Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“. Text: Ursula Scheidl
Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Historiker und politische Journalist Martin Walker ist heuer bei der Kriminacht zu Gast in Wien und entführt Leser*innen mit seinem 16. Fall von Bruno, Chef de police, wieder in die französische Provinz.
Martin Walker versteht es blendend, Geschichte, Aktuelles, die politische Kultur Frankreichs und das einzigartige Flair des Périgord zu vermengen. Sein neuestes Buch „Im Château“ beginnt mit der Aufführung der Befreiungsschlacht um das malerische Mittelalter-Städtchen Sarlat. Die halbe Stadt ist in historischen Kostümen auf dem Marktplatz unterwegs, auch Bruno. Doch der Hauptdarsteller bleibt schwer verletzt in seiner Rüstung liegen. Sofort stellt sich die Frage: Unfall oder Absicht? Zumal es sich bei dem Schauspieler um einen sehr hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter mit weitreichenden internationalen Beziehungen handelt. Und natürlich sind alle von Brunos Freunden mit Feuereifer dabei, Licht ins Dunkel der Sache zu bringen.
vormagazin:Sie leben seit fast 30 Jahren im Périgord. Was fasziniert Sie an dieser Region?
Martin Walker: Es begann mit meiner Faszination für die prähistorischen Höhlenmalereien, dann für die neuere Geschichte, von den Römern bis zur arabischen Invasion, Karl den Großen, die Ankunft der Engländer und der Hundertjährige Krieg, die Verfolgungen der beiden ketzerischen Bewegungen hier, der Katharer und der Protestanten – so viel Menschheitsgeschichte konzentriert sich an einem Ort. Und dann war da noch das Essen, der Wein …
Es gibt viele Krimireihen, die in bestimmten Regionen spielen. Warum eignet sich das Périgord besonders für Ihre Geschichten mit Bruno?
Ich war überrascht, dass noch niemand das Périgord als Kulisse für einen Krimi verwendet hatte, und ich war fasziniert von dem Ort. Ich hatte bereits „Schatten an der Wand“ veröffentlicht, das ist eher ein Geschichtsroman, und genoss es, das zu tun, aber dann erkannte ich, dass mein Tennispartner, Dorfpolizist Pierrot, ein perfekter Typ für einen Krimi war.
Der 16. Fall von Bruno ist internationaler denn je zuvor. Wie kam es zur Entwicklung vom Polizisten eines kleinen Dorfes zum Ermittler großer internationaler Zusammenhänge?
Es begann eigentlich schon früh mit meinem Buch „Reiner Wein“, in dem es um eine große US-amerikanische Weinfirma geht. Dann erkennt Brunos große Liebe, Isabelle, die Assistentin des Innenministers in Paris ist, dass Bruno eine entscheidende Bereicherung in seiner Region ist. Dann haben wir einen baskischen Terroristen, einen britischen Gauner im Antiquitäten-handel, Kinder einheimischer arabischer Familien, die für die Taliban rekrutiert wurden, ein britischer Meisterspion zieht sich in Brunos Dorf zurück, dann taucht der russische Geheimdienst auf … Vieles davon kommt aus meinem Hintergrund als Journalist im Nahen Osten, in Russland und den USA.
Welche Rolle spielt der französische Geheimdienst?
Frankreichs wichtigstes Zentrum für elektronische Aufklärung befindet sich hier, in Domme im Dordogne-Tal, und ich traf englische Freunde, die für sie arbeiteten und französischen Technikern alle Varianten des Englischen, wie sie von Arabern, Afrikanern, Chinesen und so weiter gesprochen werden, beibrachten. Und wenn Sie wissen, wo Sie schauen müssen, sind die Antennen und Satellitenkuppeln nicht zu übersehen. Unvermeidlich, dass es zu einem Ziel wird.
Sie geben in diesem Buch auch Finanztipps. Was reizt Sie daran, immer wieder abseits der Haupthandlung Dinge zu recherchieren und einzustreuen?
Ich bin im Herzen immer noch Journalist und liebe es zu erklären, wie die Welt meiner Meinung nach funktioniert. Eines habe ich gelernt: Nationale Sicherheit und Hightech sowie Investitionen und Steuerpolitik gehen fast immer Hand in Hand.
Prinzipiell, wie finden Sie die Ideen für Ihre Bücher?
Ich halte meine Augen und Ohren offen, bleibe in Kontakt mit alten Kontakten auf der ganzen Welt, versuche, nie die Dinge für bare Münze zu nehmen und immer daran zu denken, dass sich auf lange Sicht alles um Menschen dreht.
Ich schätze, Brunos 17. Fall ist schon geschrieben?
Der 17. Fall, „A Grave in the Woods“, ist soeben in Großbritannien und den USA veröffentlicht worden (die deutsche Übersetzung ist bei Diogenes für 2025 in Vorbereitung), und ich habe bereits das Manuskript des 18. an meinen Verleger geschickt – der Titel steht noch nicht fest. Jetzt plane ich die Nummern 19 und 20.
Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau Julia auch ein Kochbuch geschrieben. Wie haben Sie kochen gelernt?
Zuerst von meiner Mutter, dann vom Reisen und dem Versuch, die Gerichte, die ich in Afrika und dem Nahen Osten genossen hatte, wieder zu kreieren, und dann von Julia, die eine brillante Köchin ist.
Sie produzieren auch selbst Wein. Wie kam es dazu?
Julien, unser örtlicher Weinhändler, ist ein guter Freund und hat ein Familienweingut. Er half mir dabei, den Cuvée Bruno herzustellen.
Sie waren ja schon mehrere Male in Wien. Was mögen Sie besonders in der Stadt?
Das Wiener Schnitzel im Gasthaus „Zu den 3 Hacken“ und die Bruegels im Kunsthistorischen Museum.
Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/WalkerBuchBB.png11001800Ursula Scheidlhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngUrsula Scheidl2024-10-25 08:25:032024-10-25 09:43:02Martin Walker liest bei der 20. Kriminacht in den Kaffeehäusern
Gegen Verhetzer in der Politik, gegen Populisten und Demagogen, tritt Spitzenunternehmer und Investor Stephan Zöchling anlässlich der Nationalratswahl am 29. September mit der überparteilichen Initiative #ZusammenStaerker auf. „Wir wollen keine politischen Brandstifter und Extremisten in Ministerien oder anderen Entscheidungsfunktionen“, sagt Zöchling. „Wir treten gegen extreme politische Ränder auf und machen uns für mehr Respekt und Sachlichkeit in der heimischen Politik stark.“ (zusammenstaerker.at)
Zusammen stärker
Der studierte Betriebswirt Zöchling, u.a. Miteigentümer und Chef des Auspuffherstellers Remus und Mitgesellschafter der Vorarlberger Erne Group, will vor allem potenzielle Nichtwähler bzw. Unentschlossene aufrütteln. Hass, Wut und Zorn seien keine guten Ratgeber, eine Denkzettelwahl solle tunlichst vermieden werden. Zöchling hat zahlreiche prominente Unterstützer:innen aus der Wirtschaft für seine Initiative wie etwa Industriemanagerin Brigitte Ederer, Immobilienentwickler Erwin Soravia, Hotelière Elisabeth Gürtler und Kunsthändler Roman Herzig. Im Interview spricht Stephan Zöchling über die Ziele der Initiative #ZusammenStaerker, über die Stimmung in Österreich vor der Nationalratswahl, er fordert kompetente Politiker:innen und er sagt: „Österreich hat sich etwas Besseres verdient als einen Wahlsieger Kickl“.
In der politischen Landschaft Österreichs sind Populisten und Demagogen nichts Neues, es gibt seit Jahren Verhetzer, Brandstifter und Hassredner. Warum haben Sie die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker just 2024 ins Leben gerufen?
Die Initialzündung waren im vergangen März erste Umfrageergebnisse für die EU-Wahl im Juni: die FPÖ lag an erster Stelle. Das hat nicht nur mich, sondern viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehr nachdenklich gemacht. Uns war klar: Wir können nicht länger tatenlos zuschauen, wir müssen etwas tun. Wir wollen gegen extreme politische Ränder auftreten. Denn ein weiteres Erstarken von Populisten und Demagogen würde nicht nur das friedliche Miteinander in unserem Land gefährden, sondern auch massiv der heimischen Wirtschaft schaden.
Wen wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker in erster Linie ansprechen?
Wir wenden uns an jene, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen. An jene, die vielleicht eine Denkzettelwahl in Betracht ziehen, die aus Wut oder Zorn eine Entscheidung treffen würden, die sie am Tag nach der Wahl vermutlich bereits bereuen würden. Und wir wenden uns an die Österreicher:innen, die vorhaben, nicht zu wählen.
Tatsache ist, dass die Nichtinanspruchnahme des Wahlrechts eine Form der Dekadenz ist. Denn sehr viele Menschen auf diesem Planeten hätten gern ein Wahlrecht und würden sich wünschen, dieses auch ungehindert ausüben zu können. Vor dem diesem Hintergrund ist es unbillig zu sagen, ich kann zwar wählen, aber ich geh nicht hin, weil das sind eh alles Trotteln und das interessiert mich nicht. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, das Wahlrecht wahrzunehmen und damit die Demokratie zu schützen.
Es ist auch nicht egal, wen man wählt. Es gibt ein wählbares Spektrum der Parteien der Mitte – links, konservativ, grün oder liberal. Es geht nur darum, dass sich Österreich etwas Besseres verdient hat, als einen Wahlsieger Kickl.
Wie empfinden Sie die Stimmung in unserem Land kurz vor der Nationalratswahl?
Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Extreme an beiden politischen Rändern versuchen, daraus Stimmen zu machen – mit einfachen Feindbildern und negativen Emotionen wie Hass, Angst oder Zorn. Aber Brandstifter und Extremisten sind nicht die Lösung, nur ein sachliches und respektvolles Miteinander bringt uns weiter. Und das brauchen wir, denn Österreich steht vor großen Herausforderungen, nicht nur wirtschaftlich.
Was ist die Intention, was wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker bewirken?
Wir wollen aufmerksam machen, sensibilisieren, die Menschen zum Nachdenken bringen. Wir wollen vermitteln, wie wichtig die kommende Wahl ist, und dass jede Stimme zählt.
Tatsache ist, dass die Politiker:innen, da jetzt so laut schreien, schon mehrfach gezeigt haben, dass sie nicht regieren können. Das haben wir bei den Kommunisten gesehen, bei den Spaßparteien, die nur Proteststimmen bekommen haben, und vor allem bei den rechten Parteien. Denn Ausländerfeindlichkeit, Menschverachtung und Wissenschaftsleugnung bringen die Gesellschaft nicht voran, sondern spalten sie noch weiter.
Schadet die Ausländer-Hetze der rechten Populisten auch der Wirtschaft?
Es hilft mit Sicherheit nicht, ausländerfeindlich zu sein und eine Festung Europa hochziehen zu wollen. Denn eine Festung Österreich würde uns u. a. Touristen kosten, die nicht mehr nach Österreich kommen, weil sie nicht in ein ausländerfeindliches Land wollen. Eine Festung Österreich würde uns dringend benötigte Arbeitskräfte kosten, denn Menschen, die die Wahl haben, werden nicht nach Österreich kommen, sondern in die Schweiz oder nach Kroatien oder Slowenien gehen – die beiden Letzteren sind mittlerweile neue, attraktive Länder zum Arbeiten.
Auf der Homepage von #ZusammenStaerker kann man eine Unterstützungserklärung unterschreiben. Wie viele Unterstützer:innen haben Sie kurz vor der Wahl?
Um die 13.000.
Wird aus der Initiative eine neue Partei werden?
Nein, auf keinen Fall.
Sie können sich nicht vorstellen, in die Politik zu gehen – Zöchling for Kanzler?
Ganz sicher nicht! Es wird daraus keine politische Aktivität entstehen, es ist eine rein zivilgesellschaftliche Initiative.
Ist die Initiative für Sie mit der Wahl beendet oder wird sie weitergeführt?
Aufgrund der guten Resonanz schließe ich nicht aus, dass wir #ZusammenStaerker nach der Nationalratswahl weiterführen werden.
Die Initiative #ZusammenStaerker quasi als ständiger Beobachter, als Mahnerin, als Sensibilisierungs-Tool für Polemik, für Populisten und Demagogen, für Verhetzer und Brandstifter in der Regierung?
Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber nicht mit dem Ziel, dass #ZusammenStaerker einmal im Parlament sitzt.
Was erwarten Sie sich von einer neuen Regierung?
Die neue Regierung hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört vor allem auch, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver zu gestalten. Die Unternehmen müssen entlastet werden. Es gibt hohe bürokratische Hürden und bürokratische Belastungen, da spreche ich noch gar nicht von den Lohnnebenkosten.
Ein Beispiel: Unternehmen müssen mittlerweile zusätzlich zum Jahresabschluss und zu einer Vielzahl an weiteren Berichten, wie einem Umweltbericht, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht schreiben. Den liest niemand, aber er kostet mittelständische Unternehmen knapp 70.000 Euro pro Jahr – so viel kostet ein Arbeitsplatz.
Größere Unternehmen geben pro Jahr insgesamt bereits rund 750.000 Euro für Audits und Berichte aus – das ist Lobbyisten-getrieben, da verdienen nur irgendwelche Berater daran, weiters bringt das überhaupt nichts.
Sowohl in den Ländern wie auch beim Bund wurde eine unglaubliche Bürokratie
aufgebaut. Sie müsste durchkämmt werden, um die Unternehmen zu entlasten.
Mit dem freigesetzten Geld könnte man Arbeitsplätze schaffen, Investitionen tätigen und Innovationen und Startups finanzieren. All das können wir nicht, weil wir mittlerweile ganze Abteilungen brauchen, um dem Bürokratie-Irrsinn Herr zu werden.
Es ist Aufgabe der Politik, diese Bürokratismen zu durchkämmen. Da käme man sehr schnell auf Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe, damit könnte eine Steuersenkung finanziert werden. Derartige konkrete Vorschläge vermisse ich bei den Wirtschaftsprogrammen der Parteien, sie sind immer sehr vage, verlieren sich in Allgemeinplätzen. Deshalb brauchen wir dringend kompetente Politiker:innen, die wissen, was es bedeutet, Unternehmer zu sein.
Wie schätzen Sie als Spitzenunternehmer generell die Wirtschaftslage ein? – Die aktuellen Schlagzeilen lauten etwa „Wirtschaftskrise hält an“, „Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt“ …
Wir stehen am Anfang eines Tsunamis. In Deutschland wurde die Wirtschaft von der Regierung an die Wand gefahren. Das wirkt sich insofern auf Österreich aus, weil wir ein Exportland sind, Stichwort Zulieferindustrie, da wird es weniger Nachfrage geben. Außerdem ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte für unseren Tourismus. Im kommenden Winter werden wir schon zu spüren bekommen, dass unsere deutschen Nachbarn vermehrt ausbleiben, weil sie sich einen Schiurlaub nicht mehr leisten können oder das Geld aufgrund der ungewissen Arbeitsmarktsituation lieber sparen. Dieser Trend hat sich bereits im vergangenen Sommer bei den Buchungen für Kroatien, Italien und Griechenland gezeigt. Nicht nur die Deutschen bleiben aus, dasselbe gilt für die Benelux-Länder und natürlich für die Engländer, die nach dem Brexit mit dem Rücken zur Wand stehen.
Das alles zusammen ist für unsere Wirtschaft ein toxischer Cocktail. Vor diesem fordernden Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir kompetente und besonnene Politiker:innen haben und keine Populisten, die nichts anders können, als Hassreden zu halten.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/09/ZoechlingBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-09-23 11:21:222024-09-23 11:28:34Wer Extreme stärkt, schwächt Österreich – Stephan Zöchling und seine Initiative ZusammenStaerker
Zum Bücherlesen fand Anja Linhart erst relativ spät, gerade weil sie – in Deutschland – als Tochter einer Buchhändlerin aufwuchs. Bis 13 hatte sie entschieden andere Interessen. Aber dann fiel ihr ein Buch von Simone de Beauvoir in die Hände und der Funke sprang über: „Das war meine Einstiegsdroge. Ich musste alles von ihr lesen.“ Nach der Schule fing sie beim Radio an, die journalistische Arbeit behielt sie dann auch während des Studiums (Politikwissenschaften)in Frankfurt und danach bei – den Gegensatz von kurzen Radioclips und langen theoretischen Arbeiten, die sie auf der Uni verfassen musste, fand sie reizvoll. 2008 kam sie aus privaten Gründe nach Wien, wo sie zunächst beim Wiener Kindertheater mitarbeitete, ehe sie 2020 über einen Bekannten das Angebot bekam, ein Büro des Schweizer Verlags Elster & Salis in Wien aufzubauen, in dessen Lektorat sie schon länger gearbeitet hatte. Seit 2023 ist Elster & Salis Wien ein eigenständiger Verlag, der sich vor allem um aktuelle österreichische Literatur kümmert.
wienlive: Woher nahmen Sie den Mut, einen Verlag zu gründen?
Anja Linhart: Nun, ich hatte ja viel gelernt bei Elster & Salis und hatte große Unterstützung aus der Schweiz. Gerade in der Pandemie konnte man im Verlagsbereich nicht viel machen und so hatte ich Zeit, mich in das Geschäft einzuarbeiten. Mit Gábor Fónyad („Als Jesus in die Puszta kam“), Johanna Wurzinger („Und das Universum schweigt“) und Lisbeth Exner („Realitätenhandlung“) hatte ich aber bald schon ein hochwertiges Programm. Und dann kam Silvia Pistotnigs „Die Wirtinnen“ und wurde zu einem kleinen Bestseller – das verkauft sich immer noch gut, auch in Deutschland. Für mich ein zeitloses Buch, das drei Generationen anspricht und auch von drei Generationen gelesen wird – fast schon ein Klassiker.
Aktuell scheint die österreichische Literatur geradezu zu boomen – heimische Autoren/Autorinnen gewinnen goße deutsche Buchpreise. Es gibt zahlreiche Debüts, nicht nur von ganz Jungen. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Ja, und es stimmt, dass einige auch etwas später, wenn sie sozusagen schon ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt haben, mit dem Schreiben ernst machen. Jakob Pretterhofer hat schon bei Luftschacht einen Roman herausgebracht, aber er lehrt auch an der Filmakademie Drehbuch und Dramaturgie. Wenn man seine Texte liest, merkt man sofort, dass er sehr viele Bilder im Kopf hat. Er ist aus dieser Generation von Anfang-40-Jährigen, die die Dinge ganz anders sehen – auch weil sie schon eine Familie haben. „Die erste Attacke“ entwickelt sich dann auch vom Bobo-Familienroman zum etwas trashigen 70er-Jahre Horror-Movie.
In Wirklichkeit geht es um die geradezu inflationär zunehmenden diffusen Ängste, die sich auch in der Pandemie gezeigt haben. Dazu der Krieg und die Klimakrise – beides Bedrohungen, die für den Einzelnen nicht greifbar scheinen.
Wo sehen Sie die Nische von Elster & Salis Wien?
Ich habe noch niemand angesprochen, der bei einem anderen Verlag war, aber es kommen doch einige zu mir, die bereits in größeren Verlagen zu Hause waren. Eine Autorin hat einmal zu mir gesagt: „Ich will nicht bei einem Verlag nur eine Nummer sein.“ Bei unserem kleinen Programm sind natürlich alle Autorinnen und Autoren jeweils sozusagen der Haupttitel. Ich arbeite immer auf Augenhöhe mit ihnen zusammen, ich würde nie ein Buchcover machen, das dem Autor, der Autorin nicht gefällt. Jeder Autor, jede Autorin bringt ja neben neuen Themen auch eine eigene Community mit, wir sind definitiv noch im Wachsen.
Ich arbeite viel im Home Office, ich habe nur eine freie Korrektorin und einen Grafiker, das Lektorat mache ich selbst. Eigentümer von Elster & Salis Wien ist ein Schweizer Investor – ein begeisterter Leser –, ich bin die Geschäftsführerin.
Leider bekommen in Österreich nur Verlage, die drei Jahre lang mindestens fünf Titel im Jahr herausbringen eine größere Verlagsförderung – alle anderen bekommen nur sehr wenig öffentliche Unterstützung. Ich mache aber sicher kein Buch, von dem ich nicht überzeugt bin.
Bekommen Sie inzwischen schon viele Manuskripte zugesandt?
Ja, es steigt sowohl die Anzahl als auch erfreulicherweise die Qualität. Unser Profil ist klar: Wir machen ausschließlich zeitgenössische Literatur von österreichischen oder in Österreich lebenden Autorinnen und Autoren. Ich arbeite, wenn es sich vermeiden lässt, auch nicht mit Agenturen zusammen, weil ich selber gerne den direkten Kontakt mit meinen Autorinnen und Autoren habe.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/08/AnjaBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-08-23 09:51:052024-08-23 10:50:19Der Verlag Elster & Salis Wien und seine Verlegerin Anja Linhart
Johann-Philipp Spiegelfeld ist Flugkapitän, Historiker, Rettungssanitäter, Kommandant des Malteser Hospitaldienstes Österreich – und seit 2021 Quotenheld des ORF: Als „Herrschaftszeiten“-Moderator lockt er mit seinen sommerlichen Schlossbesuchen bis zu 701.000 Zuseher:innen vor die Bildschirme. Im August gehen drei neue Folgen auf Sendung. Jetzt gibt’s begleitend zur Erfolgsserie ein gleichnamiges Buch. Plus: Demnächst wird sich Spiegelfeld auch hinter Klostermauern umschauen.
Highlight
Herrschaftszeiten, ist der Mann sympathisch. Unterhaltsam, klug, selbstironisch, uneitel – gut nachvollziehbar, warum Johann-Philipp Spiegelfeld, 43, die Gunst des ORF-Publikums im Sturm erobert hat. Bis zu 701.000 Zuseher:innen, Marktanteil 23 Prozent, begeistert er pro Folge mit seinen sommerlichen Schlossbesuchen – eine Tatsache, die „Herrschaftszeiten“ zu einem absoluten Highlight macht.
2021 startete der Berufspilot und TV-Neuling als Moderator der ORF-Reihe. Zwei Tage pro Folge verbringt er als Gast auf einem Schloss bzw. einer Burg, nonchalant und nie um einen guten Sager verlegen bietet er Einblicke ins arbeitsreiche Adelsleben. Heuer geht bereits die vierte Staffel on air: ab 30. Juli – jeweils am Dienstag um 21.05 Uhr in ORF 2 – stehen nach zwei Wiederholungen drei neue Folgen auf dem Programm.
Schon der Take-off der ersten Staffel klappte bravourös, seitdem befinden sich die Quoten im Steigflug. Johann-Philipp Spiegelfeld, der bei Austrian Airlines seit 2002 als Flugkapitän im Einsatz ist, steuert „Herrschaftszeiten“ souverän über das Sommerloch.
Persönliche Note
Treffen mit dem ORF-Quotenhelden im traditionsreichen „Salettl“ in Wien-Döbling, in dem die Zeit vor Jahrzehnten erfolgreich angehalten wurde. Ein charmantes Ambiente, das durchaus mit „Herrschaftszeiten“ korrespondiert. Inmitten des verwunschen anmutenden Gastgartens: Johann-Philipp Spiegelfeld. Verstrubbelte Haare, Sneakers, herzliches Lachen. Charakteristika, mit denen er auch der Sendung eine ganz persönliche Note verleiht.
Spiegelfeld ist ein Mann der Tat: prompt bringt er – das zum Setting passende – leicht antiquierte Aufnahmegerät wieder zum Laufen und erzählt währenddessen vom eben erschienenen Buch „Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche“, das er gemeinsam mit Serienschöpfer und Regisseur Martin S. Pusch begleitend zur ORF-Serie geschrieben hat. „Es gibt viel geschichtlichen Hintergrund, Anekdoten und Hoppalas.“ (Amalthea Verlag, € 31,-)
Im ORF hat „Herrschaftszeiten“ im Sommer mittlerweile Tradition. Den Erfolg hätte sich Spiegelfeld nicht erwartet: „Ich war ein absoluter TV-Neuling, ich hab‘ mit gar nichts erwartet. Jetzt freue ich mich umso mehr für das ganze Team, dass die Sendung so erfolgreich ist. Es ist eine tolle Gemeinschaft, ich werde von allen extrem unterstützt.“ Nachsatz: „Wir arbeiten an den Tagen in den Schlössern sehr viel, aber wir haben auch viel Spaß.“
Das Interview über Adel, Anekdoten, Buch, Pläne und wahre Werte.
Die ersten drei Staffeln von „Herrschaftszeiten“ hatten je bis zu sieben Folgen. Heuer gibt’s aus ORF-Spargründen – Fußball EM und Olympische Spiele – nur drei neue Episoden. In welchen Schlössern sind Sie zu Gast?
Wir sind bei der Familie Beppo Harrach auf Schloss Prugg, ein Stadtschloss in Bruck an der Leitha in Niederösterreich. Außerdem besuchen wir die Familie von Lukas Liechtenstein in Schloss Frauenthal in der Steiermark. Und die Familie Keil im Schloss Kohfidisch im Burgenland, Sarah Keil stammt aus einer ungarischen Grafenfamilie, das Schloss ist von ihrer Familie.
Die Schlossbesitzer – auch wenn das Bekannte bzw. Verwandte von Ihnen sind – gestatten Ihnen samt ORF-Team ganz ohne Überredungskünste einen sehr privaten „Hausbesuch“?
Mittlerweile rufen mich die Familien sogar an, weil sie auch in der Sendung sein wollen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Sie wissen, dass wir sie nicht als skurril oder abgehoben darstellen.
Sie erkennen den Wert: die Präsentation des Schlosses ist eine Marketingmaßnahme. Die meisten Familien bieten u. a. Führungen an, um die Schlösser zu erhalten, zu renovieren. In „Herrschaftszeiten“ wird bei den Zuseher:innen das Interesse geweckt, selbst einmal hinzufahren.
In Österreich gibt’s den Adelsstand nicht mehr, dennoch haben (einstmals) Adelige nichts an Faszination eingebüßt. „Herrschaftszeiten“ bedient auf angenehme Weise den Voyeurismus: die Zuschauer: innen sehen, wie geheimnisumwehte Adelige tatsächlich leben.
Das geschieht auf sehr respektvolle Art. Es war eine der Bedingungen, dass ich mitmache, ich wollte nicht, dass die „Schlossbesuche“ ins Lächerliche gerückt werden. Ich wollte zeigen, dass diese Menschen eine sehr große Verantwortung haben. Dass es sich zwar romantisch anhört, in einem Schloss zu wohnen, dass tatsächlich aber sehr viel harte Arbeit nötig ist, um ein Schloss erhalten zu können.
Eben ist das Buch zur ORF-Serie erschienen, das Sie gemeinsam mit Regisseur und „Herrschaftszeiten“-Mastermind Martin S. Pusch geschrieben haben. Was bietet es über die TV-Dokus hinaus?
Es gibt ausführliche Informationen zu allen 17 Schlössern bzw. Burgen, die wir in den ersten drei Staffeln besucht haben. Geschichtliches, Blicke hinter die Kulissen. Viele lustige Geschichten, die auch das ganze Team betreffen, wir rücken ja immer zu siebent an. Angefangen von „Wie spreche ich den Schlossherrn an?“ bis zu Hoppalas … Ich hing etwa angeseilt in einer Wand, sollte beim Abseilen gefilmt werden, allerdings steckte der Kameramann im Aufzug fest. Ich bin zwar Pilot und habe keine Höhenangst, aber ich hing dann doch relativ lang an dem Felsen …
Außerdem gibt es zu jedem Schloss eine Playlist mit den Titeln der jeweiligen Sendung, zu der man mittels QR-Code gelangt. Das war meine Idee und ich bin sehr stolz drauf! (Lacht) Man hat also das volle Erlebnis, kann die Musik, hören und über das Schloss lesen.
Apropos: In einer der Sendungen haben Sie am Klavier „Yesterday“ geklimpert. Was sind Ihre Lieblingsongs, was ist der Soundtrack Ihres Lebens?
Coldplay finde ich gut und Daft Punk, mein Lieblingslied ist Instant Crush. Aber ich höre eigentlich jede Musik. Wenn mir etwas Neues im Radio gefällt, kommt der Titel auf meine Playlist.
In einigen Schlössern bzw. Burgen soll es spuken. Haben Sie je einen Geist gesehen?
Nein, aber vielleicht unser Tonmeister … Als wir auf Burg Bernstein waren, hat uns Erasmus Almásy über die Weiße Frau erzählt, die in einem bestimmten Zimmer besonders gern spukt. Wir haben alle im Schloss übernachtet, und als die Zimmerschlüssel verteilt wurden, war zufällig unser Tonmeister nicht dabei. Nicht sehr heldenhaft haben wir ihm jenes Zimmer zugewiesen, das die Weiße Frau für ihre Erscheinen bevorzugt. Seltsamerweise hat er aber am nächsten Tag kein Wort über seine Erlebnisse in der Nacht verloren.
Sie sind Flugkapitän bei Austrian Airlines. Betreffend Moderation und TV-Business hatten Sie überhaupt keine Vorkenntnisse?
Nein, ich war ein blutiger Anfänger. Ich wusste nicht einmal, dass ein „Pilot“ die erste Folge, die Pilotsendung einer Serie ist, eine Testfolge. Daher hatte ich keine Ahnung, was gemeint war, als ständig gesagt wurde: „Man muss einen Piloten drehen“. Bis ich dann gefragt habe: „Ich bin Pilot, was ist das Problem, wenn ihr mich dreht?“
Wie kam’s dazu, dass Sie die Sendung moderieren?
Martin Pusch hat das Konzept entwickelt, es hat beim ORF Anklang gefunden. Da hat sich die Frage gestellt, wer moderieren soll. Ich wurde von einer Freundin für das Casting vorgeschlagen.
Sie mussten zu einem Casting?
Ja, ich war beim Casting. Ines Schwandner, die Sendungsverantwortliche des ORF, spielte eine Prinzessin, die Besitzerin von Schloss Belvedere. Ich hab‘ mich von ihr durchs Schloss führen lassen. Daraus wurde eine Probesendung. – Vor allem die Ines hat sehr viel gelacht.
Sie wirken als Moderator sehr souverän. Hatten Sie nie Scheu vor der Kamera?
Nein. Vielleicht, weil einer meiner Vorteile ist, dass ich überhaupt nicht eitel bin. Ich kann das auch jedem empfehlen. Es lebt sich viel leichter ohne Eitelkeit. Generell ich bin vor der Kamera so wie ich immer bin, ich kann mich gar nicht verstellen.
Interessant war die Wahrnehmung der Zuseher:innen: Burg Clam war die erste Folge, die wir gedreht haben, aber sie wurde als letzte der Staffel ausgestrahlt. Der Tenor des Fernsehpublikums war, dass eine ganz tolle Steigerung meiner Moderationsqualitäten von der ersten bis zur letzten Folge der ersten Staffel zu bemerken sei. Es hieß, ich habe mich sehr gut entwickelt. – Das hab‘ ich sehr lustig gefunden. Ich habe mich aber artig bedankt.
„Herrschaftszeiten“ ist beim Publikum auch wegen Ihrer oft unkonventionellen Fragen und Antworten beliebt. Sie haben etwa beim Besuch einer Gourmet-Schinkenmanufaktur bei einem Schloss um zwei Deka Extrawurst gebeten. Werden Ihnen die Gags ins Drehbuch geschrieben?
(Lacht) Nein, das kommt spontan. Martin Pusch, der Regisseur, bat mich: „Sag was Nettes.“ Und eigentlich kann ich dann sagen, was ich will. Ich kann authentisch sein. Vielleicht ist das auch ein Erfolgsgeheimnis.
Es gibt beim ORF-Kundendienst zahlreiche Anrufe von Zuseher:innen, die wissen wollen, was sich in der roten Tasche befindet, mit der Sie in ein Schloss einziehen. Im Buch wird das Geheimnis um den Inhalt des roten Weekenders gelüftet. Würden Sie es auch hier verraten?
Ich glaube, wir dürfen hier nicht verraten, dass in der Tasche nichts drin ist. (Lacht) Sie ist ein reines Accessoire fürs Bild.
Und das Label, die Marke? Viele wollen diese Tasche kaufen.
Ich weiß es nicht, es gibt kein Etikett. Ich kann nur sagen: sie ist aus rotem Leinen mit schwarzen Lederhenkeln.
Sie könnten ein Merchandising-Business aufziehen: die rote Tasche würde sich verkaufen wie warme Semmeln und dann nehmen sie noch die Sneakers jener Marke, die Sie in den Sendungen tragen, ins Sortiment.
(Lacht.) Ich werde aber nicht von der Sneakers-Firma gesponsert! Da hat mich meine Frau beraten: In der ersten Folge hatte ich Sneakers einer großen amerikanischen Marke an. Sie meinte, dass das gar nicht geht. – Die beste Karriereentscheidung in meinem Leben war übrigens die Hochzeit mit meiner Frau 2007. Sie achtet drauf, dass ich kluge Entschlüsse fasse. In diesem Fall habe ich mich für nachhaltige Sneakers entschieden, weil ich damit ein Zeichen setzen wollte.
Heute haben Sie keine Schuhe dieses Labels an, sondern Sneakers mit einer großen Ameise. Was ist passiert?
Das sind Aicus-Sneakers, meine Cousine hat einen Online-Store für Schuhe (aicus.at.). Ich find sie cool, diese Ameisen-Sneakers, und sie sind bequem.
Sie haben selbst einen adeligen Background, Ihre Familiengeschichte geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Das Stammschloss Ihrer Familie, Schloss Spiegelfeld, ist in der Steiermark.
Ja. Ich glaube, das wird gerade renoviert, weil mein Onkel Georg Spiegelfeld es zurückgekauft hat.
Für eine der „Herrschaftszeiten“-Folgen haben Sie Familie besucht: Franz und Johanna Spiegelfeld auf Schloss Schenna in Südtirol.
Das sind mein Onkel und meine Tante, allerdings kam Schloss Schenna über Tante Johanna in die Familie.
Sie sind nicht in einem Schloss aufgewachsen?
Nein, ich bin nicht in einem Schloss aufgewachsen. Ich bin ein totaler Normalo, in Wien aufgewachsen, und ich habe immer hier gelebt. Wegen großen Erfolges habe ich in Wien mehrere Schulen besucht. Das hat auch sein Gutes, ich kenne dadurch sehr viele Leute.
Gäbe es den Adel in Österreich noch, wären Sie ein Graf.
Ja, wahrscheinlich. Aber ich gestehe, dass ich nicht sattelfest bin, wenn es um meine eigene Familiengeschichte geht. In Österreich gibt es auch keinen Adel mehr, und ich finde das auch nicht besonders wichtig. Was mir eher wichtig ist, und darauf bin ich stolz, ist, dass in meiner Familie stets versucht wurde, Werte weiterzugeben. Etwa Verantwortung, Haltung, Engagement, Respekt, Bescheidenheit, sich umeinander kümmern. – Ich würde sagen, christliche Werte und Nächstenliebe sind wichtig.
Christ zu sein hat offenbar einen großen Stellenwert. In Ihrer Vita wird Christ in einer Reihe mit Ihren Berufen bzw. Ausbildungen genannt: Pilot, Historiker, Rettungssanitäter, TV-Moderator, Christ. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Weil ich mich den christlichen Werten verbunden fühle. Natürlich hadere auch ich mit manchen Details in der Kirche, aber ich finde es schön in einer christlichen Gemeinschaft zu leben und das Leben nach diesen Werten auszurichten.
Getreu Ihren Werten sind Sie auch helfend im Einsatz. Sie arbeiten in Ihrer Freizeit ehrenamtlich als Rettungssanitäter beim Malteser Hospitaldienstes Österreich, dessen Kommandant sie seit April sind. Sind Sie auch im Rettungswagen unterwegs?
Wir sind 2.200 Mitglieder österreichweit. Ich darf der Kommandant sein, das ist riesige Aufgabe und gleichzeitig eine große Ehre für mich. Der Malteser Hospitaldienst engagiert sich in vielen Bereichen. Wir betreuen u. a. Obdachlose, wir machen Wallfahrten mit beeinträchtigen Menschen nach Lourdes, nach Rom und ins Heilige Land. Mit dem Rettungsdienst finanzieren wir auch die Organisation, weil wir im Rettungsverbund in Wien fahren – mit ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen. Früher hatte ich mehr Zeit, aber ich versuche einmal pro Monat als Rettungssanitäter dabei zu sein. Ich mache das sehr gern. Die Schicksale zu sehen, helfen zu können, das ist schon großartig. Und es erdet. Es gibt auch schöne Erlebnisse, die „Herrschaftszeiten“ betreffen: Neulich hatten wir einen Patienten, dem es gar nicht gut ging. Auf dem Weg ins Krankenhaus hat er mich im Rettungsauto erkannt. Er sagte, dass er sich sehr freut, dass ich ihn ins Spital bringe …
Sie sind auch Historiker und Pilot.
Direkt nach der Schule und nach dem Bundesheer habe ich die Pilotenausbildung gemacht. Das war ein Kindheitstraum, der sich verwirklicht hat. Für Geschichte habe ich mich auch immer interessiert. Das Studium war dann eine besondere Zeit. Ich finde es generell großartig, zu lernen. Ich konnte an der Universität in Vorlesungen gehen und Leuten zuhören, die mir Geschichte nähergebracht haben.
Sind Sie als Flugkapitän bei Austrian Airlines eher auf Langstrecke oder auf der Kurzstrecke unterwegs?
Ich war schon auf der Langstrecke, jetzt bin ich Kapitän auf der Kurzstrecke. In der Sommersaison freue ich mich, unsere Passagiere in den Urlaub zu fliegen. Übermorgen geht’s nach Rhodos.
Was sagen Sie einer Flugpanikerin in Zeiten zunehmender Turbulenzen?
Es gibt kein sichereres Verkehrsmittel als das Flugzeug. Ich kenne keinen anderen Beruf, bei dem so viel Zeit und Geld investiert wird, das Personal zu trainieren und zu schulen, damit es auf jede Situation richtig reagiert.
Sie haben Familie mit zwei jugendlichen Söhnen, Sie fliegen, moderieren, fahren im Rettungswagen. Was machen Sie als Ausgleich?
Ich gehe gern in der Früh mit unserem Hund Lilly auf den Kahlenberg. Alle in der Familie wollten einen Hund, aber niemand will mit ihm spazieren gehen, also mache ich das. Das ist mein Hobby.
Gibt‘s neben „Herrschaftszeiten“ Pläne für neue Fernsehformate?
Es gibt eine Idee, die wir im Herbst in einem Pilotprojekt realisieren werden – jetzt weiß ich ja, was ein „Pilot“ ist. „Herrgottszeiten“, das gleiche Konzept wie „Herrschaftszeiten“, aber diesmal werden wir Klöster besuchen.
Sie lachen, nehmen Sie mich auf die Schaufel?
Kein Scherz! Ich werde mit den Mönchen sprechen, die können auch ein bisschen Werbung vertragen. (Lacht)
Ganz ehrlich …?
Ja! Ehrlich. Wir werden im Herbst Probst Petrus im Stift Herzogenburg in Niederösterreich besuchen. „Herrgottszeiten“ – mit demselben großartigen Team wie „Herrschaftszeiten“.
Ein intensiver Blick hinter die Kulissen der ORF-Erfolgsreihe: Von Tratzberg, Neudau und Riegersburg bis zu Schloss Schenna: Geschichtliches und Anekdoten über alle 17 Schlösser (und Burgen), die Johann-Philipp Spiegelfeld in den ersten drei ORF-Staffeln „Herrschaftszeiten“ besucht hat. Plus: Playlists mit QR-Codes, die den Zugriff auf die Musik der einzelnen Folgen ermöglichen.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/07/1_Rohrau-22Bei-Familie-Waldburg-Zeil-auf-Schloss-Rohrau.22-Herrschaftszeiten_2_15-scaled.jpg17072560wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-07-05 10:31:152024-07-05 10:31:17Johann-Philipp Spiegelfeld im Interview
Im Gartenpalais Liechtenstein ist bei freiem Eintritt die Schau HERKULES DER KÜNSTE zu sehen, in dessen Mittelpunkt ein Fürst steht, dem Wien viel zu verdanken hat. Ein Interview mit dem neuen Direktor der Sammlung, Stephan Koja.
Mit 1. April 2023 löste der Wiener Kunsthistoriker Stephan Koja Johann Kräftner an der Spitze der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein ab. Kräftner hatte zwei Jahrzehnte das Bild der berühmten Sammlung geprägt.
Der 1962 geborene Stephan Koja konnte bislang schon viele internationale Erfahrungen sammeln und wurde für seine Verantwortung bei der Renovierung der Dresdner Sempergalerie am Zwinger viel gelobt. Begonnen hat er seine Karriere an der Spitze der Sammlungen des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne im Belvedere. Und natürlich hat er auch für das Gartenpalais und das Stadtpalais Liechtenstein neue Ideen. Er möchte etwa die Rolle der Liechtenstein’schen Fürsten bei der Entwicklung Wiens stärker betonen. Denn durch den Bau des Gartenpalais in der damaligen Vorstadt wurde das Viertel Lichtental nachhaltig auch wirtschaftlich entwickelt. Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein baute nicht nur die Schulden seines Vaters ab, sondern machte aus seinen Besitzungen funktionierende und florierende Musterbetriebe.
Sonderausstellung
Das Palais Liechtenstein ist seit einigen Jahren nur gegen Voranmeldung und mit Führung zu besichtigen. Allerdings gibt es jährliche Sonderausstellungen bei freiem Eintritt.
Ab sofort lockt die Schau „HERKULES DER KÜNSTE – Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700“.
Was war die Idee zur Ausstellung?
Stephan Koja: In „Herkules der Künste“ geht es um die zentrale Fürstengestalt, der man zum einen – auf politischer Ebene – verdankt, dass die Liechtensteins Reichsfürsten werden, zum anderen, dass die Kunstsammlung eine ganz neue Bedeutung gewinnt und der Hauptsitz der Fürsten nach Wien verlegt wird. Die großen Besitzungen der Fürsten liegen ja in Böhmen und Mähren, wo sie wunderbare Schlösser besessen haben.
Johann Adam Andreas schafft in Wien repräsentative Bauten und kauft die besten Kunstwerke, die er in Europa bekommen kann. Und da er der Meinung ist, dass italienische Architekten die besten sind, lässt er sich in Lichtental ein Palais im italienischen Stil bauen.
Damals waren rundherum ja noch Felder, oder?
Stephan Koja: Genau, Johann Adam Andreas I. macht aus dem Gebiet eine Mustersiedlung – mit einer Brauerei, Mühlen und einer von ihm gestifteten Kirche. Er gewährt Steuererleichterungen, damit sich Menschen – vor allem Handwerker – hier ansiedeln. Um 1700 boomt Wien gerade, die Türkenbelagerung ist überstanden, und es geht wirtschaftlich steil bergauf.
Der Fürst denkt viel darüber nach, wie seine Betriebe noch effizienter arbeiten könnten und ist sehr erfolgreich. Seine Besitzungen sind weitgehend autark – mit Landwirtschaft und deren Weiterverarbeitung, Handwerk und Brauhäusern. Der damit erwirtschaftete Wohlstand erlaubt die Sammeltätigkeit und eine imposante Bautätigkeit. Denn die Großzügigkeit des neuen Gartenpalais ist wirklich sensationell. So etwas wie die Sala Terrena oder den Herkulessaal – das hat es in diesen Dimensionen zu dieser Zeit in Wien nicht gegeben. Das wird dann bis in den süddeutschen Raum zum Vorbild – auch für das Belvedere – Prinz Eugen beschäftigt zum Teil sogar die gleichen Handwerker.
Was sind nun die Highlights der Ausstellung?
Stephan Koja: Das überwältigende Deckenfresko im Festsaal von Andrea Pozzo zeigt die Taten und die Apotheose des antiken Helden Herkules in einer beeindruckenden Scheinarchitektur und ist deshalb Namensgeber der Schau. Dann die riesigen Ausstattungsbilder von Marcantonio Franceschini. Und schließlich sind natürlich die Gemälde von Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck in der Sammlung von überragender Qualität. Das Porträt der Clara Serena Rubens gehört zu den berührendsten Kinderporträts der europäischen Kunstgeschichte.
Das gesamte Interview können Sie in der kommenden Ausgabe von Wienlive lesen.
HERKULES DER KÜNSTE Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700
16. Februar – 1. April GARTENPALAIS Liechtenstein Fürstengasse 1, 1090 Wien Montag bis Sonntag 10–18 Uhr | Freier Eintritt | Keine Anmeldung erforderlich. palaisliechtenstein.com
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/02/LiechtensteinBB2.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2024-02-15 09:24:522024-02-15 09:24:54Herkules der Künste – Interview mit Stephan Koja
Wien verdankt dem Regisseur und Autor Markus Kupferblum viele ungewöhnliche Opern- und Theaterproduktionen. Nun lebt er mit seiner Familie in Boston und gerade ist sein Bühnenkünstler-Credo als Buch erschienen.
Hier in Wien macht der Regisseur, der schon an sehr vielen Orten der Welt inszeniert, gefilmt, gespielt und unterrichtet hat, nur noch eine Gesprächsreihe im Porgy & Bess mit bekannten Kulturschaffenden wie zuletzt mit Robert Schindel. Nicht nur weil seine Frau in Harvard ihren PhD macht, seine Kinder dort zur Schule gehen und er selbst in Harvard unterrichtet. In Wien wurde es für ihn, der schon 1992 beim hoch angesehenen Festival von Avignon ausgezeichnet wurde und der 2007 einen Nestroypreis erhielt, immer schwieriger, seine Inszenierungen zu finanzieren. Der in Wien Geborene ist ausgebildeter Clown, hat auch als Schauspieler viel gespielt und unterrichtete etwa in Wien, Tel Aviv, Teheran, Frankfurt, Michigan, Louisiana, Boston, New York und Bolivien.
wienlive: Wie verlief Ihr künstlerischer Werdegang?
Markus Kupferblum: Ich habe meine künstlerische Sozialisation in Paris erfahren und war bei Peter Brooks englischer Version der „Mahabharata“ dabei – der war schon damals mein Idol und ich war erst 20. Seine Konzentration auf die Menschen – die Schauspieler – hat mich sehr geprägt – denn sie sind es schließlich, die uns die Geschichten erzählen. Das hatte ich nicht gekannt, denn ich bin ja in Wien mit der Theatertradition des Burgtheaters aufgewachsen. Brook wurde später von Peymann gefragt, ob er fürs Burgtheater arbeiten möchte, und hat glatt abgelehnt. Ich hab ihn nach dem Grund gefragt und er hat geantwortet: Ich brauche Zeit! Das hat mich sehr fasziniert.
Mit 22 habe ich bereits meine erste freie Operngruppe gegründet, weil ich den Betrieb an der Staatsoper ungeheuer aufgeblasen gefunden habe.
Worum geht es im neuen Buch?
Meine Helena in „Die Schönheit der Helena“ ist jene aus dem Sommernachtstraum. Ihr Monolog ist für mich schon lange die beste Gelegenheit, jungen Schauspielerinnen und Schauspielern zu zeigen, wie man an eine Rolle herangeht. Mein Buch ist sozusagen ein Manifest für ein sinnliches Theater. Ich finde das noch immer vorherrschende postdramatische, zerstörerische Theater inzwischen sehr altbacken. Es hatte etwa in Berlin nach dem Fall der Mauer eine wichtige Funktion, aber es ist für mich nicht mehr befriedigend, so an Literatur heranzugehen. Als „Brookianer“ fehlt mir die einmalige Chance, Theater als Labor zu erleben, in dem die großen Konflikte der Menschheit abgehandelt werden. Deswegen hat Brook ja so viel Zeit für seine Inszenierungen gebraucht – er probte eineinhalb Jahre! Das hat mich als Junger fast wahnsinnig gemacht: Ich habe bei ihm Proben erlebt, die perfekt waren – und dann hat er gemeint: so, jetzt können wir das streichen. Er war der Meinung, dass man sich nie an etwas klammern dürfe und dass man durch die Streichung Gelegenheit für etwas Neues bekomme.
Das Theater heute will ja inzwischen überkorrekt sein, wie sehen Sie das?
Political Correctness hat sicher seine Berechtigung, aber wenn man das ganz genau nimmt, heißt es doch, dass man kein Stück von Shakespeare mehr spielen dürfte. Bei „Romeo und Julia“ gibt es Sex mit Minderjährigen, beim „Kaufmann von Venedig“ den Antisemitismus, bei „Othello“ begeht ein Afrikaner einen Mord. Wenn Menschen etwa in einer Komödie über Menschen lachen, ist es ja das Ziel, dass sie erkennen, dass sie über sich selbst lachen. Diese Großzügigkeit, über sich selbst lachen zu können, ist doch eine der wunderbarsten menschlichen Qualitäten! Das wissen wir seit Aristoteles. Mit Political Correctness wird es sehr, sehr ernst auf unserer Welt.
Ist das vielleicht auch ein Grund, warum immer weniger Menschen ins Theater gehen?
Ich kann mir vorstellen, dass es da einen Zusammenhang gibt. Wenn sich das Theater nicht mehr darauf konzentriert, was es kann und was es besser kann als ein Netflix-Abo mit Millionen Filmen, dann wir niemand mehr ins Theater gehen. Denn es kostet viel Geld, man kann nicht in Hausschuhen Popcorn essen, nicht auf Stopp oder Fast Forward drücken, kann sich nicht zwischendurch ein Bier holen. Es geht um das Erlebnis, dass ein echter Mensch im selben Raum vor dir steht und du diesen Raum mit vielen anderen Menschen teilst, die dieselbe Empathie zu entwickeln imstande sind. Theater muss die Wahrheit des Augenblicks feiern. Denn auch wenn morgen dasselbe Stück gespielt wird, ist es immer wieder neu und anders.
Am schwierigsten ist es, die Jugend zum Theater zu verführen, oder sehen Sie das anders?
Ich bin da nicht so sicher. Wir Theatermacher müssen auf jeden Fall lernen zuzuhören und herauszufinden, was für Bedürfnisse die Jugendlichen haben. Eigentlich habe ich nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht – und dies auch immer gerne. In Litauen kurz nach der Wende habe ich mit arbeitslosen russischen Jugendlichen, die sich zu Recht völlig ausgeschlossen gefühlt haben – es durfte ja nicht einmal mehr Russisch gesprochen werden –, Straßentheater geprobt. Wir haben dann am Hauptplatz von Vilnius eine Show aufgeführt. Und diese Kinder waren so glücklich, weil ihnen zum ersten Mal von Menschen applaudiert wurde.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2023/12/Diesner_echo_30437_011-scaled.jpg17082560Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2023-12-22 11:32:222023-12-22 11:32:24Für den Zauber der Bühne
Die von einem Mutter-Tochter-Gespann geführte Galerie · bei der Albertina ·Zetter feiert ihr 50-jähriges Bestehen mit drei besonderen Ausstellungen und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als eine der weltweit ersten Adressen für Wiener Jugendstil und Kunst der Wiener Werkstätte profiliert.
Sie haben den Wiener Kunsthandel wesentlich geprägt: Christa Zetter und Katharina Zetter-Karner. 1973 von der jungen Kunststudentin Christa Zetter gegründet, zählt die Galerie · bei der Albertina · Zetter heute, nach inhaltlicher und räumlicher Erweiterung auf 400 m2 auf drei Etagen, zu den wichtigsten Galerien im Wiener Kunstviertel. Das Galerieprogramm umfasst viele international bedeutende Künstler*innen wie Josef Hoffmann, Kolo Moser, Gustav Klimt, Egon Schiele, Friedensreich Hundertwasser, Kiki Kogelnik, Oskar Kokoschka, Maria Lassnig, Alfons Walde, Fritz Wotruba, Joannis Avramidis, Christian Ludwig Attersee u. v. m. Seit 2003 führt Tochter Katharina Zetter-Karner die Galerie gleichermaßen traditionsbewusst wie zukunftsorientiert fort.
wienlive:War es nicht ein großes Wagnis, damals eine Galerie zu gründen?
Christa Zetter: Nein, es war kein großes Wagnis für mich. Es war immer schon angedacht, dass ich das Geschäft meiner Eltern übernehmen sollte. Ich war bereits mit allem Geschäftlichen vertraut. Im Familienleben spielte das Geschäft eine große Rolle, jedoch die Inhalte sollten sich ändern, daher wurde der Name Galerie bei der Albertina gewählt.
Mit welchen Herausforderungen waren Sie konfrontiert?
Die inhaltliche Neuausrichtung hin zum Jugendstil war am Anfang durchaus schwierig. Der Jugendstil war damals am Kunstmarkt noch lange nicht so etabliert wie heute. Man musste erst eine Bühne für ihn schaffen.
Warum wollten Sie das kleine Antiquitätengeschäft Ihrer Mutter nicht weiterführen?
Ich interessierte mich sehr für das österreichische Kunstgeschehen des 20. Jahrhunderts und wollte diese Zeit erfassen. Um ein Konzept für die Galerie zu finden und meinem Interesse für die österreichische Moderne folgend, habe ich mich dazu entschieden, das Geschäft nicht in der bisherigen Art weiterzuführen. Das Warenlager wurde abverkauft (es bestand aus Trachtenstoffen, Stilkopien, Lustern, Appliken, Spiegeln, Rahmen; handgeschnitzt und vergoldet). 1983 folgte der erste Umbau unter der Leitung des Architekten Boris Podrecca. Die Magazinräume im ersten Stock wurden von der Galerie aus zugänglich gemacht. 1984 kam es zur ersten Ausstellung mit Katalog: „Traum der Kinder – Kinder der Träume“, die das Thema des Gesamtkunstwerks zum Inhalt hatte.
Haben Sie es jemals bereut, nicht selbst Künstlerin geworden zu sein?
Ich habe es nicht bereut. Nachdem ich mein Studium an der Universität für angewandte Kunst abgeschlossen hatte, war für mich klar, dass ich mich mit Kunst beschäftigen wollte. Durch die Gründung der Galerie konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen.
1991 als Teenager haben Sie zusammen mit Kiki Kogelnik Kekse in Kopfform für die Gäste der Vernissage von Kiki Kogelniks erster Personale in der Galerie gebacken. Erinnern Sie sich daran?
Katharina Zetter-Karner: Ich erinnere mich sehr gut daran, Kiki Kogelnik hat mich als Künstlerin und Persönlichkeit sehr beeindruckt. Ihre Keramikmasken haben mich fasziniert und so kam ich auf die Idee, kleine Kunstwerke aus Teig für die Vernis-sage zu machen.
Ihnen wurde die Kunst gleichsam in die Wiege gelegt. War es immer klar, dass Sie die Galerie weiterführen?
Ich bin mit Kunst groß geworden und die Galerie war von Beginn an eine Möglichkeit, die für mich sehr interessant war. Je älter ich wurde und je mehr Einblick ich in das Galerieleben bekommen habe, desto klarer wurde mir, dass ich auch diesen Weg einschlagen will.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Was möchten Sie unbedingt noch verwirklichen?
Ich würde gerne eine Ausstellung mit Amoako Boafo in der Galerie machen und ich will auf einer der ganz großen internationalen Kunstmessen ausstellen.
Ist Wien ein guter Boden für Kunst?
Ja, weil Wien kulturell sehr viel zu bieten hat und daher kunstinteressierte Menschen aus der ganzen Welt zu Besuch kommen.
Hat es Sie niemals beruflich nach New York gezogen?
New York ist eine faszinierende Stadt. Mit 18 habe ich für drei Monate dort gelebt, aber mich in New York dauerhaft niederzulassen, konnte ich mir nie vorstellen.
Sie beide zeichnet ein feines Gespür aus, das Ungewöhnliche und Besondere zu entdecken. Woher kommt das?
Christa Zetter: Durch die intensive Beschäftigung mit der Kunst des 20. Jahrhunderts entwickelte sich über die Jahre ein tiefes Verständnis für diese Kunstwerke und schuf die Brücke zur Kunst des 21. Jahrhunderts. Dieses Verständnis ist enorm wichtig, denn man darf Kunst nicht nur kommerziell bewerten, sondern man sollte verstehen, was ein Kunstwerk einem sagen will. Es gibt Inhalte und es gibt technische Lösungen dafür, und es ist sehr interessant, sich hier eine eigene Meinung zu bilden.
Katharina Zetter-Karner: Ich glaube, dass die Art, wie man aufwächst, großen Einfluss auf die eigene Entwicklung hat, und ich war immer von Kunst umgeben, da entwickelt man ein Gespür dafür.
Warum legen Sie den Schwerpunkt auf Jugendstil und die Wiener Werkstätte?
Christa Zetter: Zur Gründungszeit erlebten der Wiener Jugendstil und das Kunsthandwerk der Wiener Werkstätte großes internationales Interesse. Die ganze Epoche des Jugendstils wurde nach Jahrzehnten des Schlummerns kunsthistorisch neu erforscht und aus dem Dornrös-chenschlaf geweckt. Daher bot es sich für die damals junge Galerie an, diese Strömung aufzugreifen und das Konzept des Gesamtkunstwerks, welches für den Jugendstil maßgeblich ist, umzusetzen.
Katharina Zetter-Karner: Den Schwerpunkt auf den Wiener Jugendstil wollte ich immer beibehalten, weil Wien um 1900 Zentrum der Moderne war und prägend für viele Künstlergenerationen danach. Ich war auch immer von der Idee des Gesamtkunstwerks begeistert.
Sind Sie sich immer einig, wenn es um den Ankauf von Kunstwerken oder um Ausstellungen geht?
Christa Zetter: Da ich mich bereits aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe, und meine Tochter mittlerweile auch über jahrelange Erfahrung verfügt, gibt es da keine Probleme.
Katharina Zetter-Karner: Auch wenn meine Mutter sich schon länger aus dem Geschäft zurückgezogen hat, frage ich sie dennoch manchmal nach ihrer Meinung. Wir sind uns meistens einig, und wenn es einmal nicht der Fall ist, diskutieren wir darüber. Das ist ein wichtiger und interessanter Austausch.
Was haben Sie von Ihrer Mutter gelernt?
Christa Zetter: Lebensweisheiten, wie zum Beispiel ,,Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‘‘, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Entscheidungen zu treffen.
Katharina Zetter-Karner: Dass die Qualität an erster Stelle stehen muss, vor kommerziellen Überlegungen.
Seit Generationen ist Ihre Familie sehr kunstaffin. Worüber wird beim Familientreffen gesprochen?
Christa Zetter: In erster Linie wird natürlich über Familiäres gesprochen, das aktuelle Kunstgeschehen lässt sich jedoch auch nicht ganz unterdrücken.
Katharina Zetter-Karner: Ein Großteil der Familie ist in der Kunstbranche tätig. Ich finde es sehr schön, sich innerhalb der Familie über die Geschehnisse im Galerieleben austauschen zu können, und das geschieht bei Familientreffen auch immer wieder, aber meist steht das Private im Vordergrund.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2023/12/Xenia-Hausner.jpg12661772wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2023-12-22 11:20:042023-12-22 11:20:08Frauenpower in der Kunstszene
Liedermacher Voodoo Jürgensentwickelte mit Regisseur Adrian Goiginger den Musikfilm RICKERL, in dem er einen traumtänzerischen Wiener Sänger und Vater spielt. Beim Interview im Café Weidinger erzählt der Austropopstar über den Film und seine Karriere.
Heite grob ma Tote aus“: Mit dieser – auf FM4 viel gespielten – Single im breiten Wiener Dialekt wurde Voodoo Jürgens 2016 schlagartig berühmt. Es folgten die Alben „Ansa Woar“, „’S klane Glücksspiel“ und zuletzt 2022 „Wie die Nocht noch jung wor“, sowie zahlreiche Auftritte in Österreich und Deutschland. In der Theaterproduktion mit Stephanie Sargnagel spielte er im Rabenhof und sogar im „Tatort“ hatte er einen Gastauftritt. In „RICKERL – Musik is höchstens a Hobby“ spielt er aber seine erste Hauptrolle in einem Film. Wobei der Streifen von Adrian Goiginger (Regisseur u.a. von „Die beste aller Welten“ und „Der Fuchs“) doch ein bisschen autobiografisch geworden ist. Der Plot wurde bei vielen Gesprächen entwickelt, das Drehbuch schrieb aber Goiginger selbst.
„RICKERL“ erzählt die Geschichte eines Wiener Musikers, der seinen Job auf einem Friedhof verliert – Voodoo Jürgens hat auch einmal in diesem Gewerbe gearbeitet – und jetzt als Musiker über die Runden kommen muss. Er besitzt zwar schon viele auf Schmierzettel geschriebene Songs, aber Selbstvermarktung gehört zweifelsohne nicht zu seinen Talenten. Als Musikmanager mit Herz hat der Schriftsteller Georg Biron einen Gastauftritt.
Zum eigentlichen Movens des Films wird allerdings Rickerls Beziehung zu seinem Sohn, der nach der Trennung bei seiner Mutter und dessen neuen Partner lebt. Der etwas chaotische Rickerl verliert seinen ihn innigst liebenden – von Ben Winkler sehr authentisch dargestellten – Sohn zwischendurch. Ausgespart wird auch nicht das zwiespältige Verhältnis des Protagonisten zu seinem sich immer auf der Suche nach Geld befindenden Spieler-Vater.
Und während üblicherweise bei einem Musikfilm der Durchbruch des Stars das Grande Finale bildet, verweigert RICKERL das A-Star-Is-Born-Happy-End.
Helmut Schneider: Waren Sie Autodidakt beim Schreiben und in der Musik?
Voodoo Jürgens: Ja, mein Großvater war ein Sportler und ich bin dann auch in eine Sportschule gegangen. Kunst und Kultur waren lang gar kein Thema in unserer Familie. Ich bin damals ziemlich viel Skateboard gefahren. Das Gitarrespielen habe ich mir beigebracht, damit ich Lieder singen kann.
Im Film ist Autobiografisches dabei. Sie waren auch Friedhofsgärtner …
Ich habe dem Adrian – meistens hier im Weidinger – viele Geschichten erzählt. Aber wir wollten beide nicht meine Biografie machen, wenngleich einige Anekdoten dann doch in den Film gekommen sind.
Der Sohn ist sehr präsent. Haben Sie selbst Kinder?
Ich habe eine Tochter, aber die Idee, ein Kind in die Handlung einzubauen, ist von Adrian gekommen.
Im klassischen Künstlerfilm hat ja der Künstler zwar am Anfang keinen Erfolg, aber dann wird er entdeckt. Das wird bei RICKERL verweigert, warum?
Genau das war mir wichtig. Ich wollte eine Geschichte erzählen, wo das zumindest offen bleibt. Eben keine 0815-Erfolgsstory. Ich kenne ja viele, die es probieren und hart daran arbeiten und bei denen es niemals aufgeht. Ich wollte auf keinen Fall vermitteln, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt.
Was war Ihnen noch wichtig?
Es ist ja ein sehr schmaler Grat, wo etwas kitschig, das Wienerische platt wird und in Klischees abdriftet. Auch die Schauplätze im Film sind keine Ansichtskartensujets von Wien.
Wo in Wien fühlen Sie sich persönlich am wohlsten? Ihr Klischee wären ja die Beisln …
Ich bin jetzt eher weniger in Beisln als früher. Es gibt ja auch immer weniger Beisln. Aber dieses Gefühl, dass an einem Ort die Zeit stehen geblieben ist, mag ich schon sehr.
Sie sind sehr viel auf Tournee, auch in Deutschland – werden Sie da überhaupt verstanden?
Ich bin sogar mehr in Deutschland unterwegs als in Österreich, weil es dort mehr Auftrittsmöglichkeiten gibt. Im bayerischen Raum werde ich gut verstanden. Im Norden wird die Textebene natürlich weniger wichtig, aber die Band gleicht das dann gut aus. Da geht es dann mehr um das Feeling, das ich vermitteln kann.
Der klassische Spruch, den ich dann oft in Deutschland höre, lautet dann: „Kein Wort verstanden, aber richtig geil!“
Ich habe aber schon das Gefühl, dass bei meinen Konzerten mehr rüberkommt, als es den Leuten wirklich bewusst ist. Meine Texte lassen sich über die Musik schon gut vermitteln. Mir geht das ja genauso manchmal bei amerikanischen Songs, wo ich auch nicht immer so auf den Text achte.
Voodoo Jürgens ist natürlich eine Kunstfigur, Sie stehen ja für ein gewisses Lebensgefühl?
Ja, deswegen habe ich ja auch ein Pseudonym gewählt. Das hat sich natürlich erst entwickelt. Der Voodoo ist quasi eine Version von mir, bei der ich mehr draufdrücke.
Sie sind in Tulln aufgewachsen, aber schon lange in Wien. Fühlen Sie sich inzwischen als Wiener?
Ja, klar. Ich habe mit 15 in Wien eine Lehre angefangen, lebe also schon lange hier. Für mich war aber schon lange vorher klar, dass ich Tulln verlassen würde.
Der Schriftsteller Georg Biron spielt auch im Film mit, wie ist das entstanden?
Lustigerweise hat Adrian das Drehbuch in seinem Salzburger Heimatdialekt geschrieben und so brauchten wir jemanden, der das ins Wienerische übersetzt. Für mich war das neben der Musik nicht machbar und so ist der Georg eingesprungen und hat dann auch gleich eine kleine Rolle übernommen.
Der Film scheint aus der Zeit gefallen, es tauchen zwar Handys auf, aber auch Schreibmaschinen und Kassettenrekorder. War das gewollt?
Na ja, es gibt durchaus auch heute Menschen – zu denen auch ich gehöre –, die auf das Analoge, das Haptische abfahren. Und der Rickerl ist eben so einer.
Der Hauptkonflikt ist aber die Geschichte mit dem Sohn …
Der Rickerl muss eben schauen, wo er seinen Platz findet – er hat ja eine Trennung hinter sich, ist arbeitslos. Und in seiner Rolle als Vater ist er sich genauso unsicher wie beim Musizieren.
In einer Szene gibt es eine Schlägerei auf einer Hochzeit, wo der Rickerl spielt. Haben Sie so etwas schon erlebt?
Ja, tatsächlich – aber in meiner Kindheit, wo ich mit den Eltern bei einer Hochzeit war und irgendwer die Braut angebraten hat. Da gab es dann eine Schlägerei.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2023/12/VoodooBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2023-12-15 12:17:552023-12-15 12:40:14Rickerls Wien – Voodoo Jürgens über seine erste Rolle und seine Karriere
Constanze Scheib schreibt erfolgreich Krimis um eine unternehmungslustige „Gnä’ Frau“ samt Dienstmädchen in den 70er-Jahren in Wien. Zur Kriminacht am 10. Oktober erscheint ihr neuester Fall.
Constanze Scheib wollte schon immer schreiben – schließlich war auch ihre Mutter Schriftstellerin, doch nach der Matura zog es sie erstmals auf die Bühne. Nach einer Ausbildung als Schauspielerin spielte sie unter anderem im Gloria Theater und bei der Komödie am Kai. Doch spätestens nach der zweiten Geburt mit Zwillingen konnte sie ihre Zeit nicht mehr so einteilen, wie sie wollte. Und so kam sie wieder auf ihre erste Leidenschaft – das Schreiben – zurück. Sie schrieb zum Teil unter Pseudonym Grusel- und Horrorgeschichten und immer lieber auch phantastische Krimis. So ließ sie etwa ein von einem Dämon besessenes Meerschweinchen im Chicago der 1930er-Jahre Wienerisch reden.
Vor fünf Jahren erfand sie dann ein ganz besonderes Ermittlerduo, nämlich eine reiche Dame aus Hietzing – die „Gnä’ Frau“ Ehrenstein und ihr Dienstmädchen Marie und siedelte das im – noch etwas trüben – Wien der 1970er-Jahre an.
wienlive: Sie haben immer schon geschrieben?
Constanze Scheib: Ja, meine Mutter hat ja ihren Lebensunterhalt als Autorin verdient. Das Schreiben war also etwas Natürliches, fast Alltägliches für mich. Ich hab immer Kurzgeschichten geschrieben und als Schauspielerin sogar kurze Theaterstücke oder Monologe für mich selbst. Als die Zwillinge da waren, bin ich es dann ernsthafter angegangen, habe Texte bei Verlagen eingereicht und für Anthologien geschrieben.
Zuerst aber Horror und Science Fiction, oder?
Ja, ich mag diese Genres immer noch gerne, die haben etwas sehr Spezielles für mich. Horror, Fantasy, Science Fiction – das ist so eine Ecke, die ich auch jetzt so nebenbei gerne bediene. Aber der Krimi war immer schon meine Leidenschaft. Die erste Erinnerung an Bücher waren die rotschwarzen Agatha-Christie-Bände meiner Mutter – alle schön aufgereiht neben ihrem Bett. Sobald ich lesen konnte, hab ich die dann verschlungen. Mein erster Kontakt zur Buchwelt waren also Krimis.
Was reizt Sie an diesem Genre?
Ein ganzes Paket – das Erste ist natürlich das Rätsellösen, ein Puzzle zusammenzusetzen. Das macht mir ungemein Spaß. Als Autorin besteht die Herausforderung, dieses Puzzle als Ganzes zu haben und dann in kleine Teile zu zerteilen und immer genug zu verraten, dass der Leser sich nicht langweilt – aber eben auch nicht zu viel zu verraten, denn man soll ja rätseln.
Sie haben die gesamte Geschichte schon im Kopf, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen?
Ja, meistens ist es bei mir so, dass ich mich schon länger darauf vorbereitet habe. Ich überlege mir: wo soll es spielen, worum soll es gehen, welche Figuren hätte ich gerne dabei, die auch mir beim Schreiben Spaß machen – und schließlich, welche Art von Verbrechen es sein soll.
Mit der „Gnä’ Frau“ ist Ihnen eine besondere Figur gelungen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine reiche Hietzingerin samt Dienstmädchen ermitteln zu lassen?
Da ist vieles zusammengekommen. Ich wollte etwas schreiben, das mir besonders Spaß macht. Und das sind einmal die Wiener als sehr spezielle Art Mensch mit ihrem Schmäh, Grant und ihren Ausdrücken – und die Art, wie sie sich verhalten. Dann wollte ich noch Musik, Filme und Whiskey reinverpacken. Und schließlich finde ich die 70er-Jahre als spannendes Jahrzehnt – weil sie auf der einen Seite sehr modern waren mit den Hippies und der Musik, und auf der anderen Seite gab es noch sehr viele traditionsbewusste, ältere Menschen, die von ihren Einstellungen her noch am Anfang des 20. Jahrhunderts verblieben sind. Dieses Aufeinanderprallen in den 70er-Jahren fand ich total spannend.
Sie sind 1979 geboren, haben die 70er-Jahre ja gar nicht erlebt, wie haben Sie sich da herangetastet?
Am liebsten recherchiere ich, indem ich mit Menschen rede, die das damals erlebt haben. Da bekomme ich immer auch viele Geschichten. Aber natürlich habe ich auch Bücher darüber gelesen und Videos angeschaut. Es gibt ein paar Dokus über einzelne Stadtteile. Was ich auch liebe: Ich kaufe Originalmagazine aus dieser Zeit, für die „Gnä’ Frau“ nehme ich da etwa alle Frauenzeitschriften – da erfahre ich, welche Stars und Musiker damals gefragt waren. Gerade weil ich es nicht erlebt habe, kann ich das alles neu entdecken.
Ich nehme auch nicht an, dass Sie mit Dienstmädchen aufgewachsen sind, oder?
Nein, das war vielleicht ein bisschen eine Wunschvorstellung – es wäre ja schön in einer riesigen Villa in Hietzing zu leben mit Personal, das sich um mich kümmert. Andererseits ist das auch meiner Liebe zu den britischen Krimis geschuldet. Dort war ganz selbstverständlich immer ein Butler oder ein Hausmädchen dabei.
Wie wichtig war Ihnen, dass Frauen ermitteln?
Das war definitiv etwas, über das ich gerne schreiben wollte. Außerdem wollte ich eine Frauenfreundschaft zeigen, die ganz speziell ist. Eine Freundschaft, die man nicht erwarten würde – denn es ist ja die Dienstherrin und das Dienstmädchen –, aber sie sind nicht so weit vom Alter her entfernt, die „Gnä’ Frau“ ist 32 und das Mädchen 22. Sie begegnen einander mit Respekt und unterstützen sich gegenseitig. Das war mir sehr wichtig, eine weibliche Ermittlerin, die dazulernt, und eine Freundin, die sie dabei unterstützt.
Humor kommt auch nicht zu kurz in dieser Reihe …
Ja, dieser Wiener Schmäh und die ungewöhnlichen Satzstellungen des Wienerischen. Ich habe ja einen Schweizer Verlag und eine deutsche Lektorin. Die Lektorin hat da öfters nachgefragt, ob denn das wirklich so sein soll … Und ich habe erklärt: Ja, das ist die Art, wie die Wiener reden. Beim ersten Buch hatten wir noch kein Glossar und da kam die Reaktion einiger Leser, dass sie es zwar verstanden haben, aber manche Wörter gerne erklärt hätten. Und so erscheinen die „Gnä’ Frau“-Krimis immer mit Glossar.
Sie waren schon mehrmals bei der Kriminacht. Was ist das Besondere für Sie?
Das ist so toll, ich war ja schon vorher sehr oft als Besucherin bei der Kriminacht. Als ich dann mit meiner ersten „Gnä’ Frau“ lesen durfte, ist da wirklich ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Meine zwei Lesungen bisher waren ein Erlebnis, denn im Kaffeehaus die „Gnä’ Frau“ zu lesen, mit den vielen Wienerischen Ausdrücken, war etwas ganz Besonderes. Die Zuschauer leben da richtig mit, denn die Stimmung ist einfach gelöster als anderswo – die Gäste trinken ihre Melange oder ihren Prosecco, das ergibt eine ganz spezielle Atmosphäre.
Constanze Scheib wird ihren neuen Krimi (siehe oben) bei der Kriminacht am 10. Oktober erstmals präsentieren. Und zwar in der Hauptbücherei Wien am Gürtel. „Mord im Dreivierteltakt“ beginnt mit dem Besuch der Gnä’ Frau und ihres Mannes am noblen Philharmonikerball 1973 und spielt in der Theaterwelt, wo eine Diva erpresst wird.
Alle Infos zur Kriminacht in den Kaffeehäusern: kriminacht.at
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2023/09/ScheibBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2023-09-29 09:31:432023-09-29 09:31:46Constanze Scheib liest bei der Kriminacht 2023
Josip Susnjaras SHI-Group feiert demnächst 25-jähriges Jubiläum. Der Wirtschaftsexperte baute ein Imperium auf und ist heute federführend im Kulturtourismus. Susnjaras Leistung für Wien ist enorm: Klassik-Konzerte und Events locken Touristen von Deutschland bis Japan in die Stadt und sorgen dafür, dass Wien in der ganzen Welt als Zentrum der klassischen Musik wahrgenommen wird. Der Spitzenunternehmer, der u.a. den Kursalon Hübner am Stadtpark betreibt, im Interview.
Er spricht schnell und mit großer Begeisterung, in seinen Ansagen ist er extrem exakt und zielgerichtet. Der leichte Akzent von Josip Susnjara geht im Stakkato seiner Ausführungen unter. Der gebürtige Kroate aus Pula kam zum Wirtschaftsstudium nach Wien, blieb und blickt auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte zurück. In den vergangenen Jahrzehnten baute er eine vielseitige Firmengruppe auf. Heute, kurz vor dem 25-Jahr-Jubiläum, dirigiert Susnjara die SHI-Group, die mittlerweile zehn Firmen, diverse Beteiligungen und elf Internetportale umfasst und deren alleiniger Eigentümer der Geschäftsmann ist.
Mehr als 200 MitarbeiterInnen sind in den Unternehmen tätig, die dafür sorgen, dass Wien in der Welt als Hauptstadt der klassischen Musik wahrgenommen wird: über 500 Kulturevents und Konzerte veranstaltet Susnjara jährlich in Wien, u. a. in dem von ihm betriebenen Kursalon und dem aus dem Dornröschenschlaf erweckten Gastronomiebetrieb in der Gloriette, aber etwa auch im regelmäßig angemieteten Konzerthaus und anderen namhaften Kulturhäusern. Getrieben von Innovationsgeist und Kreativität holte Susnjara u. a. auch die internationale Wiener Kunstmesse vienna contemporary in den Kursalon am Stadtpark, die heuer vom 7.bis 10. September dort residiert.
Im Interview spricht der Spitzenunternehmer über seinen Aufstieg und seinen Antrieb und er sagt, ob er den Kursalon am Stadtpark weiter betreiben will.
wienlive: Heute dirigieren Sie eine Firmengruppe und blicken auf fast 25 erfolgreiche Jahre zurück. Wie hat alles begonnen?
JOSIP SUSNJARA: Ich komme aus Pula in Kroatien, eine touristische Stadt, mir wurde Tourismus quasi in die Wiege gelegt. Mit 14 Jahren habe ich am Bahnhof auf Rucksacktouristen gewartet und mein Zimmer vermietet, die Einnahmen habe ich mit meiner Mutter geteilt. Ich habe Airbnb also quasi erfunden. (Lacht) Ich bin dann nach Wien gekommen, um Wirtschaft zu studieren, habe mich mit Jobs durchgeschlagen, u. a. habe ich Souvlaki in einem griechischen Restaurant gegrillt. Obwohl ich mich studienmäßig ursprünglich auf Exportwirtschaft und Handel konzentriert habe, hat mich der Tourismus nie losgelassen. Mir war klar, dass Wien eine Kulturstadt ist und dass sie Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Viele kommen vor allem wegen der klassischen Musik, Mozart und Strauss sind eng mit Wien verbunden. Ich habe damals rasch erkannt, dass in Wien etwas fehlt: im Sommer, wenn die meisten Touristen da sind, haben Kulturinstitutionen wie Staatsoper und Volksoper Sommerpause. Es gab also viel Nachfrage ohne qualitativ hochwertiges Angebot. Um diese Lücke zu schließen, habe ich die Konzertagentur „Sound of Vienna“ gegründet. Für die künstlerische Leitung habe ich den langjährigen Konzertmeister der Wiener Volksoper, Professor Udo Zwölfer, engagiert, ein qualitativ hochwertiges Orchester aufgestellt, und in der Nationalbibliothek einen Saal gemietet – so hat es begonnen. Mit dem neuen Kulturangebot im Gepäck habe ich mich dann sofort international auf die großen Tourismusmessen begeben. Anfangs wurde ich belächelt, denn dort waren damals in erster Linie große Hotelketten, Transport- und Reiseunternehmen vertreten. Und ich war eine Ein-Mann-Agentur … (Lacht) Heute haben wir touristische Spitzenkompetenz, die sich über viele Jahre entwickelt hat. Wir bieten Konzerte mit klassischer Musik auf höchstem Niveau.
Die Konzerte und Kulturevents finden in großartigen Locations statt, wie etwa im Kursalon Hübner am Stadtpark, den Sie betreiben. Sind Sie stetig auf der Suche nach neuen Spielstätten?
Natürlich finden die Veranstaltungen auch im Kursalon statt, den wir ja seit mehr als 20 Jahren erfolgreich betreiben, eine großartige Location, die sehr gut zu unserem Kulturangebot passt. Aber die SHI-Group ist mittlerweile wesentlich mehr als „Sound of Vienna“, und auch wesentlich mehr als der Kursalon. Wir haben auch andere Unternehmen und Betriebe, wie etwa die Gloriette oder das Schloss-Restaurant Joseph II. in Schönbrunn. Die SHI hält auch mehrere Beteiligungen, etwa an den Eventlocations Palais Berg und Palais Wertheim am Schwarzenbergplatz. Wir sind jedenfalls auf Expansionskurs und halten die Augen nach spannenden Objekten, Projekten und Partnerschaften immer offen.
Konzertagentur, Eventlocations, Immobilien – was sind die Schwerpunkte der SHI-Group?
Wir engagieren uns grundsätzlich in drei Bereichen, die eng miteinander verbunden sind. Neben unseren umfangreichen Freizeit-, Kultur- und Tourismusaktivitäten investieren wir sehr stark in den Bereich Culture Tech. Unser Ziel ist es, die europäische Kulturlandschaft durch neue Technologien zu bereichern. Dazu untersuchen wir, inwieweit wir neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Augmented- und Virtual Reality, oder die Blockchain für Kultur und Tourismus nutzbar machen können. Über unser Startup „Vienna Digital Lab“ haben wir da auch schon einige spannende und zukunftsträchtige Pionierprojekte für internationale Kulturinstitutionen und Künstler umgesetzt. Außerdem sind wir sowohl in Österreich als auch im Ausland im Bereich der Immobilienentwicklung tätig. Hier haben wir unseren Hauptfokus auf „Sonderimmobilien“, die entweder als Eventlocation nutzbar oder eng mit einer touristischen oder kulturellen Nutzung verbunden sind. Wir prüfen aber jedes Projekt individuell, auch außerhalb dieser Bereiche. Wir haben z. B. auch schon große Wohnbauprojekte erfolgreich entwickelt.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis, Ihr Business-Motto?
Henry Ford soll einmal gesagt haben: „Ich prüfe jedes Angebot, es könnte das Angebot meines Lebens sein.“ Diesem Statement kann ich einiges abgewinnen. Wir denken wirtschaftlich und wachstumsorientiert, sind aber auch agil genug, um spontan zu sagen: Das schauen wir uns an, das rechnen wir uns durch. Wichtig ist für mich aber auch: als SHI-Group müssen wir nicht alles allein machen. Wir arbeiten nicht isoliert, sondern verfolgen einen „Open Innovation“ Ansatz. Das heißt: In unseren Kernkompetenzen sind wir sehr, sehr smart, aber es gibt Bereiche, für die wir Input von außen holen, Partner dazu nehmen. Ich bin überzeugt, dass man Projekte mit diesem Ansatz schneller und qualitativ optimal umsetzen kann. Wir suchen also immer nach interessanten, strategischen Partnern. Menschen und Unternehmen, mit denen man sich auf Augenhöhe gemeinsam auf einen Weg macht und partnerschaftlich Projekte umsetzt. Dabei liegt der Fokus natürlich immer auch auf dem wirtschaftlichen Erfolg – für alle Beteiligten.
Apropos Wirtschaftlichkeit: Sie betreiben seit mehr als 20 Jahren sehr erfolgreich den Kursalon Hübner und haben ihn zur Kultlocation gemacht. Jetzt gibt es eine Ausschreibung um die Betreibung ab 2025. Wollen Sie sich zurückziehen?
Es gibt eine Ausschreibung, weil unser Vertrag Anfang 2025 ausläuft. Wir stehen in bestem Einvernehmen mit den Eigentümern und sind von diesen auch herzlich eingeladen, ein Angebot abzugeben. Die Ausschreibung ist bereits länger geplant und für uns natürlich nachvollziehbar: die Eigentümer wollen sich auf dem Markt umschauen, was wirtschaftlich und konzeptionell möglich ist. Als langjähriger Betreiber kennen wir die Location Kursalon natürlich in- und auswendig, mit allen Stärken und Schwächen. Für mich ist der Kursalon eines der schönsten Palais Wiens, ein fantastisches Objekt, aber es ist natürlich auch anspruchsvoll, das Haus wirtschaftlich zu führen.
Werden Sie sich an der Ausschreibung beteiligen?
Der Kursalon ist großartig, aber für uns ist Wirtschaftlichkeit ein zentrales Thema, der Betrieb muss sich rentieren. Es ist also eine Rechenaufgabe, und wenn für uns alle Parameter passen, werden wir ein interessantes Angebot abgeben.
Es heißt, dass bereits Spitzengastronomen an Sie herangetreten sind, die den Kursalon gern mit Ihnen gemeinsam weiterbetreiben würden.
Wir werden tatsächlich immer wieder von Unternehmen angesprochen, die an einer Zusammenarbeit mit der SHI-Group interessiert sind – auch, aber nicht nur den Kursalon betreffend. Das freut uns natürlich, das bestätigt uns in unserer Arbeit und wir prüfen diese Möglichkeiten immer sehr genau. Das heißt, wir sind immer offen für einen spannenden Ideenaustausch und mögliche Partnerschaften. Aber es sollte auch klar sein: Wer den Kursalon allein betreiben will, muss sich an der Ausschreibung beteiligen und sich an die mit der Ausschreibung beauftragte Agentur wenden.
Viele heimische Besucher des Stadtparks würden sich ein ganzjährig durchgehend geöffnetes Kaffeehaus oder Restaurant im Kursalon wünschen. Warum gibt es das nicht?
Bis jetzt war das nicht Teil unseres Geschäftskonzepts. Derzeit prüfen wir unterschiedliche Konzepte, und für die Zukunft ist natürlich nichts ausgeschlossen.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2023/08/42600021.jpg10241545wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2023-08-24 11:46:512023-08-24 11:46:54Der Dirigent des Kultur-Tourismus