Rickerls Wien – Voodoo Jürgens über seine erste Rolle und seine Karriere

Voodoo Jürgens im Café Weidlinger. – ©Stefan Diesner

Liedermacher Voodoo Jürgensentwickelte mit Regisseur Adrian Goiginger den Musikfilm RICKERL, in dem er einen traumtänzerischen Wiener Sänger und Vater spielt. Beim Interview im Café Weidinger erzählt der Austropopstar über den Film und seine Karriere.

Heite grob ma Tote aus“: Mit dieser – auf FM4 viel gespielten – Single im breiten Wiener Dialekt wurde Voodoo Jürgens 2016 schlagartig berühmt. Es folgten die Alben „Ansa Woar“, „’S klane Glücksspiel“ und zuletzt 2022 „Wie die Nocht noch jung wor“, sowie zahlreiche Auftritte in Österreich und Deutschland. In der Theaterproduktion mit Stephanie Sargnagel spielte er im Rabenhof und sogar im „Tatort“ hatte er einen Gastauftritt. In „RICKERL – Musik is höchstens a Hobby“ spielt er aber seine erste Hauptrolle in einem Film. Wobei der Streifen von Adrian Goiginger (Regisseur u.a. von „Die beste aller Welten“ und „Der Fuchs“) doch ein bisschen autobiografisch geworden ist. Der Plot wurde bei vielen Gesprächen entwickelt, das Drehbuch schrieb aber Goiginger selbst.

„Ich wollte auf keinen Fall vermitteln, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt.“

Voodoo Jürgens

„RICKERL“ erzählt die Geschichte eines Wiener Musikers, der seinen Job auf einem Friedhof verliert – Voodoo Jürgens hat auch einmal in diesem Gewerbe gearbeitet – und jetzt als Musiker über die Runden kommen muss. Er besitzt zwar schon viele auf Schmierzettel geschriebene Songs, aber Selbstvermarktung gehört zweifelsohne nicht zu seinen Talenten. Als Musikmanager mit Herz hat der Schriftsteller Georg Biron einen Gastauftritt.

Zum eigentlichen Movens des Films wird allerdings Rickerls Beziehung zu seinem Sohn, der nach der Trennung bei seiner Mutter und dessen neuen Partner lebt. Der etwas chaotische Rickerl verliert seinen ihn innigst liebenden – von Ben Winkler sehr authentisch dargestellten – Sohn zwischendurch. Ausgespart wird auch nicht das zwiespältige Verhältnis des Protagonisten zu seinem sich immer auf der Suche nach Geld befindenden Spieler-Vater. 

Und während üblicherweise bei einem Musikfilm der Durchbruch des Stars das Grande Finale bildet, verweigert RICKERL das A-Star-Is-Born-Happy-End. 

Helmut Schneider: Waren Sie Autodidakt beim Schreiben und in der Musik?

Voodoo Jürgens: Ja, mein Großvater war ein Sportler und ich bin dann auch in eine Sportschule gegangen. Kunst und Kultur waren lang gar kein Thema in unserer Familie. Ich bin damals ziemlich viel Skateboard gefahren. Das Gitarrespielen habe ich mir beigebracht, damit ich Lieder singen kann. 

Im Film ist Autobiografisches dabei. Sie waren auch Friedhofsgärtner …

Ich habe dem Adrian – meistens hier im Weidinger – viele Geschichten erzählt. Aber wir wollten beide nicht meine Biografie machen, wenngleich einige Anekdoten dann doch in den Film gekommen sind. 

Der Sohn ist sehr präsent. Haben Sie selbst Kinder?

Ich habe eine Tochter, aber die Idee, ein Kind in die Handlung einzubauen, ist von Adrian gekommen. 

Im klassischen Künstlerfilm hat ja der Künstler zwar am Anfang keinen Erfolg, aber dann wird er entdeckt. Das wird bei RICKERL verweigert, warum? 

Genau das war mir wichtig. Ich wollte eine Geschichte erzählen, wo das zumindest offen bleibt. Eben keine 0815-Erfolgsstory. Ich kenne ja viele, die es probieren und hart daran arbeiten und bei denen es niemals aufgeht. Ich wollte auf keinen Fall vermitteln, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt.



Rickerl – Musik is höchstens a Hobby. Der Spielfilm von Adrian Goiginger kommt am 19. Jänner in die österreichischen Kinos.

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby. Der Spielfilm von Adrian Goiginger kommt am 19. Jänner in die österreichischen Kinos.

Was war Ihnen noch wichtig? 

Es ist ja ein sehr schmaler Grat, wo etwas kitschig, das Wienerische platt wird und in Klischees abdriftet. Auch die Schauplätze im Film sind keine Ansichtskartensujets von Wien. 

Wo in Wien fühlen Sie sich persönlich am wohlsten? Ihr Klischee wären ja die Beisln …

Ich bin jetzt eher weniger in Beisln als früher. Es gibt ja auch immer weniger Beisln. Aber dieses Gefühl, dass an einem Ort die Zeit stehen geblieben ist, mag ich schon sehr. 

Sie sind sehr viel auf Tournee, auch in Deutschland – werden Sie da überhaupt verstanden?

Ich bin sogar mehr in Deutschland unterwegs als in Österreich, weil es dort mehr Auftrittsmöglichkeiten gibt. Im bayerischen Raum werde ich gut verstanden. Im Norden wird die Textebene natürlich weniger wichtig, aber die Band gleicht das dann gut aus. Da geht es dann mehr um das Feeling, das ich vermitteln kann. 

Der klassische Spruch, den ich dann oft in Deutschland höre, lautet dann: „Kein Wort verstanden, aber richtig geil!“ 

Ich habe aber schon das Gefühl, dass bei meinen Konzerten mehr rüberkommt, als es den Leuten wirklich bewusst ist. Meine Texte lassen sich über die Musik schon gut vermitteln. Mir geht das ja genauso manchmal bei amerikanischen Songs, wo ich auch nicht immer so auf den Text achte. 

Voodoo Jürgens ist natürlich eine Kunstfigur, Sie stehen ja für ein gewisses Lebensgefühl?

Ja, deswegen habe ich ja auch ein Pseudonym gewählt. Das hat sich natürlich erst entwickelt. Der Voodoo ist quasi eine Version von mir, bei der ich mehr draufdrücke.


Voodoo Jürgens mit Ben Winkler als Sohn und Agnes Hausmann als Ex. – ©FILMLADEN Filmverleih


Sie sind in Tulln aufgewachsen, aber schon lange in Wien. Fühlen Sie sich inzwischen als Wiener?

Ja, klar. Ich habe mit 15 in Wien eine Lehre angefangen, lebe also schon lange hier. Für mich war aber schon lange vorher klar, dass ich Tulln verlassen würde.

Der Schriftsteller Georg Biron spielt auch im Film mit, wie ist das entstanden?

Lustigerweise hat Adrian das Drehbuch in seinem Salzburger Heimatdialekt geschrieben und so brauchten wir jemanden, der das ins Wienerische übersetzt. Für mich war das neben der Musik nicht machbar und so ist der Georg eingesprungen und hat dann auch gleich eine kleine Rolle übernommen. 

 Der Film scheint aus der Zeit gefallen, es tauchen zwar Handys auf, aber auch Schreibmaschinen und Kassettenrekorder. War das gewollt?

Na ja, es gibt durchaus auch heute Menschen – zu denen auch ich gehöre –, die auf das Analoge, das Haptische abfahren. Und der Rickerl ist eben so einer. 

Der Hauptkonflikt ist aber die Geschichte mit dem Sohn …

Der Rickerl muss eben schauen, wo er seinen Platz findet – er hat ja eine Trennung hinter sich, ist arbeitslos. Und in seiner Rolle als Vater ist er sich genauso unsicher wie beim Musizieren.

In einer Szene gibt es eine Schlägerei auf einer Hochzeit, wo der Rickerl spielt. Haben Sie so etwas schon erlebt?

Ja, tatsächlich – aber in meiner Kindheit, wo ich mit den Eltern bei einer Hochzeit war und irgendwer die Braut angebraten hat. Da gab es dann eine Schlägerei. 


Informationen & Details zum Film: filminstitut.at

Constanze Scheib liest bei der Kriminacht 2023

Bild: ©Arman Rastegar

Constanze Scheib schreibt erfolgreich Krimis um eine unternehmungslustige „Gnä’ Frau“ samt Dienstmädchen in den 70er-Jahren in Wien. Zur Kriminacht am 10. Oktober erscheint ihr neuester Fall.

Constanze Scheib wollte schon immer schreiben – schließlich war auch ihre Mutter Schriftstellerin, doch nach der Matura zog es sie erstmals auf die Bühne. Nach einer Ausbildung als Schauspielerin spielte sie unter anderem im Gloria Theater und bei der Komödie am Kai. Doch spätestens nach der zweiten Geburt mit Zwillingen konnte sie ihre Zeit nicht mehr so einteilen, wie sie wollte. Und so kam sie wieder auf ihre erste Leidenschaft – das Schreiben – zurück. Sie schrieb zum Teil unter Pseudonym Grusel- und Horrorgeschichten und immer lieber auch phantastische Krimis. So ließ sie etwa ein von einem Dämon besessenes Meerschweinchen im Chicago der 1930er-Jahre Wienerisch reden.

Vor fünf Jahren erfand sie dann ein ganz besonderes Ermittlerduo, nämlich eine reiche Dame aus Hietzing – die „Gnä’ Frau“ Ehrenstein und ihr Dienstmädchen Marie und siedelte das im – noch etwas trüben – Wien der 1970er-Jahre an.

wienlive: Sie haben immer schon geschrieben?

Constanze Scheib: Ja, meine Mutter hat ja ihren Lebensunterhalt als Autorin verdient. Das Schreiben war also etwas Natürliches, fast Alltägliches für mich. Ich hab immer Kurzgeschichten geschrieben und als Schauspielerin sogar kurze Theaterstücke oder Monologe für mich selbst. Als die Zwillinge da waren, bin ich es dann ernsthafter angegangen, habe Texte bei Verlagen eingereicht und für Anthologien geschrieben.

Zuerst aber Horror und Science Fiction, oder?

Ja, ich mag diese Genres immer noch gerne, die haben etwas sehr Spezielles für mich. Horror, Fantasy, Science Fiction – das ist so eine Ecke, die ich auch jetzt so nebenbei gerne bediene. Aber der Krimi war immer schon meine Leidenschaft. Die erste Erinnerung an Bücher waren die rotschwarzen Agatha-Christie-Bände meiner Mutter – alle schön aufgereiht neben ihrem Bett. Sobald ich lesen konnte, hab ich die dann verschlungen. Mein erster Kontakt zur Buchwelt waren also Krimis.

Was reizt Sie an diesem Genre?

Ein ganzes Paket – das Erste ist natürlich das Rätsellösen, ein Puzzle zusammenzusetzen. Das macht mir ungemein Spaß. Als Autorin besteht die Herausforderung, dieses Puzzle als Ganzes zu haben und dann in kleine Teile zu zerteilen und immer genug zu verraten, dass der Leser sich nicht langweilt – aber eben auch nicht zu viel zu verraten, denn man soll ja rätseln.

Sie haben die gesamte Geschichte schon im Kopf, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen?

Ja, meistens ist es bei mir so, dass ich mich schon länger darauf vorbereitet habe. Ich überlege mir: wo soll es spielen, worum soll es gehen, welche Figuren hätte ich gerne dabei, die auch mir beim Schreiben Spaß machen – und schließlich, welche Art von Verbrechen es sein soll.

Mit der „Gnä’ Frau“ ist Ihnen eine besondere Figur gelungen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine reiche Hietzingerin samt Dienstmädchen ermitteln zu lassen?

Da ist vieles zusammengekommen. Ich wollte etwas schreiben, das mir besonders Spaß macht. Und das sind einmal die Wiener als sehr spezielle Art Mensch mit ihrem Schmäh, Grant und ihren Ausdrücken – und die Art, wie sie sich verhalten. Dann wollte ich noch Musik, Filme und Whiskey reinverpacken. Und schließlich finde ich die 70er-Jahre als spannendes Jahrzehnt – weil sie auf der einen Seite sehr modern waren mit den Hippies und der Musik, und auf der anderen Seite gab es noch sehr viele traditionsbewusste, ältere Menschen, die von ihren Einstellungen her noch am Anfang des 20. Jahrhunderts verblieben sind. Dieses Aufeinanderprallen in den 70er-Jahren fand ich total spannend.

Sie sind 1979 geboren, haben die 70er-Jahre ja gar nicht erlebt, wie haben Sie sich da herangetastet?

Am liebsten recherchiere ich, indem ich mit Menschen rede, die das damals erlebt haben. Da bekomme ich immer auch viele Geschichten. Aber natürlich habe ich auch Bücher darüber gelesen und Videos angeschaut. Es gibt ein paar Dokus über einzelne Stadtteile. Was ich auch liebe: Ich kaufe Originalmagazine aus dieser Zeit, für die „Gnä’ Frau“ nehme ich da etwa alle Frauenzeitschriften – da erfahre ich, welche Stars und Musiker damals gefragt waren. Gerade weil ich es nicht erlebt habe, kann ich das alles neu entdecken.

Ich nehme auch nicht an, dass Sie mit Dienstmädchen aufgewachsen sind, oder?

Nein, das war vielleicht ein bisschen eine Wunschvorstellung – es wäre ja schön in einer riesigen Villa in Hietzing zu leben mit Personal, das sich um mich kümmert. Andererseits ist das auch meiner Liebe zu den britischen Krimis geschuldet. Dort war ganz selbstverständlich immer ein Butler oder ein Hausmädchen dabei.

Wie wichtig war Ihnen, dass Frauen ermitteln?

Das war definitiv etwas, über das ich gerne schreiben wollte. Außerdem wollte ich eine Frauenfreundschaft zeigen, die ganz speziell ist. Eine Freundschaft, die man nicht erwarten würde – denn es ist ja die Dienstherrin und das Dienstmädchen –, aber sie sind nicht so weit vom Alter her entfernt, die „Gnä’ Frau“ ist 32 und das Mädchen 22. Sie begegnen einander mit Respekt und unterstützen sich gegenseitig. Das war mir sehr wichtig, eine weibliche Ermittlerin, die dazulernt, und eine Freundin, die sie dabei unterstützt.

Humor kommt auch nicht zu kurz in dieser Reihe …

Ja, dieser Wiener Schmäh und die ungewöhnlichen Satzstellungen des Wienerischen. Ich habe ja einen Schweizer Verlag und eine deutsche Lektorin. Die Lektorin hat da öfters nachgefragt, ob denn das wirklich so sein soll … Und ich habe erklärt: Ja, das ist die Art, wie die Wiener reden. Beim ersten Buch hatten wir noch kein Glossar und da kam die Reaktion einiger Leser, dass sie es zwar verstanden haben, aber manche Wörter gerne erklärt hätten. Und so erscheinen die „Gnä’ Frau“-Krimis immer mit Glossar.

Sie waren schon mehrmals bei der Kriminacht. Was ist das Besondere für Sie?

Das ist so toll, ich war ja schon vorher sehr oft als Besucherin bei der Kriminacht. Als ich dann mit meiner ersten „Gnä’ Frau“ lesen durfte, ist da wirklich ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Meine zwei Lesungen bisher waren ein Erlebnis, denn im Kaffeehaus die „Gnä’ Frau“ zu lesen, mit den vielen Wienerischen Ausdrücken, war etwas ganz Besonderes. Die Zuschauer leben da richtig mit, denn die Stimmung ist einfach gelöster als anderswo – die Gäste trinken ihre Melange oder ihren Prosecco, das ergibt eine ganz spezielle Atmosphäre.

Constanze Scheib wird ihren neuen Krimi (siehe oben) bei der Kriminacht am 10. Oktober erstmals präsentieren. Und zwar in der Hauptbücherei Wien am Gürtel. „Mord im Dreivierteltakt“ beginnt mit dem Besuch der Gnä’ Frau und ihres Mannes am noblen Philharmonikerball 1973 und spielt in der Theaterwelt, wo eine Diva erpresst wird.

Alle Infos zur Kriminacht in den Kaffeehäusern: kriminacht.at

Der Dirigent des Kultur-Tourismus

Bild: ©Sound of Vienna Konzertveranstaltungs GmbH/Mario Berger

Josip Susnjaras SHI-Group feiert demnächst 25-jähriges Jubiläum. Der Wirtschaftsexperte baute ein Imperium auf und ist heute federführend im Kulturtourismus. Susnjaras Leistung für Wien ist enorm: Klassik-Konzerte und Events locken Touristen von Deutschland bis Japan in die Stadt und sorgen dafür, dass Wien in der ganzen Welt als Zentrum der klassischen Musik wahrgenommen wird. Der Spitzenunternehmer, der u.a. den Kursalon Hübner am Stadtpark betreibt, im Interview.

Er spricht schnell und mit großer Begeisterung, in seinen Ansagen ist er extrem exakt und zielgerichtet. Der leichte Akzent von Josip Susnjara geht im Stakkato seiner Ausführungen unter. Der gebürtige Kroate aus Pula kam zum Wirtschaftsstudium nach Wien, blieb und blickt auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte zurück. In den vergangenen Jahrzehnten baute er eine vielseitige Firmengruppe auf. Heute, kurz vor dem 25-Jahr-Jubiläum, dirigiert Susnjara die SHI-Group, die mittlerweile zehn Firmen, diverse Beteiligungen und elf Internetportale umfasst und deren alleiniger Eigentümer der Geschäftsmann ist.

Mehr als 200 MitarbeiterInnen sind in den Unternehmen tätig, die dafür sorgen, dass Wien in der Welt als Hauptstadt der klassischen Musik wahrgenommen wird: über 500 Kulturevents und Konzerte veranstaltet Susnjara jährlich in Wien, u. a. in dem von ihm betriebenen Kursalon und dem aus dem Dornröschenschlaf erweckten Gastronomiebetrieb in der Gloriette, aber etwa auch im regelmäßig angemieteten Konzerthaus und anderen namhaften Kulturhäusern. Getrieben von Innovationsgeist und Kreativität holte Susnjara u. a. auch die internationale Wiener Kunstmesse vienna contemporary in den Kursalon am Stadtpark, die heuer vom 7.bis 10. September dort residiert.

©Dominik Gajda

Im Interview spricht der Spitzenunternehmer über seinen Aufstieg und seinen Antrieb und er sagt, ob er den Kursalon am Stadtpark weiter betreiben will.

wienlive: Heute dirigieren Sie eine Firmengruppe und blicken auf fast 25 erfolgreiche Jahre zurück. Wie hat alles begonnen?

JOSIP SUSNJARA: Ich komme aus Pula in Kroatien, eine touristische Stadt, mir wurde Tourismus quasi in die Wiege gelegt. Mit 14 Jahren habe ich am Bahnhof auf Rucksacktouristen gewartet und mein Zimmer vermietet, die Einnahmen habe ich mit meiner Mutter geteilt. Ich habe Airbnb also quasi erfunden. (Lacht) Ich bin dann nach Wien gekommen, um Wirtschaft zu studieren, habe mich mit Jobs durchgeschlagen, u. a. habe ich Souvlaki in einem griechischen Restaurant gegrillt. Obwohl ich mich studienmäßig ursprünglich auf Exportwirtschaft und Handel konzentriert habe, hat mich der Tourismus nie losgelassen. Mir war klar, dass Wien eine Kulturstadt ist und dass sie Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Viele kommen vor allem wegen der klassischen Musik, Mozart und Strauss sind eng mit Wien verbunden. Ich habe damals rasch erkannt, dass in Wien etwas fehlt: im Sommer, wenn die meisten Touristen da sind, haben Kulturinstitutionen wie Staatsoper und Volksoper Sommerpause. Es gab also viel Nachfrage ohne qualitativ hochwertiges Angebot. Um diese Lücke zu schließen, habe ich die Konzertagentur „Sound of Vienna“ gegründet. Für die künstlerische Leitung habe ich den langjährigen Konzertmeister der Wiener Volksoper, Professor Udo Zwölfer, engagiert, ein qualitativ hochwertiges Orchester aufgestellt, und in der Nationalbibliothek einen Saal gemietet – so hat es begonnen. Mit dem neuen Kulturangebot im Gepäck habe ich mich dann sofort international auf die großen Tourismusmessen begeben. Anfangs wurde ich belächelt, denn dort waren damals in erster Linie große Hotelketten, Transport- und Reiseunternehmen vertreten. Und ich war eine Ein-Mann-Agentur … (Lacht) Heute haben wir touristische Spitzenkompetenz, die sich über viele Jahre entwickelt hat. Wir bieten Konzerte mit klassischer Musik auf höchstem Niveau.

Die Konzerte und Kulturevents finden in großartigen Locations statt, wie etwa im Kursalon Hübner am Stadtpark, den Sie betreiben. Sind Sie stetig auf der Suche nach neuen Spielstätten?

Natürlich finden die Veranstaltungen auch im Kursalon statt, den wir ja seit mehr als 20 Jahren erfolgreich betreiben, eine großartige Location, die sehr gut zu unserem Kulturangebot passt. Aber die SHI-Group ist mittlerweile wesentlich mehr als „Sound of Vienna“, und auch wesentlich mehr als der Kursalon. Wir haben auch andere Unternehmen und Betriebe, wie etwa die Gloriette oder das Schloss-Restaurant Joseph II. in Schönbrunn. Die SHI hält auch mehrere Beteiligungen, etwa an den Eventlocations Palais Berg und Palais Wertheim am Schwarzenbergplatz. Wir sind jedenfalls auf Expansionskurs und halten die Augen nach spannenden Objekten, Projekten und Partnerschaften immer offen.

Konzertagentur, Eventlocations, Immobilien – was sind die Schwerpunkte der SHI-Group?

Wir engagieren uns grundsätzlich in drei Bereichen, die eng miteinander verbunden sind. Neben unseren umfangreichen Freizeit-, Kultur- und Tourismusaktivitäten investieren wir sehr stark in den Bereich Culture Tech. Unser Ziel ist es, die europäische Kulturlandschaft durch neue Technologien zu bereichern. Dazu untersuchen wir, inwieweit wir neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Augmented- und Virtual Reality, oder die Blockchain für Kultur und Tourismus nutzbar machen können. Über unser Startup „Vienna Digital Lab“ haben wir da auch schon einige spannende und zukunftsträchtige Pionierprojekte für internationale Kulturinstitutionen und Künstler umgesetzt. Außerdem sind wir sowohl in Österreich als auch im Ausland im Bereich der Immobilienentwicklung tätig. Hier haben wir unseren Hauptfokus auf „Sonderimmobilien“, die entweder als Eventlocation nutzbar oder eng mit einer touristischen oder kulturellen Nutzung verbunden sind. Wir prüfen aber jedes Projekt individuell, auch außerhalb dieser Bereiche. Wir haben z. B. auch schon große Wohnbauprojekte erfolgreich entwickelt.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis, Ihr Business-Motto?

Henry Ford soll einmal gesagt haben: „Ich prüfe jedes Angebot, es könnte das Angebot meines Lebens sein.“ Diesem Statement kann ich einiges abgewinnen. Wir denken wirtschaftlich und wachstumsorientiert, sind aber auch agil genug, um spontan zu sagen: Das schauen wir uns an, das rechnen wir uns durch. Wichtig ist für mich aber auch: als SHI-Group müssen wir nicht alles allein machen. Wir arbeiten nicht isoliert, sondern verfolgen einen „Open Innovation“ Ansatz. Das heißt: In unseren Kernkompetenzen sind wir sehr, sehr smart, aber es gibt Bereiche, für die wir Input von außen holen, Partner dazu nehmen. Ich bin überzeugt, dass man Projekte mit diesem Ansatz schneller und qualitativ optimal umsetzen kann. Wir suchen also immer nach interessanten, strategischen Partnern. Menschen und Unternehmen, mit denen man sich auf Augenhöhe gemeinsam auf einen Weg macht und partnerschaftlich Projekte umsetzt. Dabei liegt der Fokus natürlich immer auch auf dem wirtschaftlichen Erfolg – für alle Beteiligten.

©Sound of Vienna Konzertveranstaltungs GmbH

Apropos Wirtschaftlichkeit: Sie betreiben seit mehr als 20 Jahren sehr erfolgreich den Kursalon Hübner und haben ihn zur Kultlocation gemacht. Jetzt gibt es eine Ausschreibung um die Betreibung ab 2025. Wollen Sie sich zurückziehen?

Es gibt eine Ausschreibung, weil unser Vertrag Anfang 2025 ausläuft. Wir stehen in bestem Einvernehmen mit den Eigentümern und sind von diesen auch herzlich eingeladen, ein Angebot abzugeben. Die Ausschreibung ist bereits länger geplant und für uns natürlich nachvollziehbar: die Eigentümer wollen sich auf dem Markt umschauen, was wirtschaftlich und konzeptionell möglich ist. Als langjähriger Betreiber kennen wir die Location Kursalon natürlich in- und auswendig, mit allen Stärken und Schwächen. Für mich ist der Kursalon eines der schönsten Palais Wiens, ein fantastisches Objekt, aber es ist natürlich auch anspruchsvoll, das Haus wirtschaftlich zu führen.

Werden Sie sich an der Ausschreibung beteiligen?

Der Kursalon ist großartig, aber für uns ist Wirtschaftlichkeit ein zentrales Thema, der Betrieb muss sich rentieren. Es ist also eine Rechenaufgabe, und wenn für uns alle Parameter passen, werden wir ein interessantes Angebot abgeben.

Es heißt, dass bereits Spitzengastronomen an Sie herangetreten sind, die den Kursalon gern mit Ihnen gemeinsam weiterbetreiben würden.

Wir werden tatsächlich immer wieder von Unternehmen angesprochen, die an einer Zusammenarbeit mit der SHI-Group interessiert sind – auch, aber nicht nur den Kursalon betreffend. Das freut uns natürlich, das bestätigt uns in unserer Arbeit und wir prüfen diese Möglichkeiten immer sehr genau. Das heißt, wir sind immer offen für einen spannenden Ideenaustausch und mögliche Partnerschaften. Aber es sollte auch klar sein: Wer den Kursalon allein betreiben will, muss sich an der Ausschreibung beteiligen und sich an die mit der Ausschreibung beauftragte Agentur wenden.

Viele heimische Besucher des Stadtparks würden sich ein ganzjährig durchgehend geöffnetes Kaffeehaus oder Restaurant im Kursalon wünschen. Warum gibt es das nicht?

Bis jetzt war das nicht Teil unseres Geschäftskonzepts. Derzeit prüfen wir unterschiedliche Konzepte, und für die Zukunft ist natürlich nichts ausgeschlossen.


Lesen schafft Autonomie – Interview mit Angelika Hrubesch

Bild: ©Bubu Dujmic

Stark verbreitet und schambehaftet: 1 Million Österreicherinnen und Österreicher können nicht sinnerfassend lesen. Ein Interview mit Angelika Hrubesch, der Leiterin des Alfa-Zentrums in den Wiener Volkshochschulen. 

Bei einem so massiven Problem ist es einigermaßen merkwürdig, dass es so wenig Aktionen gegen den Analphabetismus gibt. Denn es müsste ja das Ziel jeder Regierung sein, das sofort zu ändern. Nun gibt es tatsächlich wenig Informationen zu diesem Themenkomplex. Österreich hat sich erst sehr spät, 2011/2012, an einer internationalen Vergleichsstudie beteiligt und seither wissen wir, dass etwa eine Million der 15- bis 65-Jährigen, ca. 17 Prozent betroffen sind. Es gab damals eine gewisse Aufregung, aber die Diskussionen beschränken sich seither immer auf den 8. September, den Weltalphabetisierungstag. 

Seit 2012 existiert allerdings eine große Initiative des Bundes und der Länder, die „Initiative Erwachsenenbildung“, die Kurse fördert. Neben den Volkshochschulen gibt es bundesweit viele Einrichtungen, die Alphabetisierung anbieten. In den Volkshochschulen ist die Basisbildung aber schon mehr als 30 Jahre Teil des Angebots. 

wienlive: Was ist das Hauptproblem?

Angelika Hrubesch: Wir wissen, dass wir viele der Betroffenen kaum erreichen können. Richtige Kampagnen sind in dem Fördervolumen nicht drinnen. An Fernsehspots kann ich mich jedenfalls nicht erinnern.

Ein Vorurteil ist, dass die Betroffenen hauptsächlich Migranten sind. Was ist da dran?

Von den 17 Prozent Betroffenen haben die meisten als Erstsprache Deutsch. Viele glauben dann, das würde v. a. arbeitslose oder sozial benachteiligte Menschen betreffen – das ist allerdings ein Irrtum. Viele der Betroffenen sind berufstätig, manche sogar erfolgreich. Sie sind aber immer in Gefahr, dass jede Änderung im Berufsumfeld für sie das Aus bedeuten könnte. Und: Viele davon sind sehr intelligent, um vielleicht das letzte Vorurteil auszuräumen. 

Das wird im „Vorleser“ ja auch beschrieben. Die Analphabetin soll weitergebildet werden und kündigt dann, weil sie da ja lesen können müsste …

Ja, ich kenne eine Frau, die bei einer Bank gearbeitet hat – in der Reinigung. Und dann hat die Bank die Reinigung ausgelagert. Nun hätte die Reinigungsfirma zwar die Frau übernommen, aber das wäre alles komplizierter geworden – mit mehreren Einsatzgebieten etcetera. Die Bank hätte die Frau sogar als Telefonistin übernommen, aber das hat sie sich eben auch nicht zugetraut. 

Das „Nicht-gut-lesen-Können“ ist nämlich leider sehr schambehaftet. Manche Kampagnen verstärken das sogar – sie sind leider oft skandalisierend – so in der Art „Was, du kannst nicht lesen?“. In der Folge ziehen sich die Betroffenen noch mehr in sich zurück. Zu oft wird nämlich der Mangel an Lesekompetenz auf ein individuelles Versagen zurückgeführt. Also schuld sind immer die Betroffenen …

Ein Versagen besteht allerding beim Schulsystem, denn wie kann es sein, dass die Schulen nach 9 Jahren Menschen entlassen, die nicht ausreichend lesen können?

Genau, allerdings sind da auch die sozialen Bedingungen um die Schule herum Teil des Problems – man kann allerdings sicher nicht Kinder von 6 bis 14 dafür verantwortlich machen, dass sie etwas nicht gelernt haben.   

Was kann die VHS tun, um Betroffene zu erreichen?

Wir bemühen uns, unsere Kurse so niederschwellig wie möglich anzubieten. Wir haben so gut wie immer Beratungszeiten und Sprechstunden, ein Kurseinstieg ist auch fast jederzeit möglich. Oft geht es um den richtigen Zuspruch. Viele, die zu uns kommen, glauben, dass sie die Einzigen sind, die davon betroffen sind und sagen selbst „ich war zu faul“ oder „ich war so ein schlimmer Schüler“. Erst im Kurs bemerken sie, dass sie nicht allein sind. Deshalb ist Mundpropaganda für uns sehr wichtig. 

Aber es ist nicht so, dass manche das Lesen nur verlernt haben, oder? 

Dieses Verlernen ist nur ein Teil des Problems. Ich verwende auch den Begriff Analphabetismus ungerne, weil das so ausschaut, als ob die Betroffenen nur die Buchstaben nicht kennen und es würde reichen, diese 26 Buchstaben zu lernen, um lesen und schreiben zu können. Die Herausforderungen sind aber komplexer. Ich muss Zusammenhänge verstehen, auf Bildschirmen lesen und scrollen können und so weiter.

Wie muss man sich so einen Kurs also vorstellen?

Wir schauen uns immer zuerst an, was die Betroffenen können, denn die meisten, die hier in die Schule gegangen sind, können in unterschiedlichsten Facetten ein bisschen lesen. Manche tun sich wirklich schwer mit den Buchstaben, können aber sehr gut Abschreiben, weil das die Schule trainiert hat. Bei manchen vermuten wir eine nicht erkannte Legasthenie. 

Wichtig ist uns das Arbeiten in der Gruppe, wobei wir bei den Kompetenzen auch individuell arbeiten können. Wir haben also viele Kurse, und zwar von zweimal pro Woche bis zu viermal. Durch die Förderung haben wir sozusagen den Luxus, auch in kleineren Gruppen arbeiten zu können. 

Gibt es zu diesem Problem auch eine wissenschaftliche Forschung innerhalb der Pädagogik?

Der Bereich ist sehr klein – also da ist definitiv noch Luft nach oben. In Deutschland ist es besser, da läuft gerade wieder eine Dekade der Alphabetisierung mit ziemlich vielen Mitteln für die Forschung.

Eigentlich müssten Betriebe ja stark an Lesekampagnen interessiert sein. Sehen Sie da Signale?

Die Sozialpartner sind natürlich an der „Initiative Erwachsenenbildung“ beteiligt. Betriebliche Initiativen für Basisbildung sehe ich leider wenige. Die Firmen regeln das oft auf ihre eigene Weise und sind oft perfekt auf gering Gebildete eingestellt. Ein Beispiel aus dem Bereich Reinigung: Jedes Putzmittel hat eine bestimmte Farbe und der Lappen und die zu putzende Fläche die gleiche Farbe. Besser wäre es selbstverständlich, den Menschen Lernangebote zu machen – bei uns sind Alphabetisierungs-Kurse sogar kostenfrei! 

Abschließend: Warum ist das Lesen-Können so wichtig?

Mit dem Lesen gewinnt man ungeheuer viel Autonomie – viele Türen öffnen sich erst mit dieser Fähigkeit. Und das Lesen von Literatur erschließt uns dann nochmal eine Welt. 


vhs.at

„Ich tue alles, um mein Publikum zu unterhalten“ – T. C. Boyle

T. C. Boyle in Wien – ein Interview mit dem Bestsellerautor aus Santa Barbara.

T. C. Boyles neuer Roman „Blue Skies“ wird weltweit bejubelt. Niemand sonst versteht es, die Auswirkungen der Klimakatastrophe ebenso drastisch wie unterhaltsam anhand einer gewöhnlichen Familie in den USA darzustellen. Sein Auftritt bei „Theater im Park“ im Schwarzenbergpark am Montag vor hunderten Fans wurde heftig akklamiert – sein Schriftstellerkollege Michael Köhlmeier las Stellen aus dem Roman auf Deutsch, T. C. Boyle diskutierte mit Ö1-Redakteurin Renata Schmidtkunz über Leben und Werk.

In „Blue Skies“ ist die Klimakatastrophe längst Alltag – in Kalifornien regnet es nie und Waldbrände fressen sich auch durch die Siedlungen, während in Florida sich Hurrikane täglich abwechseln und Häuser vom Meer verschluckt werden.

Wienlive konnte mit dem Autor, der 2013 mit seinem Roman „América“ Gast bei unserer Gratisbuchaktion „EineSTADT.EinBUCH.“ war, bei einem Mittagessen in der „Hollerei“– T. C. Boyle lebt weitgehend vegetarisch – sprechen.

Von Helmut Schneider

Nach den Klimabüchern „Ein Freund der Erde“ 2000 und jetzt „Blue Skies“ – fühlen Sie sich nicht ein bisschen wie Kassandra?

Ja, absolut – aber ich schreibe meine Romane nicht, um Menschen zum Handeln zu bewegen – das ist nicht mein Job als Künstler. Ich bin nur sehr beunruhigt. Wir alle begreifen inzwischen, dass es bei der Umweltkatastrophe keine Beschränkungen gibt – wir sind längst über der Grenze. Was uns Menschen erwartet, ist purer Horror. Ich habe keine Lösung für das Problem, ich kann nichts dagegen tun – außer Menschen bewusst machen, was ihnen bevorsteht. Romane können Menschen nicht von schädlichem Handeln abhalten.

Wir müssen uns also nicht vor Ihrem nächsten Roman fürchten?

Ich hoffe nicht, aber ich weiß noch nicht, worüber ich schreiben werde – aber es wird sicher wieder etwas ganz Anderes sein.

Nebenbei bemerkt – Kassandra ereilte ja ein schlimmes Schicksal…

Ja, das ist wahr. Aber irgendwie erwartet uns das ja alle…

Alle Ihre Bücher sind unterhaltsam, aber „Blue Skies“ finde ich ihr bisher witzigstes. War das so geplant?

Jede meiner Geschichten hat einen anderen Sound, eine andere Stimmung. Ich habe gestern mit Vergnügen gehört, wie die deutsche Fassung von „Blue Skies“ aufgenommen wurde. Aber ich plane keine Witze in die Geschichte ein, sondern diese entwickeln sich daraus.

Ist Humor nicht inzwischen die einzige Option, der Situation unserer Welt zu begegnen?

Ja, ob es nun die Klimaerwärmung ist, oder einfach die Tatsache, dass wir in einem sinnlosen Universum leben und irgendwann sterben werden – klar braucht man dabei Humor.

Es heißt ja auch, nur böse Witze sind gute Witze…

Das ist wahr. Meine Rezensenten waren sehr glücklich mit dem Buch, meinten aber, es wäre sehr schwarzhumorig. Mir war das aber gar nicht bewusst. Das liegt einfach in meiner Mentalität und es ist der Weg, den die Geschichte eingeschlagen hat. Aber bei Gesprächen mit dem Publikum merkte ich schon, dass viele einen Guru erwarten oder Lösungen und zumindest etwas Hoffnung. Damit kann ich allerdings nicht dienen.

In vielen Ihrer Bücher kommen Tiere in entscheidenden Rollen vor – Schimpansen, Löwen, Ratten, Vögel – nun eben Insekten und Schlangen. Es sind gar nicht mehr so viele Tiere übrig für Ihre nächsten Bücher, vielleicht noch ein Nilpferd?

Ja, Pablo Escobars Nilpferde sind ja berühmt und würden eine gute Story ergeben – obwohl das schon sehr bekannt ist. Aber ich bin einfach von der Natur und Biologie fasziniert. Wahrscheinlich wäre ich auch als Biologe glücklich. Aber es ist lustig – vielleicht gehen mir ja als Autor tatsächlich einmal die Tiere aus. Aber ich glaube fest daran, dass die Insekten, die in den letzten Jahren sehr reduziert wurden, wieder zurückkommen.

Sie bewegen sich sehr gerne – wie oft beschrieben – in der Natur. Aber warum sind Sie meistens allein unterwegs?

Das ist mein Weg, den Puls der Erde zu fühlen, wenn dabei dein Blut durch deine Venen strömt – ohne Ablenkung. Als junger Mann liebte ich es auch, mit Freunden durch die Gegend zu wandern, oft zugedröhnt und dann ins Wasser zu springen – das war auch toll. Aber unter meinen jetzigen Lebensumständen und vielleicht auch meinem Alter geschuldet bin ich bei meinen Wanderungen am liebsten unbegleitet. Ich will alles auf meine Weise sehen – ein bisschen so wie als Kind.

Sie hatten ja schon sehr viele Lesungen in den USA und Europa – unterscheidet sich da ihr Publikum sehr?

Eigentlich nicht. Aber in Deutschland und Österreich ist das literarische Publikum besser. Ich habe natürlich auch Hardcore-Fans in den USA, aber das normale Publikum scheint sich nicht so viel aus Literatur zu machen. Die Menschen, die zu meinen Lesungen kommen, sind ähnlich – sie lieben Literatur und ich versorge sie mit meiner, und ich habe das Glück, dass sie das lieben, was ich ihnen liefere. Vielleicht bestehen in Deutschland und Österreich bisweilen höhere formale Erwartungen, aber ich versuche das herauszunehmen, denn ich finde, Literatur wie eben auch Musik und generell Kunst soll für alle erfahrbar sein. Man muss nicht immer einen akademischen Schirm über alles halten – das kann auch spannend sein, aber ich liebe es, wenn Menschen Literatur einfach als Unterhaltung genießen. Literatur ist eine Geschichte, die dich emotional bewegt. Wer meine tiefgreifenden Gedanken haben will, soll meine Bücher lesen. Und wer sich unterhalten will, soll zu meinen Lesungen kommen, denn ich werde alles tun, um mein Publikum zu unterhalten. Das ist genau das, was meine Mutter getan hat, als sie mir als Kind Geschichten vorgelesen hat. Es ist eine Show, es ist Spaß. Ich denke, wir vergessen das nur zu oft.

Interessant, sie wuchsen ja in einer schwierigen Familie auf, aber Ihre Mutter hat Ihnen immer vorgelesen?

Meine Mutter hat mir tatsächlich das Lesen beigebracht – obwohl ich ein hyperaktives Kind war und anfangs auch gar nicht gut in der Schule. Deshalb hat sie begonnen, mir vorzulesen. Ich höre noch immer ihre Stimme, wenn ich lese, sogar auf der Bühne. Daneben gab es auch noch einen Lehrer, der Amateurschauspieler war. Wenn wir brav waren, hat er uns am Freitag eine Geschichte vorgelesen, eigentlich als Schauspieler aufgeführt. Das war pures Vergnügen, ich bin zitternd da rausgegangen. Als ich vor vielen Jahren in meinem Job angefangen habe, wusste ich von Beginn an, dass das eine Show sein musste. Einigen Hochschulprofessoren gefällt das nicht so, sie meinen, man sollte sich ernsthaft mit Literatur auseinandersetzen. Da stimme ich auch zu, aber jeder kann sich meine Arbeit auf seine Weise aneignen. Denn Kunst ist Freude – das ist das Einzige, was uns von den Tieren unterscheidet.  


T. C. Boyle: Blue Skies. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
Hanser, 400 Seiten, € 28,80

UNSER WEG ZUM CLOUDKAPITALISMUS – Ein Interview mit Armin Thurnher

Foto: Irena Rosc

Ein Interview mit Armin Thurnher, der heute (19. Mai) um 18 Uhr bei dem zweitägigen Literaturfestival „Rund um die Burg“ sein Buch „Anstandslos“ vorstellen wird. In seinem neuen Buch arbeitet der Falter-Herausgeber die Ära von Sebastian Kurz auf. Im Interview geht es auch darum, warum Demokratien durch Social Media gefährdet sind.

Geboren 1949 in Bregenz, kam Armin Thurnher zum Studium nach Wien und gründete 1977 mit Walter Martin Kienreich die linksliberale Wochenzeitschrift Falter, deren Ausrichtung er maßgeblich prägte, ab 2012 als Falter-Herausgeber. Seit Beginn der Pandemie schreibt er einen täglichen Blog namens „Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt“, in dem er vor allem die österreichische Innenpolitik kommentiert und in dem bis zu seinem Tod auch sein Kater regelmäßig als Ezzesgeber auftrat. Mit „Anstandslos – Demokratie, Oligarchie, österreichische Abwege“ erschien jetzt eine Abrechnung mit der unter Korruptionsverdacht stehenden Regierungen von Sebastian Kurz.

wienlive: Alle, die Politik beobachteten, konnten live erleben, wie Kurz und Sobotka die Regierung mit Kern, deren Mitglieder sie waren, sabotierten. Wieso hat da niemand Alarm geschrien?

ARMIN THURNHER: Weil die Medienlandschaft, von der es zwar immer heißt, sie stünde unter einer linken Hegemonie, die in Wirklichkeit aber fest in konservativer Hand ist, das unterstützt hat. Verschiedene entscheidende Akteure waren begeistert, dass die Schwarzen jetzt endlich einen Stimmenbringer mit einer gewissen Ausstrahlung hatten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren das immer die anderen: Kreisky und Vranitzky und die Blauen mit Haider und sogar der dumpfe Strache hat noch Stimmen angezogen. Plötzlich war einer da, der die Wähler auf die schwarze Seite gezogen hat.

Halten Sie die Medien tatsächlich noch für so mächtig?

Ja, denn wenn alle geschrieben hätten, Kurz ist ein sprechblasentrainierter Maturant und seine Behauptungen über Silberstein und die Balkanroute sind falsch, wäre es anders ausgegangen.

Das gilt dann wohl international, denn Trump hätte es ohne Fox News vielleicht auch nicht gegeben, oder?

Nicht nur nicht ohne Fox, sondern auch nicht ohne die New York Times, denn Medien sind nun einmal begeistert von Menschen, die Aufmerksamkeit generieren. Totschweigen ist im Medienzeitalter keine reale Möglichkeit. Aber natürlich muss zuerst etwas da sein – bei Kurz etwa sein Wille zur Macht und der Wille, die ÖVP auf einen neuen Kurs zu bringen. Die ÖVP war ja bis dato immer zerrissen und hat mit zig Stimmen gesprochen. Und da gab es dann einen, der gesagt hat: Entweder ihr nehmt mich und lässt mich mit harter Hand regieren, oder ihr bleibt weiter unter 20 Prozent. Diese Drohung hat funktioniert. Bei Trump war es ganz ähnlich. Beide haben aber auch einen stark ausgeprägten opportunistischen Kern.

Kurz hat dann seine Regierung wie einen Mafia-Clan geführt mit ihm als Paten. Alle anderen waren seine Soldaten. Die Beamten hat er mit seinen Generalsekretären kaltgestellt.

Ja – alle Ministerien haben nur noch das wiedergegeben, was die Zentrale Kurz ausgegeben hat. Interessanterweise hat das alle fasziniert, statt dass das kritisiert worden wäre.

„Die Texte der Chats gehören vor dem Parlament, in Stein gemeißelt, als Mahnmal für die Demokratie aufgestellt.”

Armin Thurnher

Das scheint ein Grundbedürfnis in Österreich zu sein – man soll ja nicht streiten …

Der kultivierte Streit wird hierzulande nicht geschätzt. Dabei ist Politik ja nichts anderes – man muss immer verschiedene Konzepte und Angebote bewerten und darüber befinden, wer Recht hat mit seiner Einschätzung.

Sie schreiben „Die Lüge gehört zum politischen Geschäft wie der Pool zur Hollywoodvilla“ – was war also an den Lügen von Kurz anders?

Gar nichts, er hat seine Karriere mit der Lüge, dass er so unglaublich populärer ist als Mitterlehner, begonnen – was er dann mit den gefälschten Umfragen untermauert hat. Das war insofern wahr, als er tatsächlich populärer war – aber er hat das so übertrieben, dass es dann doch wieder eine Lüge war. Das Interessante daran ist, dass es egal gewesen wäre, wenn man das damals schon gewusst hätte. Das ist so wie bei Trump. Seine Anhänger entschließen sich, ihm alles zu glauben und wollen das gar nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen. Denn sie sagen, es lügen sowieso alle, und da ist mir mein Lügner lieber als deiner.

Nach den bekannt gewordenen Chats von Schmidt müsste inzwischen ja alles klar sein …

Ja, nach den Chats müsste moralisch alles klar sein, und ich verstehe auch nicht, wie man sagen kann, dass das private oder intime Inhalte sind. Die wirklich intimen Inhalte wurde ja zu Recht beiseite geschoben. Aber in den bekannt gewordenen Chats geht es um öffentliche Geschäfte – etwa wie die Reichen bevorzugt werden. Das sind Texte, die gehören – in Steintafeln gemeißelt – vor dem Parlament als Mahnmal aufgestellt. Das sind öffentlich relevante Texte, die gar nichts mit Privatsphäre zu tun haben.

Was Sie im Buch natürlich noch nicht behandeln konnten – weil gerade passiert –, ist die ÖVP/ FPÖ-Koalition in Niederösterreich. Wieso kommt Mikl-Leitner damit in den Medien durch?

Sie kommt damit durch, weil sie einfach eine große Machtposition hat. Man sieht ja, wie das funktioniert. Alle Medien behandeln die sogenannten „Chaos-Tage“ der Sozialdemokraten, statt sich mit Niederösterreich zu beschäftigen, was sicher mehr die Aufgabe eines kritischen Journalismus wäre. Aber solange die Entscheidungsträger im Land das Gefühl haben, man müsse nur eine kurze Aufregung überstehen, wird nichts passieren.

Leider sind die Demokratien weltweit in Gefahr, angefangen mit dem Brexit, dann Trump, Orban und zuletzt Kurz-Freund Netanjahu. Warum eigentlich, es gibt ja keine Hungerrevolten oder ähnliches?

Es besteht eine brisante Kombination aus der neuen Social-Media-Situation und dem relativen Wohlstand, der vieles mit einem Wurstigkeits-Gefühl überzieht. So lässt man Dinge aus dem Ruder laufen. Die Social-Media-Situation schafft wiederum die idealen Voraussetzungen für einen neuen Irrationalismus. Der war zwar immer da, kommt aber heute viel leichter an die Oberfläche. Die neuen Medien generieren zudem eine neue Art von Überwachungs- oder Cloud-Kapitalismus. Fast alle nehmen an etwas teil, von dem sie gar nicht so genau wissen, was es ist.

rundumdieburg.at


Aus für den Wirt am Eck? Interview mit Peter Dobcak

Bild: ©Bubu Dujmic

Die Gastro-Szene im Wandel zur Zwei-Klassen-Gesellschaft mit Billiglokalen und gehobenen Restaurants. Ein Interview mit WKW-Gastro-Obman Peter Dobcak.

Seit acht Jahren kämpft der Fachgruppenobmann der Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien, Peter Dobcak, jetzt schon für „seine“ Wirte. Auch mit viel Erfolg und Einsatz in der Corona-Zeit – die Förderungen der Regierung für die Gastro-Szene waren hoch. Der Sohn einer Hoteliersfamilie in Salzburg hat das Gastro-Geschäft von der Pike auf gelernt und nach einem Abstecher auf den Immobiliensektor in den USA auch in Wien Lokale betrieben. Der Job als Wirt geht sich mit dem Einsatz in der WKO, wo er 6.000 Mitglieder vertreten muss, natürlich nicht mehr aus. 

Zumal die Gastro-Szene gerade einen Umbruch erlebt. Nach Corona kam die Inflation. Die Energiekosten haben sich vervielfacht und auch die Preise für die Wareneinkäufe zogen stark an. Dazu kommen Mietpreiserhöhungen. Die Wiener Wirte müssen seither seiltanzen zwischen Mehrkosten-Abdeckung und Preisen für die Gäste, die sich diese gerade noch leisten können. Dazu kommen die Probleme bei der Rekrutierung von Personal.

wienlive: Warum ist es so schwierig, Köche und Kellner zu finden?

PETER DOBCAK: Das Gehalt – die Kollektivverhandlungen sind gerade für beide Seiten befriedigend gelaufen – ist wichtig, aber es gilt sicher auch, Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere Angestellten flexiblere Arbeitszeiten wollen. Viele möchten nur noch 30 Wochenstunden arbeiten – ich bräuchte also mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Branche muss sich darauf einstellen. Allerdings kann ich ein Lokal nicht weniger lang offen halten, da sonst der Umsatz fehlt. Das ist der Grund für unser Personalproblem. 

Auch die Drop-out-Quote ist in Ihrer Branche sehr hoch, wieso?

Das war in der Gastro-Szene schon immer so – aber das gilt auch für uns Unternehmer selbst. Etwa 20 Prozent der Gewerbescheine fallen pro Jahr weg und es kommen 20 Prozent wieder dazu. Auch wenn da viele Ummeldungen etwa innerhalb der Familie dabei sind, ist das eine hohe Zahl. 

Seit einiger Zeit geistert das Schlagwort von der Zwei-Klassen-Gastronomie herum – also nur noch Billiglokale mit wenig Personal und entsprechend teurere Restaurants. Ist das die Zukunft?

Das sind unsere Befürchtungen. Der Mittelbau könnte tatsächlich wegbrechen, denn zwischen 5 und 30 Mitarbeiter*innen hat man bald – wir sind nun einmal eine personalintensive Branche. Um sich das leisten zu können, was wir als Mittelbau bezeichnen – also das bessere Wiener Gasthaus –, werde ich als Unternehmer preislich ein Stück raufrutschen müssen. Wir sehen das jetzt schon in anderen Ländern wie der Schweiz, wo es im mittleren Preissegment gar nichts mehr gibt. Dort haben sie nur noch To-Go-Lokale mit bestenfalls Selbstbedienung und Restaurants mit sehr hohen Preisen. Ich fürchte, das wird auch bei uns die Zukunft sein. Wir sind stolz darauf, dass unsere Gäste eine schöne Zeit bei uns verbringen können, aber es muss sich am Ende des Tages auch für uns rechnen. Ich kann nichts um 1 Euro verkaufen, das mich im Einkauf 1,50 Euro kostet.


„Unsere Ausbildung ist top. Auf der ganzen Welt trifft man in der Spitzengastronomie auf Österreicher.“

Peter Dobcak, Fachgruppenobmann Gastronomie Wien, über die Situation in der Szene. 

Das traditionelle Wiener Gasthaus am Eck ist also in Gefahr. Wird das aussterben?

Ich glaube nicht, dass es aussterben wird, aber es wird sich verändern, wird sich anpassen, also schlicht und ergreifend bis zur letzten Komma-stelle optimieren müssen, damit das Ding wirklich gut läuft. Jetzt hatten wir ja noch den Aufholeffekt nach der Pandemie – die Gansl- und Weihnachtsumsätze waren wirklich gut. Aber natürlich waren auch unsere Kosten durch die Inflation sehr hoch. Manche Kolleginnen und Kollegen haben etwa Energiepreissteigerungen um das 10-Fache. Wir sind ja logischerweise eine sehr energieintensive Branche und wenn ich dann statt 50.000 im Jahr 500.000 zahle, kann man sich ausrechnen, was das für uns bedeutet. Das ist kalkulatorisch nicht mehr darstellbar. Dazu kommt, dass das Mittagsgeschäft durch das vermehrt genützte Homeoffice eingebrochen ist. 

Wie sehen Sie den Boom der Zustelldienste? Viele Wirte nützen das ja auch …

Die Lieferdienste sind gekommen, um zu bleiben, wie es so schön heißt. Es gibt momentan nur noch zwei große – Mjam und Lieferando –, die fast schon eine Monopolstellung haben und in gewisser Weise die Preise diktieren können. Idealerweise nützen unsere Mitglieder die schwächeren Zeiten in der Küche für diese Dienste, aber es ist nicht einfach, die Kosten im Griff zu halten. Was mir aber mehr Sorge bereitet, sind sogenannte „Ghost Kitchen“. Da wird das Menü irgendwo produziert, wo es überhaupt keine Gasträume gibt, der Kunde bestellt aber im Glauben, es wäre beispielsweise eine echte Pizzeria. Eine solche Schattengastronomie ist leider gesetzlich vollkommen legal. 

Was ist momentan der Trend in der Gastronomie – welche neuen Lokale werden vermehrt eröffnet?

Es geht stark in Richtung Regionalität und Nachhaltigkeit. Auch veganes und bewussteres Essen ist weiter im Trend. Gäste, die ins Lokal gehen, wollen ein hochwertiges Essen, bei dem man weiß, wo die Zutaten herkommen. Jahrzehntelang gab es eine Burgerwelle, dann kamen Wraps in Mode.

Ich beobachte tatsächlich vermehrt Lokale, die auch Zutaten zum Selberkochen verkaufen, wie etwa selbstgemachte Pasta oder Gnocci …

Ja, das gibt es auch. Manche haben sogar einen kleinen, feinen Lebensmittelhandel dabei und bieten neben dem Gastraum auch To-Go an. Unsere Mitglieder werden immer flexibler.

Was hat Sie bewogen, in die Gastronomie zu gehen?

Ich bin in der Touristik aufgewachsen und habe mit vier Jahren schon Teller abserviert. Ich bin dann in die Hotelfachschule gegangen, wo ich meine Frau kennengelernt habe. Also ich war sozusagen immer im Dienstleistungsgewerbe. Jetzt als Funktionär ist es meine Arbeit, „lästig“ zu sein und Gefahren für die Branche aufzuzeigen. Die Förderungen in der Pandemie haben unsere Kolleg*innen einzig und allein unserer Beharrlichkeit zu verdanken. Gastronom wird man aus Freude an der guten Zeit von anderen und aus Freude am Kochen. Wir haben nach wie vor viele Familienbetriebe und unsere Ausbildung ist sehr gut – auf der ganzen Welt trifft man in der Spitzengastronomie auf Österreicher. 


„Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis“

Vorstandsdirektor Günther Ofner beim Interview an seinem Arbeitsplatz, dem Flughafen Wien. – ©Bubu Dujmic

Der Flughafen Wien hat die Corona-Krise gut überstanden und blickt optimistisch in die Zukunft. Vorstandsdirektor Günther Ofner im Interview über den drittpünktlichsten Flughafen Europas und die Wünsche der Fluggäste.

von Thomas Prantner

Günther Ofner (geb.1956) studierte Rechtswissenschaften und promovierte 1983. Seine berufliche Karriere startete bei der Österreichische Volksfürsorge Jupiter Versicherungs-AG und als Geschäftsführer des Friedrich Funder Instituts. Seit 28 Jahren ist er in Vorstandsfunktionen in börsennotierten Gesellschaften. Seit 2011 ist er Mitglied des Vorstandes (CFO) der Flughafen Wien AG – sein Partner im Vorstand ist Julian Jäger. Ofner ist verheiratet, hat 2 Kinder, lebt in Wien und in Eisenstadt.

Sie sind seit mehr als 28 Jahren in Vorstandsfunktionen in österreichischen Top-Unternehmen im In- und Ausland tätig. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Günther OFNER: Vor allem das, was ich als Bauernkind von zu Hause mitgenommen habe. Zuallererst harte Arbeit, hohe Lernbereitschaft, Zielstrebigkeit und Erfolgsorientierung, Mut und Bereitschaft, sich neuen, schwierigen Herausforderungen zu stellen und Dinge auch gegen Widerstände zu verändern – gute Menschenkenntnis, die Fähigkeit, klar und verständlich zu kommunizieren, aus Rückschlägen zu lernen und neue Chancen zu kreieren, sich rechtzeitig und vorausschauend auf Veränderungen einzustellen und dabei immer am Boden zu bleiben. Für eine lange, erfolgreiche Berufskarriere braucht es auch den Rückhalt der Familie und schließlich noch ein Quäntchen Glück.


Der Flughafen Wien hat die Corona-Krise gut überstanden und blickt optimistisch in die Zukunft. Vorstandsdirektor Günther Ofner im Interview über den drittpünktlichsten Flughafen Europas und die Wünsche der Fluggäste.
Günther Ofner mit seinen Enkelkindern am Airport. – ©Privat

Mitte Jänner haben Sie Rekordergebnisse für den Flughafen Wien für 2022 verkündet. Mit welchen Maßnahmen konnten Sie den Flughafen Wien in dieser schwierigen Zeit „über Wasser halten“?

Die wichtigste Unterstützung bei der Krisenbewältigung waren die Kurzarbeit und die Fixkostenzuschüsse, hier hat die österreichische Regierung rasch und richtig geholfen. Der Flughafen Wien ist auf Sparbetrieb gesetzt worden, in allen Unternehmensbereichen wurden Kosten reduziert. Gleichzeitig haben wir uns trotz Kurzarbeit und Beeinträchtigungen durch die Pandemie bemüht, auch mithilfe digitaler Kommunikationsmittel und trotz Lockdown den Kontakt zur Mannschaft aufrechtzuerhalten. 

Nach Ihren Prognosen wird sich der Wachstums-
trend fortsetzen. Wird beim Reisen weniger oder gar nicht gespart ?

Nach 2 Jahren Stillstand und Totalausfall der Reisebranche überrascht es mich überhaupt nicht, dass viele Menschen endlich wieder wegfliegen und Urlaub machen wollen. Die Reiselust ist trotz der aktuellen Finanzsituation vieler Haushalte ungebrochen, viele wollen – trotz Einsparungen in anderen Lebensbereichen – Prioritäten setzen und sich einen Urlaub leisten. 


„Die Reiselust in Österreich ist trotz der schwierigen Finanzsituation vieler Haushalte ungebrochen.“

Günther Ofner, gefragt nach der nächsten Saison

Entscheidend für den Erfolg eines Flughafens sind ja nicht nur Passagier-Rekordergebnisse und hervorragende wirtschaftliche Bilanzen, sondern vor allem die Kundenzufriedenheit. Wie stellen Sie diese ganz wichtigen Qualitätsfaktoren in so einem großen Betrieb sicher? 

Der Flughafen Wien ist einer der am meisten mit internationalen Preisen ausgezeichneten Flughäfen, zuletzt 2022 als „Best European Airport“ und fünf Jahre hindurch als „Best Airport Staff Europe“. Wir sind der drittpünktlichste Flughafen Europas mit geringen Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen. Kundenorientierung ist der wichtigste Wert für alle unsere Mitarbeiter. 

Ein zentrales Projekt ist die sogenannte Süderweiterung, konkret soll der Terminal 3 um 70.000 m² vergrößert werden. Was können sich die Kunden da erwarten? Wie sieht hier der Zeitplan aus?

Wenn alles nach Plan läuft, wird noch heuer Baubeginn sein. Unsere Passagiere erwartet eine bessere Aufenthaltsqualität mit mehr Komfort, Service und deutlich breiterem Einkaufs- und Gastronomieerlebnis. Geplant sind eine noch bessere Sicherheitskontrolle, eine Erweiterung der Shop- und Restaurantflächen um etwa 10.000 m² und neue großzügige Loungeflächen. Fliegen und Reisen von Wien aus werden noch angenehmer und inspirierender sein, als sie es bisher schon sind. Dazu kommt eine neue bequeme direkte Airside-Verbindung zwischen Terminal 3 und 2. Die Vorbereitungsarbeiten laufen auf Hochtouren, die Eröffnung ist für 2027 geplant.


Der Flughafen Wien hat die Corona-Krise gut überstanden und blickt optimistisch in die Zukunft. Vorstandsdirektor Günther Ofner im Interview über den drittpünktlichsten Flughafen Europas und die Wünsche der Fluggäste.
Thomas Prantner (l.) ist GF des Beratungsunternehmens C³ – Communications-Connecting-Consulting und interviewt für  Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. – ©Bubu Dujmic

Fliegen hat ja in Zeiten von Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht das beste Image. Wie sehen Sie dieses gesellschaftspolitische Spannungsfeld?

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis, das Teil unseres evolutionären Erbes ist und keiner ideologischen Diskussion weichen wird. Daher wird auch die Reiselust bleiben. Die wichtigste Frage ist, wie man die Notwendigkeit des Klimaschutzes mit den steigenden Reisezahlen in Einklang bringen kann. Da bin ich sehr optimistisch, weil ich davon überzeugt bin, dass der erste Massenmobilitätssektor, der seinen gesamten Betrieb CO2-neutral führen wird, der Flugverkehr sein wird. Es ist alles erfunden, was man dazu braucht, nämlich synthetisches bzw. aus biogenen Stoffen erzeugtes Kerosin, das dann das erdölbasierte Kerosin ersetzen wird. 

Zum Abschluss noch eine private Frage: Welche Hobbys haben Sie, was machen Sie in der Freizeit? 

Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie, gemeinsam mit meiner Frau und vor allem mit meinen inzwischen sieben Enkelkindern, ich reise sehr gerne und genieße das umfangreiche österreichische Kultur- und Musikangebot, bevorzugt in Wien. 


Flughafen Wien Kennzahlen

Zum Flughafen Wien gehören der Standort Wien-Schwechat sowie die Flughäfen Malta und Kosice.
Passagiere 2022: 30,1 Millionen insgesamt, davon Flughafen Wien 23,7 Millionen
Umsatz: € 830 Millionen, ca. 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Wien-Schwechat.

Lesen als Lebenselixier

Bild: ©Arman Rastegar

Markus Feigl ist Chef des Büchereiverbandes Österreich BVÖ, der 1.358 Büchereien in ganz Österreich betreut, und Vorsitzender der „Stiftung Lesen Österreich“. Beide Institutionen unterstützen den Vorlesetag am 23. März. Feigl im Interview über die Wichtigkeit des Lesens und über seine Liebe zu Büchern.

Von Caroline Autherry

Lange Tische mit Stapeln von Büchern – liebevoll nimmt Markus Feigl ein Exemplar in die Hand, blättert darin, legt es zurück, geht weiter, zieht ein anderes Buch hervor … Hier, im Hauptquartier des Büchereiverbandes Österreich BVÖ in Wien, warten Hunderte Werke österreichischer Verlage auf die Auslieferung an Büchereien in ganz Österreich. – Ein Dankeschön des Büchereiverbandes für Büchereien, die an Programmen und Initiativen teilnehmen. Mag. Markus Feigl ist Geschäftsführer des BVÖ – Bücher sind sein Leben. Mit 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt er Gemeinden und Pfarren in ganz Österreich bei der Erhaltung und der Führung der Büchereien. 88 öffentliche Bibliotheken gibt es in Wien, österreichweit sind es 1.358, elf Millionen Medien warten in den Büchereien auf potenzielle Leserinnen und Leser.

Nachvollziehbar, dass der „Büchereiverband Österreich“ Partner des Vorlesetages am 23. März ist. Markus Feigl, überdies Vorsitzender der „Stiftung Lesen Österreich“ weiß:
„Vorlesen ist extrem wichtig, weil es einen positiven Bezug zu Büchern schafft und die Welt des Lesens eröffnet.“

wienlive: Welches Buch lesen Sie derzeit?

Markus Feigl: „Der Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman. Ein sehr amüsanter und intelligenter Krimi in bester britischer Tradition.

Warum ist Lesen so wichtig?

Abseits von den pragmatischen Gründen des Lesens, wie den Alltag zu bewältigen, am Berufsleben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, bereichert uns das literarische Lesen. Das Wissen wird erweitert, Empathiefähigkeit gebildet oder ausgebaut, die Persönlichkeit entwickelt sich im Idealfall zum Besseren.

Sie sind umgeben von Büchern. Was leistet der „Büchereiverband Österreich“ BVÖ fürs Lesen?

Gegründet wurde der Verband bereits nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unterstützung der Gemeinden und der Pfarren bei der Erhaltung und Führung der Gemeinde- bzw. Pfarrbüchereien. Das machen wir – neben zahlreichen anderen Tätigkeiten – bis heute. Der BVÖ unterstützt u. a. österreichweit Bibliotheken durch Maßnahmen wie die Abwicklung der bundesseitigen Förderung des Medienankaufs, Projekte zur Leseförderung und die Förderung von Veranstaltungen in den Bibliotheken.

Worin liegen die Aufgaben der Büchereien?

Im Vordergrund steht heute, dass man in den Büchereien kreativ sein kann, seine Phantasie ausleben darf, und natürlich kann man sich in der Bibliothek Wissen aneignen. Wichtig ist, dass hier nichts konsumiert werden muss. In der Bibliothek kann man etwa Aufgaben machen, weil zu Hause kein Platz ist. Aber in Büchereien soll es nicht nur ums Lernen gehen, sie sollen kein verlängerter Arm der Schule sein, sondern hier kann man auch Spaß haben und etwas Schönes erleben. 

Sie sprechen von Kindern und Jugendlichen. Stellen diese den Großteil der Besucherinnen und Besucher?

Nein, aber der Fokus hat sich auf Kinder und Jugendliche verlagert. Wir wollen, dass sie ganz selbstverständlich Büchereien besuchen, dass sie keine Schwellenangst haben und dass sie wissen, dass es sich lohnt hinzugehen. Um das zu erreichen gibt es beispielsweise in Wien eine Empfehlung der Bildungsdirektion, dass jede Wiener Volksschulklasse zumindest einmal pro Jahr die nächstgelegene öffentliche Bücherei besuchen sollte. Durch diese Maßnahme wird bei Kindern das Interesse an Büchereien und am Lesen geweckt. In den Büchereien finden Veranstaltungen statt, etwa Autorenlesungen, und die Kinder haben Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Das kommt sehr gut an.

Die Wiener Büchereien verzeichnen pro Jahr rund 1,6 Mio. Besucherinnen und Besucher und 4,9 Mio. Entlehnungen, österreichweit sind es mehr als 7 Mio. Besuchende und 21 Mio. Entlehnungen. Das analoge Buch ist demnach noch immer sehr gefragt?

Das analoge Buch bleibt das erste Medium zum Lesen. Die elektronischen Bücher konnten die gedruckten Bücher nicht kannibalisieren, die digitalen Bücher haben nie mehr als fünf Prozent erreicht.

Am 23. März ist Vorlesetag, der BVÖ ist Partner. Warum ist Vorlesen so wichtig?

Vorlesen eröffnet den Zugang zum Lesen, die Geschichten regen die Phantasie an. Wenn etwa die Eltern vorlesen, verbinden die Kinder etwas überaus Positives mit dem Vorlesen und generell mit Büchern, denn vorgelesen wird in einer angenehmen, schönen Atmosphäre. Und das nehmen die Kleinen mit ins Leben. Deshalb ist der BVÖ Partner des Vorlesetages, wir bewerben ihn in unseren Büchereien in ganz Österreich.

Am Vorlesetag können und sollen Menschen jedes Alters jeder Altersgruppe vorlesen, deshalb kann jede und jeder eine Vorlesung anmelden, ob im privaten Bereich oder im öffentlichen, etwa in einem Altersheim oder in einem Kindergarten. Alles ist möglich.

Wem lesen Sie am Vorlesetag vor?

Meinem kleinen Sohn und seinen Schulfreunden aus dem Buch „Die Kuh, die vom Himmel fiel“ aus der Reihe „Geschichten aus Bad Dreckskaff“ von Philip Ardagh. Sehr lustige und sehr schräge Kindergeschichten. 

Welche Bücher haben Ihr Leben bestimmt?

Als Kind haben die Karl-May-Bücher für mich eine große Rolle gespielt. Da habe ich auch die Aus-dauer entwickelt, dicke Bücher zu lesen. Später, mit etwa 17 Jahren, habe ich dann die Welt des französischen Romanciers Raymond Queneau für mich entdeckt. Den größten Einfluss auf meine Lesevorlieben und durchaus auch auf meine Weltsicht hatte aber das von Humanismus und auch von Humor und Melancholie geprägte Werk des schwedischen Schriftstellers und Philosophen Lars Gustafsson. 

Was sind für Sie die fünf wichtigsten Bücher der Weltliteratur, die man unbedingt lesen sollte?

Die Romanpentalogie „Risse in der Mauer“ von Lars Gustafsson, die sehr atmosphärisch, sehr poetisch und auch heiter vom Lebensgefühl in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erzählt.

Der Schelmenroman „Der abenteuerliche Simplicissimus“, das Hauptwerk von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, das wichtigste Prosawerk des Barock in deutscher Sprache.

„Don Quijote“ von Miguel de Cervantes, der erste große Roman der Neuzeit und neben der Bibel das meistübersetzte Buch der Weltliteratur.

„Das Leben. Gebrauchsanweisung“ von Georges Perec – eines meiner absoluten Lieblingsbücher über das Leben in einem Pariser Mietshaus, ein kunstvolles Puzzle der menschlichen Existenz

„Die Dämonen“ von Heimito von Doderer – meines Erachtens der großartigste Roman der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ein Buch, das Sie immer wieder lesen?

Eines der schönsten Bücher, das ich immer wieder lese und erst jüngst wieder zur Hand genommen habe, ist „So tun, als ob es regnet“ von der deutschen Autorin Iris Wolff. Über vier Generationen des 20. Jahrhunderts und vier Ländergrenzen hinweg wird erzählt, wie historische Ereignisse die Lebenswege von Einzelnen prägen – mit unglaublichem Sprachgefühl und poetischem Charme. 


vorlesetag.eu

Gegossen für die Ewigkeit – Ein Interview mit Direktor Johann Kräftner

Die kostbaren Bronzen der Fürsten von Liechtenstein sind jetzt bei freiem Eintritt zu sehen. – ©Sandra Olak

Unter dem Titel „März im Palais“ lockte schon im Vorjahr die Sonderausstellung „Treuer Fürst – Joseph Wenzel und seine Kunst“ trotz Corona mehr als 25.000 Menschen in einem Monat in das Palais Liechtenstein. Nicht zuletzt eine gute Gelegenheit, das Barockpalais am Alsergrund zu besuchen – denn es ist sonst nur innerhalb angemeldeter Führungen offen. Heuer wird bis 31. März – wieder bei freiem Eintritt und natürlich ganz ohne Corona-Einschränkungen – die Schau „Gegossen für die Ewigkeit. Die Bronzen der Fürsten von Liechtenstein“ gezeigt.

Kuratiert hat sie der Direktor der Liechtenstein Collections Johann Kräftner, der sich mit dieser Ausstellung nach mehr als 20 Jahren als Chef des Hauses in die wohlverdiente Pension verabschiedet. Der 1951 in St. Pölten geborene Kräftner ist ausgebildeter Architekt und arbeitete an der TU Wien als Leiter des Instituts für künstlerische Gestaltung. 2004 wurde er Direktor des Liechtenstein Museums in Wien sowie der Fürstlichen Sammlungen Vaduz.

wienlive: Wie sind die Liechtenstein Collections aufgestellt?

Johann Kräftner: Der Sitz der Sammlungen befindet sich immer dort, wo der Fürst ist – also in Vaduz, allerdings wird die Sammlung aus praktischen Gründen von Wien aus geleitet. An beiden Standorten befinden sich große Depots – es gab Zeiten, als in drei Städten Ausstellungen von uns gezeigt wurden. Trotzdem haben wir immer genügend Ersatz für ausgeliehene Kunstwerke im Haus.

Sind Sie oft in Vaduz?

Früher war ich schon oft dort, fast jede zweite Woche, aber durch die Pandemie haben sich die Kommunikationsmöglichkeiten verbessert – man kann viel aus der Ferne machen. Wir haben das bei unserer großen Ausstellung in Hongkong gesehen, deren Erarbeitung noch vor der Pandemie begonnen worden war. Dann waren Flüge nach Hongkong schwierig bis unmöglich und ich bin erst dort gewesen, als die Ausstellung aufgebaut wurde. Es hat alles zwei Jahre lang virtuell wunderbar funktioniert und es war bewegend, unsere Ansprechpartner zum ersten Mal vor Ort zu sehen.

Sehen Sie sich eher als Manager oder als Ausstellungsmacher, Wissenschaftler, Kunstvermittler und Künstler?

Ich mache alles, was gerade notwendig ist. Wir haben hier keine große Mannschaft, sondern sind ein kleines Team. Ich bin natürlich für die Inhalte der Sammlung und die Ausstellungen verantwortlich, aber auch für alle Neuerwerbungen. Wir geben hier viel Geld aus und das ist eine Riesenverantwortung. Auch in der Bronzen-Ausstellung zeigen wir viele Neuerwerbungen. Es ist also von allem etwas.

In der Sammlung sind ja nur historische Bronzen, oft Abgüsse von Steinskulpturen – warum wurden die damals angefertigt?

Reiche Fürsten hatten in der Renaissancezeit Palais und die mussten sie natürlich ausstatten. Die Liechtensteins besaßen etwa auch Palais in Südmähren und Tschechien – auch im Palais in der Bankgasse in Wien gab es schon eine Galerie mit Bronzen. Wir zeigen in der Ausstellung auch die Hängepläne von damals.

Was für Themen gibt es in der aktuellen Ausstellung?

Ein wichtiges Thema ist die Reiterskulptur. Das ist ja etwas, das auch in Wien allgegenwärtig ist. Auf fast jedem historischen Platz steht eine Reiterstatue – etwa auf dem Heldenplatz, dem Josefsplatz oder auf der Albertina-Rampe. Die Modelle, die in der Antike im Florenz der Renaissance davor in Kleinbronzen entwickelt wurden und in der Sammlung sind, hatten Nachwirkungen in Wien. In diesen Skulpturen spürt man auch die große Sehnsucht nach der Antike.

Denn das Modell, das all diesen Reiterskulpturen zugrunde liegt, ist jene des Marc Aurel in Rom. Wir haben die Kopie, die von Antico um 1500 gegossen wurde. Eine vergoldete Büste des Marc Aurel von Antico habe ich mit dem Hinweis, dass Marc Aurel in Wien gestorben ist und somit mit dieser Stadt verbunden war, kürzlich erwerben können – obwohl sie schon der Getty-Sammlung versprochen war. Unsere Sammlung ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr schön gewachsen. Um die Ausstellung zu komplettieren haben wir aber auch einige Leihgaben, etwa aus dem Kunsthistorischen Museum – obwohl die selbst ein großes Jubiläum feiern.

Sie gehen tatsächlich gleich nach der Ausstellung im April in Pension?

Ja, ich werde demnächst 72 und bin eigentlich seit 2002 im Haus. Irgendwann muss es genug sein und es wurde auch schon ein Nachfolger – Stephan Koja aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – bestimmt.

Sie werden aber sicher in irgendeiner Form weiterarbeiten, oder?

Ich arbeite an einem Buch über ostasiatische Gärten. Da habe ich noch zwei, drei Monate Knochenarbeit vor mir. Und ich interessiere mich für begrünte Fassaden. Die werden bei uns oft mit Hochtechnologie angelegt, die leider sehr anfällig ist – das kann nicht die Zukunft sein. Ich habe ein halbes Leben lang weltweit Beispiele für natürliche Begrünungen gesammelt. In Florenz gibt es etwa einen 25 Meter hohen Turm, der von oben bis unten begrünt ist. Hier liegt die Zukunft.


Infos: liechtensteincollections.at