Die Stärke der vorrevolutionären russischen Literatur besteht darin, dass sie uns ein gnadenlos vielschichtiges Bild einer erstarrten Klassengesellschaft präsentiert.

Johan Simons bringt Dostojewskis Roman „Die Dämonen“ ans Burgtheater

Die Stärke der vorrevolutionären russischen Literatur besteht darin, dass sie uns ein gnadenlos vielschichtiges Bild einer erstarrten Klassengesellschaft präsentiert. Die Mittellosen leben im Elend, die Reichen langweilen sich und die wenigen, die eine Veränderung wollen agieren brutal und kompromisslos. Sozialer Aufstieg findet nicht statt, denn durch Arbeit lässt sich nicht einmal der bescheidenste Wohlstand schaffen – die Besitzenden geben ihren Reichtum an Ihresgleichen weiter. Das ist auch für uns heute wieder spannend und relevant, weil wir uns offensichtlich unaufhaltsam wieder zu einer derartigen Gesellschaft hinbewegen.

Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821–1881) kannte seine Zeitgenossen allzu gut, bekanntlich landete er ja auch für Jahre im Straflager. In seinem fast 1000 Seiten starken Roman „Die Dämonen“ (zuletzt von Swetlana Geier in „Böse Geister“ übersetzt) lässt er von einem Erzähler zig Figuren auftreten, die die Brüchigkeit der russischen Gesellschaft offenlegen. Wie sich jetzt im Burgtheater wieder herausstellt, ist eine Adaption für die Bühne nur schwer machbar. Die Theaterfassung von Sebastian Huber (auf der Basis von Swetlana Geiers Übersetzung) bringt 11 Personen, die sich auf einem Gutshof in der Nähe von St. Petersburg versammeln, um ausgiebig zu schwadronieren. Man wartet auf den verlorenen Sohn Nikolaj Stawrogin (Nicholas Ofczarek), der einige Jahre mit Reisen durch Europa verbrachte. So nebenbei berichtet er zurückgekehrt, dass er in der Hauptstadt eine arme Minderjährige vergewaltigte, die sich danach das Leben nahm. Ein allzu schmerzhafter Hinweis darauf, wie wenig ein Menschenleben damals zählte. Quasi aus Sühne heiratete er die mittellose, hinkende Marja Lebjadkina (Sarah Viktoria Frick) – was den Heiratsplänen seiner Mutter natürlich im Wege steht. Die furchtlose, Reitgerbe-schwingende, reiche Lisa Tuschina (Birgit Minichmayr) wäre für ihn vorgesehen. In gut 4 Stunden (mit Pause) erleben wir viele Monologe und kaum Dialoge. Die mit Sessel– und Tischgruppen bestückte Bühne mit goldenem Hintergrund (Bühne: Nadja Sofie Eller) bildet dazu den Resonanzraum. Die merkwürdigen, weiten, bunten Hosen (Kostümbild von Greta Goiris) kontrastiert dazu. Am Ende zeigt sich Pjotr Werchowenski (Jan Bülow) im gelben Nazimantel als mordender Bote der grausamen Zukunft. Das exquisite und bemühte Ensemble kann freilich niemals vergessen lassen, dass uns hier Prosa für Drama verkauft wird.


Infos: burgtheater.at