser zu erhalten, zu renovieren. In „Herrschaftszeiten“ wird bei den Zuseher:innen das Interesse geweckt, selbst einmal hinzufahren.

In Österreich gibt’s den Adelsstand nicht mehr, dennoch haben (einstmals) Adelige nichts an Faszination eingebüßt. „Herrschaftszeiten“ bedient auf angenehme Weise den Voyeurismus: die Zuschauer: innen sehen, wie geheimnisumwehte Adelige tatsächlich leben.

Das geschieht auf sehr respektvolle Art. Es war eine der Bedingungen, dass ich mitmache, ich wollte nicht, dass die „Schlossbesuche“ ins Lächerliche gerückt werden. Ich wollte zeigen, dass diese Menschen eine sehr große Verantwortung haben. Dass es sich zwar romantisch anhört, in einem Schloss zu wohnen, dass tatsächlich aber sehr viel harte Arbeit nötig ist, um ein Schloss erhalten zu können.

Spiegelfeld auf Schloss Tratzberg mit Ulrich Goess-Enzenberg. – ©ORF

Eben ist das Buch zur ORF-Serie erschienen, das Sie gemeinsam mit Regisseur und „Herrschaftszeiten“-Mastermind Martin S. Pusch geschrieben haben. Was bietet es über die TV-Dokus hinaus?

Es gibt ausführliche Informationen zu allen 17 Schlössern bzw. Burgen, die wir in den ersten drei Staffeln besucht haben. Geschichtliches, Blicke hinter die Kulissen. Viele lustige Geschichten, die auch das ganze Team betreffen, wir rücken ja immer zu siebent an. Angefangen von „Wie spreche ich den Schlossherrn an?“ bis zu Hoppalas … Ich hing etwa angeseilt in einer Wand, sollte beim Abseilen gefilmt werden, allerdings steckte der Kameramann im Aufzug fest. Ich bin zwar Pilot und habe keine Höhenangst, aber ich hing dann doch relativ lang an dem Felsen …

Außerdem gibt es zu jedem Schloss eine Playlist mit den Titeln der jeweiligen Sendung, zu der man mittels QR-Code gelangt. Das war meine Idee und ich bin sehr stolz drauf! (Lacht) Man hat also das volle Erlebnis, kann die Musik, hören und über das Schloss lesen.  

Apropos:  In einer der Sendungen haben Sie am Klavier „Yesterday“ geklimpert. Was sind Ihre Lieblingsongs, was ist der Soundtrack Ihres Lebens?

Coldplay finde ich gut und Daft Punk, mein Lieblingslied ist Instant Crush. Aber ich höre eigentlich jede Musik. Wenn mir etwas Neues im Radio gefällt, kommt der Titel auf meine Playlist.

In einigen Schlössern bzw. Burgen soll es spuken. Haben Sie je einen Geist gesehen?

Nein, aber vielleicht unser Tonmeister … Als wir auf Burg Bernstein waren, hat uns Erasmus Almásy über die Weiße Frau erzählt, die in einem bestimmten Zimmer besonders gern spukt. Wir haben alle im Schloss übernachtet, und als die Zimmerschlüssel verteilt wurden, war zufällig unser Tonmeister nicht dabei. Nicht sehr heldenhaft haben wir ihm jenes Zimmer zugewiesen, das die Weiße Frau für ihre Erscheinen bevorzugt. Seltsamerweise hat er aber am nächsten Tag kein Wort über seine Erlebnisse in der Nacht verloren.

Entspannt auf Schloss Tratzberg. – ©ORF
Entspannt auf Schloss Tratzberg. – ©ORF

Sie sind Flugkapitän bei Austrian Airlines. Betreffend Moderation und TV-Business hatten Sie überhaupt keine Vorkenntnisse?

Nein, ich war ein blutiger Anfänger. Ich wusste nicht einmal, dass ein „Pilot“ die erste Folge, die Pilotsendung einer Serie ist, eine Testfolge. Daher hatte ich keine Ahnung, was gemeint war, als ständig gesagt wurde: „Man muss einen Piloten drehen“. Bis ich dann gefragt habe: „Ich bin Pilot, was ist das Problem, wenn ihr mich dreht?“

Wie kam’s dazu, dass Sie die Sendung moderieren?

Martin Pusch hat das Konzept entwickelt, es hat beim ORF Anklang gefunden. Da hat sich die Frage gestellt, wer moderieren soll. Ich wurde von einer Freundin für das Casting vorgeschlagen.

Sie mussten zu einem Casting?

Ja, ich war beim Casting. Ines Schwandner, die Sendungsverantwortliche des ORF, spielte eine Prinzessin, die Besitzerin von Schloss Belvedere. Ich hab‘ mich von ihr durchs Schloss führen lassen. Daraus wurde eine Probesendung.  – Vor allem die Ines hat sehr viel gelacht.

Noch ein Rückblick: Bei Familie Habsburg-Lothringen in der Kaiservilla Bad Ischl  (6. August, 21.05 Uhr in ORF 2). – ©ORF
Noch ein Rückblick: Bei Familie Habsburg-Lothringen in der Kaiservilla Bad Ischl  (6. August, 21.05 Uhr in ORF 2). – ©ORF

Sie wirken als Moderator sehr souverän. Hatten Sie nie Scheu vor der Kamera?

Nein. Vielleicht, weil einer meiner Vorteile ist, dass ich überhaupt nicht eitel bin. Ich kann das auch jedem empfehlen. Es lebt sich viel leichter ohne Eitelkeit. Generell ich bin vor der Kamera so wie ich immer bin, ich kann mich gar nicht verstellen.  

Interessant war die Wahrnehmung der Zuseher:innen: Burg Clam war die erste Folge, die wir gedreht haben, aber sie wurde als letzte der Staffel ausgestrahlt. Der Tenor des Fernsehpublikums war, dass eine ganz tolle Steigerung meiner Moderationsqualitäten von der ersten bis zur letzten Folge der ersten Staffel zu bemerken sei. Es hieß, ich habe mich sehr gut entwickelt. – Das hab‘ ich sehr lustig gefunden. Ich habe mich aber artig bedankt. 

„Herrschaftszeiten“ ist beim Publikum auch wegen Ihrer oft unkonventionellen Fragen und Antworten beliebt. Sie haben etwa beim Besuch einer Gourmet-Schinkenmanufaktur bei einem Schloss um zwei Deka Extrawurst gebeten. Werden Ihnen die Gags ins Drehbuch geschrieben?

(Lacht) Nein, das kommt spontan. Martin Pusch, der Regisseur, bat mich: „Sag was Nettes.“ Und eigentlich kann ich dann sagen, was ich will. Ich kann authentisch sein. Vielleicht ist das auch ein Erfolgsgeheimnis.

Es gibt beim ORF-Kundendienst zahlreiche Anrufe von Zuseher:innen, die wissen wollen, was sich in der roten Tasche befindet, mit der Sie in ein Schloss einziehen. Im Buch wird das Geheimnis um den Inhalt des roten Weekenders gelüftet. Würden Sie es auch hier verraten? 

Ich glaube, wir dürfen hier nicht verraten, dass in der Tasche nichts drin ist. (Lacht) Sie ist ein reines Accessoire fürs Bild.

Mit Familie Habsburg vor der Kaiservilla Bad Ischl, einstiger Sommersitz von Franz Joseph und Sisi. – ©ORF
Mit Familie Habsburg vor der Kaiservilla Bad Ischl, einstiger Sommersitz von Franz Joseph und Sisi. – ©ORF

Und das Label, die Marke? Viele wollen diese Tasche kaufen.

Ich weiß es nicht, es gibt kein Etikett. Ich kann nur sagen: sie ist aus rotem Leinen mit schwarzen Lederhenkeln.

Sie könnten ein Merchandising-Business aufziehen: die rote Tasche würde sich verkaufen wie warme Semmeln und dann nehmen sie noch die Sneakers jener Marke, die Sie in den Sendungen tragen, ins Sortiment.

(Lacht.) Ich werde aber nicht von der Sneakers-Firma gesponsert! Da hat mich meine Frau beraten: In der ersten Folge hatte ich Sneakers einer großen amerikanischen Marke an. Sie meinte, dass das gar nicht geht. – Die beste Karriereentscheidung in meinem Leben war übrigens die Hochzeit mit meiner Frau 2007. Sie achtet drauf, dass ich kluge Entschlüsse fasse. In diesem Fall habe ich mich für nachhaltige Sneakers entschieden, weil ich damit ein Zeichen setzen wollte.

Heute haben Sie keine Schuhe dieses Labels an, sondern Sneakers mit einer großen Ameise. Was ist passiert?

Das sind Aicus-Sneakers, meine Cousine hat einen Online-Store für Schuhe (aicus.at.). Ich find sie cool, diese Ameisen-Sneakers, und sie sind bequem.

Rückblick: Für „Herrschaftszeiten“ öffneten Spiegelfelds Verwandte die Türen von Schloss Schenna in Meran. – ©ORF
Rückblick: Für „Herrschaftszeiten“ öffneten Spiegelfelds Verwandte die Türen von Schloss Schenna in Meran. – ©ORF

Sie haben selbst einen adeligen Background, Ihre Familiengeschichte geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Das Stammschloss Ihrer Familie, Schloss Spiegelfeld, ist in der Steiermark.

Ja. Ich glaube, das wird gerade renoviert, weil mein Onkel Georg Spiegelfeld es zurückgekauft hat.

Für eine der „Herrschaftszeiten“-Folgen haben Sie Familie besucht: Franz und Johanna Spiegelfeld auf Schloss Schenna in Südtirol.

Das sind mein Onkel und meine Tante, allerdings kam Schloss Schenna über Tante Johanna in die Familie.

Sie sind nicht in einem Schloss aufgewachsen?

Nein, ich bin nicht in einem Schloss aufgewachsen. Ich bin ein totaler Normalo, in Wien aufgewachsen, und ich habe immer hier gelebt. Wegen großen Erfolges habe ich in Wien mehrere Schulen besucht. Das hat auch sein Gutes, ich kenne dadurch sehr viele Leute.

Johann-Philipp mit seinem Onkel Franz Spiegelfeld auf Schloss Schenna in Meran. – ©ORF
Johann-Philipp mit seinem Onkel Franz Spiegelfeld auf Schloss Schenna in Meran. – ©ORF

Gäbe es den Adel in Österreich noch, wären Sie ein Graf.

Ja, wahrscheinlich. Aber ich gestehe, dass ich nicht sattelfest bin, wenn es um meine eigene Familiengeschichte geht. In Österreich gibt es auch keinen Adel mehr, und ich finde das auch nicht besonders wichtig. Was mir eher wichtig ist, und darauf bin ich stolz, ist, dass in meiner Familie stets versucht wurde, Werte weiterzugeben. Etwa Verantwortung, Haltung, Engagement, Respekt, Bescheidenheit, sich umeinander kümmern. – Ich würde sagen, christliche Werte und Nächstenliebe sind wichtig.

Christ zu sein hat offenbar einen großen Stellenwert. In Ihrer Vita wird Christ in einer Reihe mit Ihren Berufen bzw. Ausbildungen genannt: Pilot, Historiker, Rettungssanitäter, TV-Moderator, Christ. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Weil ich mich den christlichen Werten verbunden fühle. Natürlich hadere auch ich mit manchen Details in der Kirche, aber ich finde es schön in einer christlichen Gemeinschaft zu leben und das Leben nach diesen Werten auszurichten.

Getreu Ihren Werten sind Sie auch helfend im Einsatz. Sie arbeiten in Ihrer Freizeit ehrenamtlich als Rettungssanitäter beim Malteser Hospitaldienstes Österreich, dessen Kommandant sie seit April sind. Sind Sie auch im Rettungswagen unterwegs?

Wir sind 2.200 Mitglieder österreichweit. Ich darf der Kommandant sein, das ist riesige Aufgabe und gleichzeitig eine große Ehre für mich. Der Malteser Hospitaldienst engagiert sich in vielen Bereichen. Wir betreuen u. a. Obdachlose, wir machen Wallfahrten mit beeinträchtigen Menschen nach Lourdes, nach Rom und ins Heilige Land. Mit dem Rettungsdienst finanzieren wir auch die Organisation, weil wir im Rettungsverbund in Wien fahren – mit ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Früher hatte ich mehr Zeit, aber ich versuche einmal pro Monat als Rettungssanitäter dabei zu sein. Ich mache das sehr gern. Die Schicksale zu sehen, helfen zu können, das ist schon großartig. Und es erdet. Es gibt auch schöne Erlebnisse, die „Herrschaftszeiten“ betreffen: Neulich hatten wir einen Patienten, dem es gar nicht gut ging. Auf dem Weg ins Krankenhaus hat er mich im Rettungsauto erkannt. Er sagte, dass er sich sehr freut, dass ich ihn ins Spital bringe …

Auf Schloss Neudau bei Familie Kottulinski. – Ausführliche Informationen zu allen 17 bis jetzt gesendeten Folgen gibt’s im Buch „Herrschaftszeiten“. – ©ORF
Auf Schloss Neudau bei Familie Kottulinski. – Ausführliche Informationen zu allen 17 bis jetzt gesendeten Folgen gibt’s im Buch „Herrschaftszeiten“. – ©ORF

Sie sind auch Historiker und Pilot.

Direkt nach der Schule und nach dem Bundesheer habe ich die Pilotenausbildung gemacht. Das war ein Kindheitstraum, der sich verwirklicht hat. Für Geschichte habe ich mich auch immer interessiert.  Das Studium war dann eine besondere Zeit. Ich finde es generell großartig, zu lernen. Ich konnte an der Universität in Vorlesungen gehen und Leuten zuhören, die mir Geschichte nähergebracht haben.

Sind Sie als Flugkapitän bei Austrian Airlines eher auf Langstrecke oder auf der Kurzstrecke unterwegs?

Ich war schon auf der Langstrecke, jetzt bin ich Kapitän auf der Kurzstrecke. In der Sommersaison freue ich mich, unsere Passagiere in den Urlaub zu fliegen. Übermorgen geht’s nach Rhodos.

Was sagen Sie einer Flugpanikerin in Zeiten zunehmender Turbulenzen?

Es gibt kein sichereres Verkehrsmittel als das Flugzeug. Ich kenne keinen anderen Beruf, bei dem so viel Zeit und Geld investiert wird, das Personal zu trainieren und zu schulen, damit es auf jede Situation richtig reagiert.

Mit Tassilo Metternich-Sandor im Hof von Schloss Grafenegg. – ©ORF
Mit Tassilo Metternich-Sandor im Hof von Schloss Grafenegg. – ©ORF

Sie haben Familie mit zwei jugendlichen Söhnen, Sie fliegen, moderieren, fahren im Rettungswagen. Was machen Sie als Ausgleich?

Ich gehe gern in der Früh mit unserem Hund Lilly auf den Kahlenberg. Alle in der Familie wollten einen Hund, aber niemand will mit ihm spazieren gehen, also mache ich das. Das ist mein Hobby.

Gibt‘s neben „Herrschaftszeiten“ Pläne für neue Fernsehformate?

Es gibt eine Idee, die wir im Herbst in einem Pilotprojekt realisieren werden – jetzt weiß ich ja, was ein „Pilot“ ist. „Herrgottszeiten“, das gleiche Konzept wie „Herrschaftszeiten“, aber diesmal werden wir Klöster besuchen.

Sie lachen, nehmen Sie mich auf die Schaufel?

Kein Scherz! Ich werde mit den Mönchen sprechen, die können auch ein bisschen Werbung vertragen. (Lacht)

Ganz ehrlich …?

Ja! Ehrlich. Wir werden im Herbst Probst Petrus im Stift Herzogenburg in Niederösterreich besuchen. „Herrgottszeiten“ – mit demselben großartigen Team wie „Herrschaftszeiten“.

Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche?

Ja! Schloss, aus, Ende.


„Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche“
Johann-Philipp Spiegelfeld/Martin S. Pusch
270 Seiten, 102 Abbildungen
Amalthea Verlag
€ 31,-

Ein intensiver Blick hinter die Kulissen der ORF-Erfolgsreihe: Von Tratzberg, Neudau und Riegersburg bis zu Schloss Schenna: Geschichtliches und Anekdoten über alle 17 Schlösser (und Burgen), die Johann-Philipp Spiegelfeld in den ersten drei ORF-Staffeln „Herrschaftszeiten“ besucht hat. Plus: Playlists mit QR-Codes, die den Zugriff auf die Musik der einzelnen Folgen ermöglichen.  

Herkules der Künste – Interview mit Stephan Koja

Das Porträt der Clara Serena Rubens gehört zu den berührendsten Kinderporträts der europäischen Kunstgeschichte. – Peter Paul Rubens (1577–1640), Porträt der Clara Serena Rubens, der Tochter des Künstlers (1611–1623), um 1616
© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna

Im Gartenpalais Liechtenstein ist bei freiem Eintritt die Schau HERKULES DER KÜNSTE zu sehen, in dessen Mittelpunkt ein Fürst steht, dem Wien viel zu verdanken hat. Ein Interview mit dem neuen Direktor der Sammlung, Stephan Koja.

Mit 1. April 2023 löste der Wiener Kunsthistoriker Stephan Koja Johann Kräftner an der Spitze der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein ab. Kräftner hatte zwei Jahrzehnte das Bild der berühmten Sammlung geprägt.

Der 1962 geborene Stephan Koja konnte bislang schon viele internationale Erfahrungen sammeln und wurde für seine Verantwortung bei der Renovierung der Dresdner Sempergalerie am Zwinger viel gelobt. Begonnen hat er seine Karriere an der Spitze der Sammlungen des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne im Belvedere. Und natürlich hat er auch für das Gartenpalais und das Stadtpalais Liechtenstein neue Ideen. Er möchte etwa die Rolle der Liechtenstein’schen Fürsten bei der Entwicklung Wiens stärker betonen. Denn durch den Bau des Gartenpalais in der damaligen Vorstadt wurde das Viertel Lichtental nachhaltig auch wirtschaftlich entwickelt. Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein baute nicht nur die Schulden seines Vaters ab, sondern machte aus seinen Besitzungen funktionierende und florierende Musterbetriebe.

Sonderausstellung

Das Palais Liechtenstein ist seit einigen Jahren nur gegen Voranmeldung und mit Führung zu besichtigen. Allerdings gibt es jährliche Sonderausstellungen bei freiem Eintritt.

Ab sofort lockt die Schau „HERKULES DER KÜNSTE – Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700“.

Was war die Idee zur Ausstellung?

Stephan Koja: In „Herkules der Künste“ geht es um die zentrale Fürstengestalt, der man zum einen – auf politischer Ebene – verdankt, dass die Liechtensteins Reichsfürsten werden, zum anderen, dass die Kunstsammlung eine ganz neue Bedeutung gewinnt und der Hauptsitz der Fürsten nach Wien verlegt wird. Die großen Besitzungen der Fürsten liegen ja in Böhmen und Mähren, wo sie wunderbare Schlösser besessen haben.

Johann Adam Andreas schafft in Wien repräsentative Bauten und kauft die besten Kunstwerke, die er in Europa bekommen kann. Und da er der Meinung ist, dass italienische Architekten die besten sind, lässt er sich in Lichtental ein Palais im italienischen Stil bauen.

Damals waren rundherum ja noch Felder, oder?

Stephan Koja: Genau, Johann Adam Andreas I. macht aus dem Gebiet eine Mustersiedlung – mit einer Brauerei, Mühlen und einer von ihm gestifteten Kirche. Er gewährt Steuererleichterungen, damit sich Menschen – vor allem Handwerker – hier ansiedeln. Um 1700 boomt Wien gerade, die Türkenbelagerung ist überstanden, und es geht wirtschaftlich steil bergauf.

Der Fürst denkt viel darüber nach, wie seine Betriebe noch effizienter arbeiten könnten und ist sehr erfolgreich. Seine Besitzungen sind weitgehend autark – mit Landwirtschaft und deren Weiterverarbeitung, Handwerk und Brauhäusern. Der damit erwirtschaftete Wohlstand erlaubt die Sammeltätigkeit und eine imposante Bautätigkeit. Denn die Großzügigkeit des neuen Gartenpalais ist wirklich sensationell. So etwas wie die Sala Terrena oder den Herkulessaal – das hat es in diesen Dimensionen zu dieser Zeit in Wien nicht gegeben. Das wird dann bis in den süddeutschen Raum zum Vorbild – auch für das Belvedere – Prinz Eugen beschäftigt zum Teil sogar die gleichen Handwerker.

Was sind nun die Highlights der Ausstellung?

Stephan Koja: Das überwältigende Deckenfresko im Festsaal von Andrea Pozzo zeigt die Taten und die Apotheose des antiken Helden Herkules in einer beeindruckenden Scheinarchitektur und ist deshalb Namensgeber der Schau. Dann die riesigen Ausstattungsbilder von Marcantonio Franceschini. Und schließlich sind natürlich die Gemälde von Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck in der Sammlung von überragender Qualität. Das Porträt der Clara Serena Rubens gehört zu den berührendsten Kinderporträts der europäischen Kunstgeschichte.

Das gesamte Interview können Sie in der kommenden Ausgabe von Wienlive lesen.

HERKULES DER KÜNSTE
Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700

16. Februar – 1. April GARTENPALAIS Liechtenstein
Fürstengasse 1, 1090 Wien
Montag bis Sonntag 10–18 Uhr | Freier Eintritt | Keine Anmeldung erforderlich.
palaisliechtenstein.com

Für den Zauber der Bühne

„Theater muss die Wahrheit des Augenblicks feiern. Denn auch wenn morgen dasselbe Stück gespielt wird, ist es immer wieder neu und anders.” – Markus Kupferblum. | ©Stefan Diesner

Text: Helmut Schneider

Wien verdankt dem Regisseur und Autor Markus Kupferblum viele ungewöhnliche Opern- und Theaterproduktionen. Nun lebt er mit seiner Familie in Boston und gerade ist sein Bühnenkünstler-Credo als Buch erschienen.

Hier in Wien macht der Regisseur, der schon an sehr vielen Orten der Welt inszeniert, gefilmt, gespielt und unterrichtet hat, nur noch eine Gesprächsreihe im Porgy & Bess mit bekannten Kulturschaffenden wie zuletzt mit Robert Schindel. Nicht nur weil seine Frau in Harvard ihren PhD macht, seine Kinder dort zur Schule gehen und er selbst in Harvard unterrichtet. In Wien wurde es für ihn, der schon 1992 beim hoch angesehenen Festival von Avignon ausgezeichnet wurde und der 2007 einen Nestroypreis erhielt, immer schwieriger, seine Inszenierungen zu finanzieren. Der in Wien Geborene ist ausgebildeter Clown, hat auch als Schauspieler viel gespielt und unterrichtete etwa in Wien, Tel Aviv, Teheran, Frankfurt, Michigan, Louisiana, Boston, New York und Bolivien.

wienlive: Wie verlief Ihr künstlerischer Werdegang?

Markus Kupferblum: Ich habe meine künstlerische Sozialisation in Paris erfahren und war bei Peter Brooks englischer Version der „Mahabharata“ dabei – der war schon damals mein Idol und ich war erst 20. Seine Konzentration auf die Menschen – die Schauspieler – hat mich sehr geprägt – denn sie sind es schließlich, die uns die Geschichten erzählen. Das hatte ich nicht gekannt, denn ich bin ja in Wien mit der Theatertradition des Burgtheaters aufgewachsen. Brook wurde später von Peymann gefragt, ob er fürs Burgtheater arbeiten möchte, und hat glatt abgelehnt. Ich hab ihn nach dem Grund gefragt und er hat geantwortet: Ich brauche Zeit! Das hat mich sehr fasziniert. 

Mit 22 habe ich bereits meine erste freie Operngruppe gegründet, weil ich den Betrieb an der Staatsoper ungeheuer aufgeblasen gefunden habe. 

Worum geht es im neuen Buch? 

Meine Helena in „Die Schönheit der Helena“ ist jene aus dem Sommernachtstraum. Ihr Monolog ist für mich schon lange die beste Gelegenheit, jungen Schauspielerinnen und Schauspielern zu zeigen, wie man an eine Rolle herangeht. Mein Buch ist sozusagen ein Manifest für ein sinnliches Theater. Ich finde das noch immer vorherrschende postdramatische, zerstörerische Theater inzwischen sehr altbacken. Es hatte etwa in Berlin nach dem Fall der Mauer eine wichtige Funktion, aber es ist für mich nicht mehr befriedigend, so an Literatur heranzugehen. Als „Brookianer“ fehlt mir die einmalige Chance, Theater als Labor zu erleben, in dem die großen Konflikte der Menschheit abgehandelt werden. Deswegen hat Brook ja so viel Zeit für seine Inszenierungen gebraucht – er probte eineinhalb Jahre! Das hat mich als Junger fast wahnsinnig gemacht: Ich habe bei ihm Proben erlebt, die perfekt waren – und dann hat er gemeint: so, jetzt können wir das streichen. Er war der Meinung, dass man sich nie an etwas klammern dürfe und dass man durch die Streichung Gelegenheit für etwas Neues bekomme. 

Markus Kupferblum wurde 1964 in Wien geboren und studierte u. a. in Paris bei Philippe Gaulier und Monika Pagneux und an der New York University. – ©Stefan Diesner
Markus Kupferblum wurde 1964 in Wien geboren und studierte u. a. in Paris bei Philippe Gaulier und Monika Pagneux und an der New York University. – ©Stefan Diesner

Das Theater heute will ja inzwischen überkorrekt sein, wie sehen Sie das?

Political Correctness hat sicher seine Berechtigung, aber wenn man das ganz genau nimmt, heißt es doch, dass man kein Stück von Shakespeare mehr spielen dürfte. Bei „Romeo und Julia“ gibt es Sex mit Minderjährigen, beim „Kaufmann von Venedig“ den Antisemitismus, bei „Othello“ begeht ein Afrikaner einen Mord. Wenn Menschen etwa in einer Komödie über Menschen lachen, ist es ja das Ziel, dass sie erkennen, dass sie über sich selbst lachen. Diese Großzügigkeit, über sich selbst lachen zu können, ist doch eine der wunderbarsten menschlichen Qualitäten! Das wissen wir seit Aristoteles. Mit Political Correctness wird es sehr, sehr ernst auf unserer Welt.

Ist das vielleicht auch ein Grund, warum immer weniger Menschen ins Theater gehen?

Ich kann mir vorstellen, dass es da einen Zusammenhang gibt. Wenn sich das Theater nicht mehr darauf konzentriert, was es kann und was es besser kann als ein Netflix-Abo mit Millionen Filmen, dann wir niemand mehr ins Theater gehen. Denn es kostet viel Geld, man kann nicht in Hausschuhen Popcorn essen, nicht auf Stopp oder Fast Forward drücken, kann sich nicht zwischendurch ein Bier holen. Es geht um das Erlebnis, dass ein echter Mensch im selben Raum vor dir steht und du diesen Raum mit vielen anderen Menschen teilst, die dieselbe Empathie zu entwickeln imstande sind. Theater muss die Wahrheit des Augenblicks feiern. Denn auch wenn morgen dasselbe Stück gespielt wird, ist es immer wieder neu und anders.

Am schwierigsten ist es, die Jugend zum Theater zu verführen, oder sehen Sie das anders?

Ich bin da nicht so sicher. Wir Theatermacher müssen auf jeden Fall lernen zuzuhören und herauszufinden, was für Bedürfnisse die Jugendlichen haben. Eigentlich habe ich nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht – und dies auch immer gerne. In Litauen kurz nach der Wende habe ich mit arbeitslosen russischen Jugendlichen, die sich zu Recht völlig ausgeschlossen gefühlt haben – es durfte ja nicht einmal mehr Russisch gesprochen werden –, Straßentheater geprobt. Wir haben dann am Hauptplatz von Vilnius eine Show aufgeführt. Und diese Kinder waren so glücklich, weil ihnen zum ersten Mal von Menschen applaudiert wurde. 


Frauenpower in der Kunstszene

Xenia Hausner malt fast ausschließlich Frauen. Sie hält einen scheinbar flüchtigen Augenblick malerisch fest. – ©Galerie Albertina – Zetter/Xenia Hausner

Text: Ursula Scheidl

Die von einem Mutter-Tochter-Gespann geführte Galerie · bei der Albertina · Zetter feiert ihr 50-jähriges Bestehen mit drei besonderen Ausstellungen und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als eine der weltweit ersten Adressen für Wiener Jugendstil und Kunst der Wiener Werkstätte profiliert.

Sie haben den Wiener Kunsthandel wesentlich geprägt: Christa Zetter und Katharina Zetter-Karner. 1973 von der jungen Kunststudentin Christa Zetter gegründet, zählt die Galerie · bei der Albertina · Zetter heute, nach inhaltlicher und räumlicher Erweiterung auf 400 m2 auf drei Etagen, zu den wichtigsten Galerien im Wiener Kunstviertel. Das Galerieprogramm umfasst viele international bedeutende Künstler*innen wie Josef Hoffmann, Kolo Moser, Gustav Klimt, Egon Schiele, Friedensreich Hundertwasser, Kiki Kogelnik, Oskar Kokoschka, Maria Lassnig, Alfons Walde, Fritz Wotruba, Joannis Avramidis, Christian Ludwig Attersee u. v. m. Seit 2003 führt Tochter Katharina Zetter-Karner die Galerie gleichermaßen traditionsbewusst wie zukunftsorientiert fort.

wienlive:War es nicht ein großes Wagnis, damals eine Galerie zu gründen?

Christa Zetter: Nein, es war kein großes Wagnis für mich. Es war immer schon angedacht, dass ich das Geschäft meiner Eltern übernehmen sollte. Ich war bereits mit allem Geschäftlichen vertraut. Im Familienleben spielte das Geschäft eine große Rolle, jedoch die Inhalte sollten sich ändern, daher wurde der Name Galerie bei der Albertina gewählt.

Mit welchen Herausforderungen waren Sie konfrontiert?

Die inhaltliche Neuausrichtung hin zum Jugendstil war am Anfang durchaus schwierig. Der Jugendstil war damals am Kunstmarkt noch lange nicht so etabliert wie heute. Man musste erst eine Bühne für ihn schaffen.

Warum wollten Sie das kleine Antiquitätengeschäft Ihrer Mutter nicht weiterführen?

Ich interessierte mich sehr für das österreichische Kunstgeschehen des 20. Jahrhunderts und wollte diese Zeit erfassen. Um ein Konzept für die Galerie zu finden und meinem Interesse für die österreichische Moderne folgend, habe ich mich dazu entschieden, das Geschäft nicht in der bisherigen Art weiterzuführen. Das Warenlager wurde abverkauft (es bestand aus Trachtenstoffen, Stilkopien, Lustern, Appliken, Spiegeln, Rahmen; handgeschnitzt und vergoldet). 1983 folgte der erste Umbau unter der Leitung des Architekten Boris Podrecca. Die Magazinräume im ersten Stock wurden von der Galerie aus zugänglich gemacht. 1984 kam es zur ersten Ausstellung mit Katalog: „Traum der Kinder – Kinder der Träume“, die das Thema des Gesamtkunstwerks zum Inhalt hatte.


Kunst im Blut. Mutter Christa und Tochter Katharina haben ein feines Gespür für künstlerische Talente. – ©Galerie Albertina – Zetter

Haben Sie es jemals bereut, nicht selbst Künstlerin geworden zu sein?

Ich habe es nicht bereut. Nachdem ich mein Studium an der Universität für angewandte Kunst abgeschlossen hatte, war für mich klar, dass ich mich mit Kunst beschäftigen wollte. Durch die Gründung der Galerie konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen.

1991 als Teenager haben Sie zusammen mit Kiki Kogelnik Kekse in Kopfform für die Gäste der Vernissage von Kiki Kogelniks erster Personale in der Galerie gebacken. Erinnern Sie sich daran?

Katharina Zetter-Karner: Ich erinnere mich sehr gut daran, Kiki Kogelnik hat mich als Künstlerin und Persönlichkeit sehr beeindruckt. Ihre Keramikmasken haben mich fasziniert und so kam ich auf die Idee, kleine Kunstwerke aus Teig für die Vernis-sage zu machen.

Ihnen wurde die Kunst gleichsam in die Wiege gelegt. War es immer klar, dass Sie die Galerie weiterführen?

Ich bin mit Kunst groß geworden und die Galerie war von Beginn an eine Möglichkeit, die für mich sehr interessant war. Je älter ich wurde und je mehr Einblick ich in das Galerieleben bekommen habe, desto klarer wurde mir, dass ich auch diesen Weg einschlagen will. 

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Was möchten Sie unbedingt noch verwirklichen?

Ich würde gerne eine Ausstellung mit Amoako Boafo in der Galerie machen und ich will auf einer der ganz großen internationalen Kunstmessen ausstellen.

Ist Wien ein guter Boden für Kunst?

Ja, weil Wien kulturell sehr viel zu bieten hat und daher kunstinteressierte Menschen aus der ganzen Welt zu Besuch kommen.

Hat es Sie niemals beruflich nach New York gezogen?

New York ist eine faszinierende Stadt. Mit 18 habe ich für drei Monate dort gelebt, aber mich in New York dauerhaft niederzulassen, konnte ich mir nie vorstellen.

Sie beide zeichnet ein feines Gespür aus, das Ungewöhnliche und Besondere zu entdecken. Woher kommt das?

Christa Zetter: Durch die intensive Beschäftigung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts entwickelte sich über die Jahre ein tiefes Verständnis für diese Kunstwerke und schuf die Brücke zur Kunst des 21. Jahrhunderts. Dieses Verständnis ist enorm wichtig, denn man darf Kunst nicht nur kommerziell bewerten, sondern man sollte verstehen, was ein Kunstwerk einem sagen will. Es gibt Inhalte und es gibt technische Lösungen dafür, und es ist sehr interessant, sich hier eine eigene Meinung zu bilden.

Katharina Zetter-Karner: Ich glaube, dass die Art, wie man aufwächst, großen Einfluss auf die eigene Entwicklung hat, und ich war immer von Kunst umgeben, da entwickelt man ein Gespür dafür.

Kiki Kogelnik. Hier zu sehen: „Sleep“, 1991, aus ihrer berühmten „Expansions“-Serie, bei der Keramiken den Bildraum erweitern. – ©Galerie Albertina – Zetter

Warum legen Sie den Schwerpunkt auf Jugendstil und die Wiener Werkstätte? 

Christa Zetter: Zur Gründungszeit erlebten der Wiener Jugendstil und das Kunsthandwerk der Wiener Werkstätte großes internationales Interesse. Die ganze Epoche des Jugendstils wurde nach Jahrzehnten des Schlummerns kunsthistorisch neu erforscht und aus dem Dornrös-chenschlaf geweckt. Daher bot es sich für die damals junge Galerie an, diese Strömung aufzugreifen und das Konzept des Gesamtkunstwerks, welches für den Jugendstil maßgeblich ist, umzusetzen.

Katharina Zetter-Karner: Den Schwerpunkt auf den Wiener Jugendstil wollte ich immer beibehalten, weil Wien um 1900 Zentrum der Moderne war und prägend für viele Künstlergenerationen danach. Ich war auch immer von der Idee des Gesamtkunstwerks begeistert.

Sind Sie sich immer einig, wenn es um den Ankauf von Kunstwerken oder um Ausstellungen geht?

Christa Zetter: Da ich mich bereits aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe, und meine Tochter mittlerweile auch über jahrelange Erfahrung verfügt, gibt es da keine Probleme.

Katharina Zetter-Karner: Auch wenn meine Mutter sich schon länger aus dem Geschäft zurückgezogen hat, frage ich sie dennoch manchmal nach ihrer Meinung. Wir sind uns meistens einig, und wenn es einmal nicht der Fall ist, diskutieren wir darüber. Das ist ein wichtiger und interessanter Austausch.

Was haben Sie von Ihrer Mutter gelernt?

Christa Zetter: Lebensweisheiten, wie zum Beispiel ,,Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‘‘, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Entscheidungen zu treffen.

Katharina Zetter-Karner: Dass die Qualität an erster Stelle stehen muss, vor kommerziellen Überlegungen.

Seit Generationen ist Ihre Familie sehr kunstaffin. Worüber wird beim Familientreffen gesprochen?

Christa Zetter: In erster Linie wird natürlich über Familiäres gesprochen, das aktuelle Kunstgeschehen lässt sich jedoch auch nicht ganz unterdrücken.

Katharina Zetter-Karner: Ein Großteil der Familie ist in der Kunstbranche tätig. Ich finde es sehr schön, sich innerhalb der Familie über die Geschehnisse im Galerieleben austauschen zu können, und das geschieht bei Familientreffen auch immer wieder, aber meist steht das Private im Vordergrund. 

galerie-albertina.at