Bereits zum 20. Mal verwandelte die Kriminacht Wien in eine Bühne des literarischen Verbrechens und brachte am 29. Oktober 2024 Krimifans und namhafte Autor:innen aus dem In- und Ausland zusammen.
Die zahlreichen Lesungen und Veranstaltungen in über 30 Cafés und ausgesuchten Sonderlocations fesselten die Besucher:innen und machten das Event zu einem vollen Erfolg. Das Jubiläum, das bei Wiener:innen seit Jahren beliebt ist, bot wie immer freien Eintritt und ein abwechslungsreiches Programm.
Im Café Imperial fand ein anregender Talk statt, der die letzten zwei Jahrzehnte der Kriminacht Revue passieren ließ. Stefan Slupetzky und Sabina Naber sowie die Moderatorin Uschi Pöttler-Fellner brachten spannende Anekdoten und Einblicke mit. Besonderes Augenmerk zog die international bekannte Psychoanalytikerin Dr. Erika Freeman auf sich, die als Special Guest beim Talk anwesend war.
Gänsehaut zwischen Espresso und Cappuccino
Ein besonderes Highlight der Kriminacht 2024 war der Abend im traditionsreichen Café Weidinger. Hier feierten Dieter Chmelar, Konstanze Breitebner und Joesi Prokopetz gemeinsam mit einem prall gefüllten Saal und sorgten für eine Stimmung, die prickelnder kaum sein konnte. Das Café Landtmann bot ebenfalls Nervenkitzel pur, als der renommierte Krimiautor Martin Walker seine Werke präsentierte. Die Kombination aus spannendem Lesestoff und gemütlicher Wiener Kaffeehausatmosphäre zog die Besucher:innen in ihren Bann.
Nicht nur renommierte Krimistars kamen zum Zug – im Café Schwarzenberg lasen die vier Gewinner:innen des vorMagazin Kurzkrimiwettbewerbs ihre selbstverfassten Geschichten. Die besten 15 dieser packenden Kurzkrimis sind im neuen Sammelband „Mörderischer Mokka“ enthalten, der pünktlich zur Kriminacht im echomedia Buchverlag erschienen ist (zu finden im ausgewählten Buchhandel).
Jubiläumsabend und Preisverleihung voller Thrill
Ein weiterer Höhepunkt der Kriminacht 2024 war die Verleihung des Leo-Perutz-Preises im Café Gerstner mit anschließender Abschlussparty. Der diesjährige Preisträger Heinrich Steinfest wurde für seinen neusten Kriminalroman ausgezeichnet und erhielt die verdiente Anerkennung für seine fesselnden Geschichten, die Leser:innen regelmäßig in eine Welt voller Spannung und Geheimnisse entführen.
Abschlussveranstaltung der Kriminacht 2024 im Café Gerstner echoMedienhaus GF Christian PöttlerJournalistin Uschi Scheidl mit Krimiautor und Stargast Martin Walker Autor Kurt Palm im Interview Der diesjährige Preisträger des Leo-Perutz Preises Heinrich Steinfest. Heinrich Steinfest mit Moderatorin Chris PichlerPreisträger und Laudator: Kurt Palm und Heinrich SteinfestChristian Pöttler und Wolfgang Binder Spartenobmann-Stv. Fachgruppenobmann KommR Wolfgang Binder mit der „20 Jahre Kriminacht“ Urkunde
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/11/Diesner_Kriminacht2024_Martin_Walker_004-scaled.jpg17082560wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-11-06 11:14:052024-11-06 11:15:2420 Jahre Kriminacht in den Kaffeehäusern
Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“. Text: Ursula Scheidl
Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Historiker und politische Journalist Martin Walker ist heuer bei der Kriminacht zu Gast in Wien und entführt Leser*innen mit seinem 16. Fall von Bruno, Chef de police, wieder in die französische Provinz.
Martin Walker versteht es blendend, Geschichte, Aktuelles, die politische Kultur Frankreichs und das einzigartige Flair des Périgord zu vermengen. Sein neuestes Buch „Im Château“ beginnt mit der Aufführung der Befreiungsschlacht um das malerische Mittelalter-Städtchen Sarlat. Die halbe Stadt ist in historischen Kostümen auf dem Marktplatz unterwegs, auch Bruno. Doch der Hauptdarsteller bleibt schwer verletzt in seiner Rüstung liegen. Sofort stellt sich die Frage: Unfall oder Absicht? Zumal es sich bei dem Schauspieler um einen sehr hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter mit weitreichenden internationalen Beziehungen handelt. Und natürlich sind alle von Brunos Freunden mit Feuereifer dabei, Licht ins Dunkel der Sache zu bringen.
vormagazin:Sie leben seit fast 30 Jahren im Périgord. Was fasziniert Sie an dieser Region?
Martin Walker: Es begann mit meiner Faszination für die prähistorischen Höhlenmalereien, dann für die neuere Geschichte, von den Römern bis zur arabischen Invasion, Karl den Großen, die Ankunft der Engländer und der Hundertjährige Krieg, die Verfolgungen der beiden ketzerischen Bewegungen hier, der Katharer und der Protestanten – so viel Menschheitsgeschichte konzentriert sich an einem Ort. Und dann war da noch das Essen, der Wein …
Es gibt viele Krimireihen, die in bestimmten Regionen spielen. Warum eignet sich das Périgord besonders für Ihre Geschichten mit Bruno?
Ich war überrascht, dass noch niemand das Périgord als Kulisse für einen Krimi verwendet hatte, und ich war fasziniert von dem Ort. Ich hatte bereits „Schatten an der Wand“ veröffentlicht, das ist eher ein Geschichtsroman, und genoss es, das zu tun, aber dann erkannte ich, dass mein Tennispartner, Dorfpolizist Pierrot, ein perfekter Typ für einen Krimi war.
Der 16. Fall von Bruno ist internationaler denn je zuvor. Wie kam es zur Entwicklung vom Polizisten eines kleinen Dorfes zum Ermittler großer internationaler Zusammenhänge?
Es begann eigentlich schon früh mit meinem Buch „Reiner Wein“, in dem es um eine große US-amerikanische Weinfirma geht. Dann erkennt Brunos große Liebe, Isabelle, die Assistentin des Innenministers in Paris ist, dass Bruno eine entscheidende Bereicherung in seiner Region ist. Dann haben wir einen baskischen Terroristen, einen britischen Gauner im Antiquitäten-handel, Kinder einheimischer arabischer Familien, die für die Taliban rekrutiert wurden, ein britischer Meisterspion zieht sich in Brunos Dorf zurück, dann taucht der russische Geheimdienst auf … Vieles davon kommt aus meinem Hintergrund als Journalist im Nahen Osten, in Russland und den USA.
Welche Rolle spielt der französische Geheimdienst?
Frankreichs wichtigstes Zentrum für elektronische Aufklärung befindet sich hier, in Domme im Dordogne-Tal, und ich traf englische Freunde, die für sie arbeiteten und französischen Technikern alle Varianten des Englischen, wie sie von Arabern, Afrikanern, Chinesen und so weiter gesprochen werden, beibrachten. Und wenn Sie wissen, wo Sie schauen müssen, sind die Antennen und Satellitenkuppeln nicht zu übersehen. Unvermeidlich, dass es zu einem Ziel wird.
Sie geben in diesem Buch auch Finanztipps. Was reizt Sie daran, immer wieder abseits der Haupthandlung Dinge zu recherchieren und einzustreuen?
Ich bin im Herzen immer noch Journalist und liebe es zu erklären, wie die Welt meiner Meinung nach funktioniert. Eines habe ich gelernt: Nationale Sicherheit und Hightech sowie Investitionen und Steuerpolitik gehen fast immer Hand in Hand.
Prinzipiell, wie finden Sie die Ideen für Ihre Bücher?
Ich halte meine Augen und Ohren offen, bleibe in Kontakt mit alten Kontakten auf der ganzen Welt, versuche, nie die Dinge für bare Münze zu nehmen und immer daran zu denken, dass sich auf lange Sicht alles um Menschen dreht.
Ich schätze, Brunos 17. Fall ist schon geschrieben?
Der 17. Fall, „A Grave in the Woods“, ist soeben in Großbritannien und den USA veröffentlicht worden (die deutsche Übersetzung ist bei Diogenes für 2025 in Vorbereitung), und ich habe bereits das Manuskript des 18. an meinen Verleger geschickt – der Titel steht noch nicht fest. Jetzt plane ich die Nummern 19 und 20.
Sie haben gemeinsam mit Ihrer Frau Julia auch ein Kochbuch geschrieben. Wie haben Sie kochen gelernt?
Zuerst von meiner Mutter, dann vom Reisen und dem Versuch, die Gerichte, die ich in Afrika und dem Nahen Osten genossen hatte, wieder zu kreieren, und dann von Julia, die eine brillante Köchin ist.
Sie produzieren auch selbst Wein. Wie kam es dazu?
Julien, unser örtlicher Weinhändler, ist ein guter Freund und hat ein Familienweingut. Er half mir dabei, den Cuvée Bruno herzustellen.
Sie waren ja schon mehrere Male in Wien. Was mögen Sie besonders in der Stadt?
Das Wiener Schnitzel im Gasthaus „Zu den 3 Hacken“ und die Bruegels im Kunsthistorischen Museum.
Martin Walker liest bei der Kriminacht am 29. Oktober ab 19 Uhr im Café Landtmann Passagen aus „Im Château“.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/WalkerBuchBB.png11001800Ursula Scheidlhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngUrsula Scheidl2024-10-25 08:25:032024-10-25 09:43:02Martin Walker liest bei der 20. Kriminacht in den Kaffeehäusern
2004 startete die Kriminacht mit Donna Leon. In den nächsten Jahren folgten zahlreiche Stars des Genres aus dem In- und Ausland. Heuer besuchen neben zahlreichen heimischen Publikumslieblingen der Brite Martine Walker und der Pole Tomasz Duszyński das Festival.
Mit diesem Ansturm hatte man 2004 nicht gerechnet. Im Café Museum gab es nicht einmal mehr Stehplätze, als Krimiqueen Donna Leon bei der ersten Kriminacht in den Wiener Kaffeehäusern auftrat. Aber auch die österreichischen Stars wie Eva Rossmann, Stefan Slupetzky, Alfred Komarek, Andreas Pittler, Ernst Hinterberger oder Beate Maxian wurden in der Folge von ihren vielen Fans gefeiert. Die Wiener Kriminacht entwickelte sich zum alljährlichen Treffpunkt der Szene, denn: Schwarzer Kaffee und tiefschwarze Storys gehören eben einfach zusammen. Weil das Kaffeehaus Teil der Wiener Kultur ist und weil man in Wien immer noch gerne Bücher liest und sehr gerne auch die Autorinnen und Autoren kennenlernen will.
Wolfgang Böck, Patrick Budgen, Ernst Geiger und Edith Kneifl – das Programm der 20. Kriminacht am 29. Oktober ist wie gewohnt vielfältig. Mit Tomasz Duszyński kommt endlich wieder ein Pole zur Kriminacht – Stammgäste des Festivals erinnern sich sicher noch an die Lesungen von Marek Krajewski. Duszyński lädt in der preisgekrönten Glatz-Reihe zu einer Reise ins niederschlesische Städtchen Glatz/Klodzko. Der Brite Martin Walker war schon öfters in Wien, bei seiner diesjährigen Lesung im Café Landtmann wird die Schauspielerin und Autorin Chris Pichler die deutsche Übersetzung seines neuesten Krimis lesen.
Dass das Krimi-Genre nach wie vor eine sehr hohe Anziehungskraft ausübt, beweisen Neo-Krimiautor*innen wie etwa Konstanze Breitebner und Patrick Budgen. Der ORF-Moderator legt heuer bereits seinen zweiten Krimi („Die Teigtascherl-Intrige“) vor, die Schauspielerin und Drehbuchautorin bleibt ihrem Umfeld treu und präsentiert einen Theaterkrimi („Tod auf der Unterbühne“). Breitebner wird gemeinsam mit ihrem Kollegen Josi Prokopetz, der seinen allerneuesten Krimi („Der Frauenausborger“) mitbringt, lesen – Talkmaster: Dieter Chmelar.
Aus Anlass des Jubiläums rief das vormagazin zu einem Kurzkrimiwettbewerb auf. Die Aufgabe: Es sollte ein Kaffeehaus vorkommen. Aus den zahlreichen Einsendungen wählte eine Jury (unter anderem mit dem Autor Manfred Rebhandl) die 15 besten aus, die zur Kriminacht in einem Buch („Mörderischer Mokka“) veröffentlicht und präsentiert werden. Die allerbesten drei Kurzgeschichten werden am 29. Oktober im Café Schwarzenberg von den Autorinnen und Autoren selbst gelesen.
Ernst Hinterberger, der Autor des Mundl sowie Trautmann und Kaisermühlen Blues, war ein Stammgast bei der Kriminacht. In einer Gedenkveranstaltung im Café Frauenhuber erinnert Wolfgang Böck – der Darsteller des Trautmann in der gleichnamigen ORF-Krimiserie – an den 2012 verstorbenen Bestsellerautor.
Diskussion
Krimifeinspitze freuen sich aber auch schon auf die Lesungen von Edith Kneifl mit ihrem Wien-Krimi „Der Wolf auf meiner Couch“, Manfred Rebhandl („Hundert Kilo Einsamkeit“), Theresa Prammer („Schattenriss“), Beate Maxian („Tod auf dem Opernball“), Constanze Scheib („Mordshochzeit, Herrschaftszeiten“) oder Herbert Dutzler („Letztes Zuckerl“). Der Publikumsliebling Stefan Slupetzky wird nicht nur lesen, sondern anschließend auch mit seiner Krimikollegin Sabina Naber über die Entwicklung des Krimigenres in den vergangenen 20 Jahren diskutieren (Café Imperial).
Preis
Auch die Verleihung des Leo-Perutz-Preises gehört seit einigen Jahren zum festen Bestandteil der Kriminacht. Heuer sind Peter Lorath, Theresa Prammer, Manfred Rebhandl, Annemarie Mitterhofer und Heinrich Steinfest nominiert – alle lesen natürlich bei der Kriminacht. Kommen Sie vorbei!
29. Oktober 2024 In zahlreichen Kaffeehäusern in ganz Wien kriminacht.at
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/Kriminacht-Sujet-Kopie.jpg17971833Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2024-10-17 10:22:002024-10-17 10:22:02Die Kriminacht in den Kaffeehäusern wird 20 Jahre alt
Ein Bub wächst auf in Port Harcourt, Nigeria, aber er ist etwas anders als die anderen Gleichaltrigen. Statt zum Fußball wie seinen jüngeren Bruder zieht es ihm zum Tanzen – er liebt es, zu Schlagern vor Publikum herumzuwirbeln. Sein Vater, ein schwer arbeitender Händler, wird misstrauisch und als er Obiefuna mit seinem Lehrling bei einer intimen Handlung – sollte das ein Kuss werden? – erwischt, schickt er ihn zur Umerziehung ausgerechnet in ein christliches Internat. Dort ist es so, wie wir das bei der Beschreibung englischer Internate schon oft gelesen haben – sogar nicht-homosexuelle Schüler entdecken die gleichgeschlechtliche Liebe. Doch Obiefuna ist äußerst resilient, entkommt aber nur durch die Verschwiegenheit eines aufgedeckten Mitschülers unbeschadet dem harten Regime der Schulleitung. Denn Nigeria ist – wie fast alle afrikanischen Staaten – ein extrem homophober Staat. Obiefuna ist aber schulisch sehr erfolgreich und wird an einer Universität zugelassen.
Chukwuebuka Ibeh, geboren 2000 in Port Harcourt, ist der internationale Shootingstar der nigerianischen Literatur. Er erzählt konsequent aus der Perspektive des Jünglings – und er tut dies ohne viel Sentimentalität und sehr genau auf das Innenleben seines Protagonisten fokussiert. Derzeit ist Ibeh Student in Missouri und man ist wirklich erstaunt über die Stilsicherheit dieses jungen Schriftstellers.
Obiefuna muss schließlich auch noch das Leiden seiner krebskranken Mutter miterleben, findet aber einen älteren Mann, mit dem er sich eine Partnerschaft vorstellen kann. Doch da kreuzt die Politik sein Leben. Die unbeliebte Regierung führt zur Beschwichtigung der schwulenfeindlichen Bevölkerung extrem strenge Gesetzte gegen Homosexualität ein – bis zu 14 Jahre Kerker drohen Männern, die dabei erwischt werden. Obiefunas Liebhaber sieht keine andere Chance als eine Scheinehe mit einer Frau einzugehen. „Wünschen“ ist ein Roman, der uns ganz nah an die Wirklichkeit Afrikas heranführt.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/WuenschenBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2024-10-16 07:00:002024-10-17 12:34:38Entwicklungsroman aus Afrika mit Hindernissen – Chukwuebuka Ibehs „Wünschen“
Die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) veröffentlichen ein Wimmelbilderbuch von Lisa Manneh. Dieses Buch lädt Leser*innen jeden Alters ein, die facettenreiche Welt von Oper, Musical und Operette zu entdecken.
Ab ins Musiktheater! zeigt auf bunten Seiten eine Vielzahl von Szenen, die das Leben auf und hinter der Bühne lebendig werden lassen. Sänger*innen und Schauspieler*innen präsentieren sich inmitten von Bühnenbildern, während im Orchestergraben musiziert wird und hinter den Kulissen Vorbereitungen für die nächste Aufführung getroffen werden.
Das Wimmelbuch bietet eine anschauliche Einführung in die Abläufe von der ersten Probe bis zur Premiere. Leser*innen können humorvolle Momente, typische Theaterszenen und beliebte Charaktere aus der Welt des Musiktheaters erkunden.
Ab ins Musiktheater! Entstand in Kooperation mit dem Tyrolia Verlag und ist ab sofort in den Verkaufsstellen der Vereinigten Bühnen Wien sowie im gut sortierten Buchhandel erhältlich.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/MusiktheaterBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-10-15 08:49:452024-10-15 08:49:47Ab ins Musiktheater! – Das Wimmelbuch zu Oper, Musical und Operette
Im Westen wurde es meistens nur gemeldet, im Osten war es aber – zurecht – eine Sensation. 2016 unterlag der koreanische Go-Weltmeister Lee Sedol dem Google-Computerprogramm AlphaGo. Dazu muss man wissen, dass Go ein um ein Vielfaches komplexeres Spiel als Schach ist (Kasparow unterlag bekanntlich schon 1997 dem IBM Deep Blue–Programm), deshalb hat es auch so lange gedauert, bis eine KI die Fähigkeit entwickelte, einen Menschen zu schlagen. Der israelische Historiker Yuval Noah Harari, der durch seinen Weltbestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ quasi zum Erklärer unserer Zivilisation geworden ist, widmet in seinem neuen Buch „Nexus. Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz“ diesem Ereignis seine volle Aufmerksamkeit – sieht er es nämlich als Beweis, dass Maschinen kreativ sein können. Beim historischen Spiel waren sich nämlich alle kiebitzenden Experten einig, dass AlphaGo einen Fehler gemacht hatte. Dieser stellte sich dann freilich als spielentscheidend heraus. Harari sieht das als Beweis für Kreativität und er prophezeit, dass wir uns schon bald mit einem neuen Individuum auseinandersetzen müssen, nämlich der KI. Darüber lässt sich trefflich diskutieren – dass KI unsere Zukunft bestimmen wird, steht freilich schon jetzt fest.
Davor beschreibt Harari allerdings sehr anschaulich, dass viele Entwicklungen der Menschheit ohne Informationsnetzwerke gar nicht möglich gewesen wären. Aber mehr Information ist nicht gleich mehr Wahrheit, warnt er mehrmals. Erst die Schrift hat größere Gesellschaften möglich gemacht, weil sie Ordnung herstellen konnte. Nur durch schriftliche Dokumente ließen sich Gesetze für alle durchsetzen. Aber bekanntlich schafft die Bürokratie auch Schubladen, in denen die Wirklichkeit oder gar die Wahrheit erst gezwängt werden muss. Zwar habe etwa der Buchdruck und die Verbreitung von Information moderne Wissenschaft erst möglich gemacht, doch ein erster und größter Buchbestseller war der berüchtigte „Hexenhammer“ – ein Werk zum Aufspüren und zur Folterung von Hexen. Ohne Massenmedien sind große demokratische Staaten nicht denkbar – das Volk muss ja entscheiden können, was oder wen es wählt. Aber die modernen Technologien wie Telefon und Radio ermöglichen auch erstmals die totalitäre Überwachung aller Bürger. Wichtig für die Wissenschaft und für Demokratien ist dabei immer eine funktionierende Fehlerkultur. Diktatoren machen bekanntlich keine Fehler, sie können einfach niemals zugeben, dass sie sich irren.
Was Harari schafft, ist den jetzigen Stand der Diskussion zu formulieren und zu zeigen, wo unsere Kontrollsysteme versagen. Soziale Medien haben bekanntlich die Tendenz, Hass und Verschwörungstheorien zu stärken – denn ihre Algorithmen zielen auf Aufmerksamkeit und schlechte Nachrichten sind in der Medienwelt immer die besten Nachrichten. Nachdem die US-Regierung schon vor 2000 Soziale Medien von der Verantwortung für ihre von Usern generierten Beiträge freisprach (ganz im Gegensatz zu allen anderen Medien, die jederzeit geklagt werden können, wenn sie mit ihren Berichten jemanden schaden), kann sie jetzt niemand mehr in Zaun halten. Einer der größten politischen Fehler der letzten Jahrzehnte.
Die rasante Entwicklung der KI lässt nun nichtmenschliche, anorganische Akteure entstehen, denen wir uns in Zukunft gegenübersehen werden. Was aber passiert erst, wenn wir einer viel mächtigeren KI freien Lauf lassen? Und vielleicht noch viel dringender: KI ist das ideale Werkzeug für totalitäre Staaten. Was Stalin und Hitler versuchten, aber nicht geschafft haben – die komplette Überwachung aller Bürger – ist heute machbar. Man braucht sich nur die Entwicklung des Sozialkreditwesens in China ansehen. Wer nicht funktioniert, dem werden alle Grundlagen für ein angenehmeres Leben entzogen.
Aber ist eine KI wirklich kreativ? AlphaGO mag einen für Menschen unmöglich zu findenden neuen Zug geschafft haben, aber ist es kreativ, hunderte oder tausende Züge vorauszuberechnen? Sicher, eine KI kann schon heute Texte schreiben, die Menschen nicht mehr von „natürlich“ entstandenen Texten unterscheiden können. Und gewiss erscheint auch schon heute viel Mittelmaß auf dem Buchmarkt – aber pro Jahr eben auch eine Handvoll wirklich beglückender Bücher, von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass sie eine KI jemals zustande bringen könnte.
Yuval Noah Harari: „Nexus“ Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer und Andreas Wirthensohn Penguin Verlag 656 Seiten 28,99 €
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/NexusBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2024-10-08 13:28:552024-10-17 09:47:12Eine Geschichte der Information und die neue Macht KI – Yuval Noah Hararis „Nexus“ wird heiß diskutiert
Ein Mann, der sich für Jesus hält und Gottvater sucht, eine Greisin, die klüger ist als der Primar, eine junge Wut-Patientin und Dimsch, der mit seinem verstorbenen Freund redet – im Pavillon 44 kommen nur die interessantesten Fälle des psychiatrischen Krankenhauses, denn Primarius Lobell hat schon lange „Narrenfreiheit“, weil er ein persönlicher Freund des Wiener Bürgermeisters ist. Dabei ist er selbst seit Jahren von Psychopharmaka abhängig. Als sich Jesus und Dimsch für einen Tag aus dem Krankenhaus verdrücken, droht das System zusammenzubrechen – zumal Lobell gerade an diesem Tag vom Bürgermeister in einem Beisl mit Wein abgefüllt wird.
In Thomas Sautners opulenten Roman „Pavillon 44“ wird Steinhof und eigentlich ganz Wien zu einem psychologischen Grenzfall. Der in Wien und Niederösterreich lebende Autor psychologisiert sogar den eigenen Stand, indem er eine Schriftstellerin dort einquartiert, die für ihre Arbeit recherchiert und die natürlich selbst bald professionelle Hilfe zu brauchen scheint.
Das ist alles sehr unterhaltsam, wenngleich nicht immer originell. Sautner scheint bisweilen selbstverliebt in seinen Erzählstil. Aber er geht auch sehr sorgfältig mit seinem Personal um. Sogar der Busfahrer, der die Ausreißer in die City bringt, wird von Sautner liebevoll porträtiert. Und bei der Diskussion was denn eigentlich normal und was psychisch krank ist kann sich der Autor voll entfalten. In langen Spaziergängen um die eindrucksvolle Kirche am Steinhof von Otto Wagner diskutieren der Primar und die Schriftstellerin über Gott und die Welt. Auch ein karrieresüchtiger junger Nebenbuhler von Lobell, der alles mit Psychopharmaka für heilbar hält, darf nicht fehlen. Ein quasi philosophischer Roman für einige vergnügliche Lesestunden.
Thomas Sautner liest am 8. Oktober, 19 Uhr, in der Buchhandlung Seeseiten in der Seestadt aus seinem Roman.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/10/PavillonBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2024-10-04 07:00:002024-10-03 12:40:41In Steinhof stellt man sich Fragen über das Leben – Thomas Sautners „Pavillon 44“
Salim wächst in armen, aber stabilen Familienverhältnissen in Sansibar auf – er besucht die Schule und die Koranschule. Da verlässt plötzlich sein Vater das Haus ohne Erklärung, während sein Onkel Amir im Gefängnis ist und Salims schöne Mutter öfters nachmittags verschwindet. Niemand klärt Salim auf, was wirklich vor sich geht. Und das macht auch die Spannung dieses Romans aus. Erst am Ende, als die Mutter bereits gestorben ist, klärt Salims Vater – Baba – auf.
Salim ist auch der Erzähler der Geschichte. Wir folgen ihm zu seinem Studium und seinem Leben in London, wo er auch puren Rassismus erleben muss. Ausgerechnet eine aus Indien stammende Frau nennt ihn vor der Salim liebenden Tochter einen „muslimischen Nigger“. Doch Salim findet in London auch viele Freunde – die meisten sind wie er Einwanderer aus allen Teilen der Welt.
Abdulrazak Gurnah, 1948 in Sansibar, das heute zu Tansania gehört, geboren, erhielt 2021 den Nobelpreis für Literatur. Zu diesem Zeitpunkt war keiner seiner fünf in die deutsche Sprache übersetzten Titel mehr im Buchhandel verfügbar. Gurnah ist ein großartiger Erzähler, der in einer schnörkellosen Sprache die Hoffnungen und Ängste seiner Protagonisten vermitteln kann. Er lebt wie Salim in England und war lange Zeit Professor an der Universität in Kent.
In „Das versteinerte Herz“ (2017 im Original erschienen) erfährt man viel über das Leben in Sansibar und das eines Migranten in London. In seiner Heimat herrschen korrupte Politiker, das Volk wird durch staatlichen Terror in Abhängigkeit gehalten. In London erlebt Salim die Zeit des Balkankriegs und 9/11 – Misstrauen überall. Aber der Roman ist trotz des drückenden Geheimnisses kein Buch der Trauer. Salim muss seinen Weg finden, er ist einsam, findet aber immer wieder auch Menschen, die ihn aufheitern. Am Ende korrespondiert die Familiengeschichte mit Shakespeares „Maß um Maß“, in dem eine junge Frau ihren geliebten Bruder retten will und mit dem Mann schlafen soll, der ihn zum Tode verurteilt hat. Es geht um Schande und Liebe, Opfer und Enttäuschung – große Literatur!
Es ist fast schon eine kleine Gemeinschaft, die alljährlich beim D-Day für Doderer zusammenkommt, um einen der originellsten Wiener Schriftsteller – den 1966 verstorbenen Heimito von Doderer – zu feiern. Besonders auffällig waren die vielen Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Publikum. Nächstes Jahr steht sogar ein 100-Jahr-Jubiläum an, denn „Die Studlhofstiege“ spielt ja exakt am 21. September 1925. An diesem Tag verliert bekanntlich Mary K ein Bein bei einem Unfall mit der Straßenbahn.
Heuer versuchte wienlive-Autor Otto Brusatti, die literarischen Konzeptionen in Doderers Kurzgeschichten zu erhellen. Viele Erzählungen funktionieren wie Sonaten in der Musik. Besonders eindrucksvoll gelang dies bei Doderers dreiteiligem Text „Sonatine“. Brusatti las abwechselnd mit der Schauspielerin und Regisseurin Chris Pichler die kurzen Texte und spielte dazwischen jeweils einen Satz aus Mozarts „Sonate facile“ auf der mitgebrachten CD (interpretiert von Glenn Gould). Dass Doderer Musik auch als Thema seiner Werke einbaute, wurde mit einer Szene aus den „Dämonen“ – Quapps desaströses Vorspielen als Geigerin bei einem Dirigenten – unterstrichen. Nach der Podiumsdiskussion mit wienlive-Herausgeber Helmut Schneider blieben die Gäste noch lange für Gespräche im Café.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/09/Doderer2BB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-09-27 07:00:002024-09-26 12:47:40Musik & gute Stimmung beim 4. D-Day für Doderer im Café Landtmann
Am 21. September diskutieren Otto Brusatti und Helmut Schneider über Musik im Werk des Großschriftstellers Heimito von Doderer. Chris Pichler liest ausgewählte Stellen.
Heimito von Doderer, 1966 verstorben, war gewiss einer der eigenständigsten Autoren, die Wien je hervorgebracht hat. Wienlive und das echo medienhaus erinnern seit 2021 alljährlich am 21. September – das ist der Tag, an dem sein bekanntestes Werk, „Die Strudlhofstiege“, spielt und mit einem brutalen Unfall mit einer Straßenbahn beginnt – an diesen Schriftsteller, der in der Nachkriegszeit als der wichtigste Dichter Österreichs galt und beinahe den Literaturnobelpreis erhalten hätte. Heuer, beim 4. D-Day für Doderer, geht es mit dem Autor, Regisseur, Ausstellungsmacher und Musikexperten Otto Brusatti um „Musik, Lärm und Stille“ im Werk von Heimito von Doderer. Die Schauspielerin Chris Pichler wird ausgewählte Stellen lesen, wienlive-Chefredakteur Helmut Schneider wird moderieren.
Doderer war ein großer Bewunderer Beethovens, auf seinem Schreibtisch stand stets eine Partitur der 7. Symphonie. Sein letztes, unvollendet gebliebenes Romanprojekt nannte er im Tagebuch nach seiner Lieblingssymphonie „Roman No 7“ – davon wurde nur der Teil „Die Wasserfälle von Slunj“ veröffentlicht, „Der Grenzwald“ erschien posthum als Fragment. Nach dem Erscheinen des Monumentalwerks „Die Dämonen“ war Doderer der bekannteste Schriftsteller Österreichs, sogar der SPIEGEL widmete ihm ein Cover.
Brusatti: „Doderer war auch ein heimlicher Musikstrukturalist – wie viele andere und vor allem in der öster-reichischen Literatur, wie Ingeborg Bachmann oder Thomas Bernhard. Er baute musikalische Formen ein, in seine Texte. Man merkt es vorerst kaum, man soll es zumeist auch gar nicht merken.“ Dazu gibt es passende Musik aus der Konserve. Die Buchhandlung analog wird vor Ort einen Büchertisch aufstellen.
INFO 21. 9. 24 19.00 Uhr Café Landtmann Freier Eintritt, keine Reservierung möglich
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2024/09/DodererBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2024-09-20 08:36:102024-09-20 08:48:24D-Day für Doderer: Am 21. September diskutieren Otto Brusatti und Helmut Schneider über Musik im Werk des Großschriftstellers