KAFKA – Kommentar von Otto Brusatti
Szene aus KAFKA. – ©ORF
Kann man Franz Kafkas Leben (und sein Werk natürlich und vor allem) verfilmen? Selbst mit hohem Aufwand, erarbeitet und von Spezialisten zwischen Dramaturgie (Daniel Kehlmann) und Quellenkundigsten (Reiner Stach) betreut, mit einem Regiestar (David Schalko) und mit mehr als einem Dutzend an Schauspielern und Darstellerinnen aus der ersten Kategorie für Fernsehspiele?
Die Antwort lapidar: Ganz hübsch ist das ja geworden als sechsteiliges Monster mit ziemlichem Aufwand an Material, Szenen und – naja – Film- und Traumwirklichkeiten. Man sieht bestimmende Frauen, brutale Verwandte und ziemlich harmlos gezeichnete Schriftstellerkollegen, schöne Ausstattungen (zwischen alten Kostümen oder alten Autos). Es wird ungemein viel geraucht, die Sprache in den Filmen ist – wie aktuell üblich auch etwa bei den Tatorten – verhudelt, die behandelte Zeit, Kafkas Haupt-Schreibezeit, ändert sich in mehr als zwei Jahrzehnten in der Bilddarstellung kaum. Manchmal schwindelt sich alles in leicht irrationale Sequenzen hinein, gelegentlich wird aus dem off was erzählt, Musik, Klänge oder Hintergrundrhythmen sind immer da und stören leider zu oft, ein paar Mal kippt es ohne gestalterischen Rhythmus für das Ganze z.B. aus recht kindisch aufgelösten Bordell-Szenen in verfilmte Szenen aus Kafkas Texten (Prozeß oder Schloß oder Strafkolonie oder Verwandlung).
Sechs also hübsche Dreiviertelstundenfilme sind das. Wenn man allerdings von Franz Kafka und seinem Werk wenig bis kaum eine Ahnung hat, dann versteht man wenig oder kriegt kaum was als logische Abfolge mit. Das Kafka-Umfeld, also Kollegen, vor allem Max Brod, die Familie, vor allem der Vater, die Arbeitsstätte bei der Versicherung und zentral die wichtigsten Frauen (Geliebte, Verschmähte, Pflegerinnen, nächste Verwandte) stehen im Mittelpunkt. Der Hauptdarsteller (Joel Basman) bleibt bis auf wenige Einstellungen (im Tod vor allem) ein Bürscherl, jemand ohne Ausstrahlung – sozusagen: kafkaesk ist der nicht. Die meisten um ihn herum Spielenden sagen ihre Texte auf, die Natur ist weitgehend schön, der Weltkrieg spielt fast keine Rolle, man redet nicht pragerdeutsch; ja überhaupt: die besondere, wohl das literarische Werk fast durchgehend prägende Stimmung vor allem seiner Heimatstadt vermisst man ziemlich schmerzlich. Warum all das Gezeigte und Gespielte nun Basis gewesen sein soll für eine bestimmende Literatur des 20. Jahrhunderts, wird nicht klar.
Trotz aller Kritik, basierend jetzt halt auf Anschau-Enttäuschungen nach vielen Stunden vor dem Schirm (es zieht einen sozusagen nie weg, wie das beim Lesen von Kafka-Texten fast jedes Mal passiert, oder auch – simpler – die dargestellten Zeitgenossen zwischen Kunst, Familie und Vorbildern (?) für den Autor agieren zumeist harmlos und uninteressant) sollten trotzdem ein paar Besonderheiten in diesen neuen Kafka-Filmen hervorgehoben werden: vor allem die lebendige, auch verstörende Milena, dargestellt von Liv Lisa Fries, oder generell die Kafka-Schwestern.
Dieser Franz-Kafka-Sechserpack, immerhin von vielen der wichtigsten deutsch-sprachigen Stationen vorgelegt, war, wie man liest, kein Publikumserfolg. Man hätte den allerdings mit besseren Erzählstrukturen im selben Aufwand durchaus erzielen können.
In der ORF-Tvthek abspielbar.
-Otto Brusatti