Tatsachenroman über einen vom IS ermordeten US-Journalisten – Colum McCann schrieb mit der Mutter des Opfers Diane Foley „American Mother“

Der in New York lebende irische Schriftsteller Colum McCann schreibt seit 30 Jahren Bücher nach realen Ereignissen. Bei uns wurde er mit seiner bewegenden Darstellung des Seiltänzers Philippe Petit, der 1974 zwischen den Türmen des damals noch nicht eröffneten World Trade Centers spazierte („Die große Welt“, 2009), bekannt.

In „American Mother“ erzählt er gemeinsam mit dessen Mutter die tragische Geschichte des philanthropen Journalisten James Foley, der von IS-Terroristen vor laufender Kamera enthauptet wurde. Im Zentrum stehen drei Personen – die gläubige Mutter des Opfers Diane Foley, James Foley und einer seiner Peiniger Alexanda Kotey, der nach seiner Gefangennahme in den USA eine lebenslange Haftstrafe verbüßen muss.

Es beginnt mit der Begegnung Dianes mit Alexanda im Gefängnis. Sie weiß, dass der Terrorist lügt, wenn er sich bei ihr für das Leid entschuldigt und doch ringt sie um eine Art Verständnis. Alexanda wuchs in London auf und war britischer Staatsbürger, ehe er sich radikalisierte und in den Iran ging, um dort im Namen des Islam zu kämpfen. Das Bild mit James Foley nach der Enthauptung mit seinem Kopf auf dem Rücken ging in den Onlinemedien um die Welt. Wenn Diane also Alexanda und den ebenfalls gefangenen – angeblich noch grausameren – Kumpel Elsheik hassen würde, wäre das nicht verwunderlich.

Doch Diane ist eine gläubige Christin und lebt das Prinzip Vergebung aller Sünden. Richtig verbittert ist sie, dass sie von der US-Administration unter Obama in Stich gelassen wurde. Amerikaner und Briten verhandeln nicht mit Geiselnehmern, lautet die Doktrin und so muss Diane verfolgen wie spanische, französische und italienische Geiseln – über viele Umwege – freigekauft werden, während die US-Bürger dem sicheren Tod entgegensehen. Besonders perfide: keine der Geiseln waren Soldaten, sondern humanitäre Helfer oder Journalisten mit großem Verständnis für die Leiden der Bevölkerung vor Ort. James war schon einmal Geisel, nämlich in Libyen, kam aber dort nach Verhandlungen frei und wollte weiterhin die Wahrheit über die Kriege in Nahost berichten. Geradezu zynisch nimmt sich an, dass der Prozess von Elsheik in den USA ein Vielfaches des Lösegeldes kostete – von einer missglückten Operation der CIA zur Befreiung der Geiseln, die Millionen verschlang, ganz zu schweigen.

Colum McCanns Buch stellt sich den großen Fragen der Zeit. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendwo auf der Welt Geiseln genommen werden – aktuell sind die Medien natürlich voll mit den israelischen Geiseln in Gaza, aber auch in Südamerika blüht der Geiselhandel. „American Mother“ ist wegen der emotionalen Darstellung des Geschehens stellenweise schwer zu lesen, aber wer sich den Problemen unserer Zeit stellen will, kommt darum nicht herum.

Colum McCann (mit Diane Foley): American Mother. Eine Geschichte von Hass und Vergebung. Aus dem Englischen von Volker Oldenburg. Rowohlt. 272 Seiten, € 27,95