Roman über die sterbende Provinz – Gabriele Kögls „Brief vom Vater“

Roman über die sterbende Provinz – Gabriele Kögls „Brief vom Vater“

Meist sind Menschen erstaunt, wenn sie erfahren, dass die Suizidrate am Land viel höher ist als in Wien. Die geborene Steirerin Gabriele Kögl hat einen Roman geschrieben, in dem eine einfache Frau, die als Friseurin in einer Kleinstadt lebt, gleich zwei Selbstmorde zu verkraften hat, wie schon auf den ersten Seiten klar wird. Rosa hat keine großen Ansprüche, aber ein bisschen Luft und Freiraum für sich – etwa mit Freundinnen einen Kaffee zu trinken – braucht sie schon. Und so wird ihr die früh eingegangene Ehe mit dem Tischler Sigi bald unendlich langweilig. Sigi hat sie als Schützenkönig auf allen Volksfesten zuerst begeistert, doch bald muss sie erfahren, dass er sonst nichts im Leben anstrebt, als rauchend vor dem Fernseher zu sitzen. Als sich der Drogeriebetreiber Klaus für die hübsche Rosa interessiert, lässt sie Sigi zurück im schlecht isolierten Haus, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. Und den inzwischen geborenen Sohn Severin kann sie mitnehmen in die neue Ehe. Damit steigt sie in die bessere Klasse auf – Klaus verkehrt mit dem Juristen und den Ärzten des Städtchens. Aber natürlich gibt es auch Schattenseiten. Auch Klaus hat Besitzansprüche, die größer sind als seine prachtvolle Wohnung. Und bald zieht die neue Zeit in das Städtchen und schafft Probleme für die Geschäfte im Ort. Ein Einkaufszentrum zieht die Bewohner magisch an – mehr Auswahl, billigere Preise. Und so ist Klaus bald pleite. Schlimmer noch – er wird krank und stirbt.

Doch auch Sigi hat in der neuen Ehe in Tirol nicht das große Glück gefunden. Als seine zweite Frau ihren Liebhaber nicht aufgeben will, bringt er sich in seinem neuen Mercedes um – Autos waren für ihn immer wichtig gewesen. Der Sohn Severin hatte immer zu seinem Vater gehalten, zumal er von den Kindern von Klaus immer nur drangsaliert wurde. Er findet keinen Platz im Leben und bringt sich ebenfalls um – Rosa bleibt allein zurück.

Gabriele Kögl ist ein ebenso stiller wie brisanter Roman über die sterbende Provinz gelungen – die Beweggründe ihrer Figuren sind nachvollziehbar. Natürlich ist das auf den ersten Blick düster, aber mit Rosa schildert sie eine Frau mit erstaunlicher Resilienz. Die Frauen im Buch scheinen mit den neuen Gegebenheiten, die sich nicht so leicht ändern lassen, besser zurechtzukommen.

Gabriele Kögl: Brief vom Vater
Elster & Salis
208 Seiten
€ 25,50