Der in London lebende frühere Journalist Julian Barnes ist seit seinem Romanerfolg „Flauberts Papagei“ 1984 eine fixe Größe in der englischen Literatur. Meist sind seine Bücher eine Mischung aus Erzählung und Essay mit besonderer Berücksichtigung der Tücken der Geschichtsschreibung. Bei seinem neuesten Werk „Elisabeth Finch“ ist das nicht anders.

Der letzte heidnische Kaiser – Julian Barnes „Elisabeth Finch“

Der in London lebende frühere Journalist Julian Barnes ist seit seinem Romanerfolg „Flauberts Papagei“ 1984 eine fixe Größe in der englischen Literatur. Meist sind seine Bücher eine Mischung aus Erzählung und Essay mit besonderer Berücksichtigung der Tücken der Geschichtsschreibung. Bei seinem neuesten Werk „Elisabeth Finch“ ist das nicht anders. Der Erzähler, ein älter gewordener Mann namens Neil, erinnert sich nach zwei gescheiterten Ehen an seine Zeit als Student und dabei besonders an seine Professorin Elisabeth Finch. So wie er sie beschreibt, wird sie zumal von europäischen Lesern wohl als typisch britisch klassifiziert werden. Sehr klug, aber zurückhaltend bei den Meinungen anderer, unnahbar, aber immer an einem intellektuellen Diskurs interessiert, ein bisschen verschroben in ihren Themen, aber stets offen für Kritik. EF – wie die Studenten sie bald nennen – trifft sich auch nach ihrer Pensionierung gerne mit dem Erzähler und als sie stirbt, vererbt sie ihm ihre Aufzeichnungen. Ihr Interesse galt besonders einem römischen Kaiser, der als letzter Heide vor dem Siegeszug des Christentums in die Geschichte eingegangen ist. Julian Apostata („der Abtrünnige“) – der Zunamen wurde ihm von der Katholischen Propaganda verpasst, weil er angeblich schon Christ geworden war, ehe er wieder zu den römischen Göttern zurückkehrte – war nur eine kurze Amtszeit gegönnt, er starb 263 in einer Schlacht und wurde nicht viel älter als 30 Jahre. Und trotzdem wird er in den christlichen Schriften als der Böse schlechthin verunglimpft – obgleich er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Diokletian die Christen keineswegs brutal verfolgte, sondern die christliche Lehre bloß für eine schlechte und kindische Religion ansah. Was wäre geschehen, wenn Julian die Schlacht gewonnen und über das Christentum gesiegt hätte – wäre dann etwa überhaupt eine Renaissance und Aufklärung nötig gewesen? Doch Wenn-Sätze sind in der Historie bekanntlich wenig fruchtbringend…

Barnes gibt EFs Ansichten viel Raum, der zweite Teil besteht fast zur Gänze aus einem Essay über Julian, im dritten Teil begibt sich Neil auf Spurensuche nach EF und befragt ihren Bruder und seine ehemalige Geliebte Anna – die ebenfalls mit Finch in Kontakt geblieben war. Viel findet er nicht heraus und so bleiben auch die Leser etwas enttäuscht zurück. Die Verbindung von Geschichte und Erzählung ist Barnes in anderen Romanen sicher besser gelungen.


Der in London lebende frühere Journalist Julian Barnes ist seit seinem Romanerfolg „Flauberts Papagei“ 1984 eine fixe Größe in der englischen Literatur. Meist sind seine Bücher eine Mischung aus Erzählung und Essay mit besonderer Berücksichtigung der Tücken der Geschichtsschreibung. Bei seinem neuesten Werk „Elisabeth Finch“ ist das nicht anders.

Julian Barnes „Elisabeth Finch“
Aus dem Englischen von Gertraude Krueger
Kiepenheuer & Witch
240 Seiten
€ 24,70