Gleich vorweg – die Stadt der Hunde ist Tel Aviv, wo gutsituierte Menschen am schicken Rothschild Boulevard ihre Vierbeiner Gassi führen. Dort ist der holländische Star-Gehirnchirurg Jaap Hollander, der ungewollt in eine höchst geheime und delikate Mission verwickelt wird. Er soll nämlich die junge Tochter des saudischen Herrschers mit einer Operation heilen. Ein Unterfangen, das sämtliche Fachleute abgelehnt haben zumal sie fürchte dass sie nicht am Leben bleiben würden, wenn die Operation schief geht…. Aber Jaap ist nun einmal der beste – obwohl er schon im Ruhestand ist und Israel nur besucht, weil er das Andenken an seine eigene Tochter, die vor 10 Jahren in einem Krater der Negev-Wüste spurlos verschwunden ist. Dabei war seine Beziehung zu Lea vor ihrem Verschwinden nicht einmal besonders intensiv. Aber seit ihrem Verschwinden kommt er regelmäßig, um sie zu suchen. In der Nähe seines Hotels, wo Lea verschunden ist, taucht inzwischen immer wieder ein Hund auf, der Jaap wie ein Führer durch die Unterwelt erscheint – sozusagen der Höllenhund Zerberus aus der griechischen Mythologie.
„Die Stadt der Hunde“ ist ein bemerkenswert spannender Mystery-Thriller, der sicher auch gut zur Sommerlektüre geeignet ist. Politische Diagnose des Nahost-Konflikts inklusive.
Leon de Winter: Stadt der Hunde. Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer. 264 Seiten, € 27,50
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/07/Stadt-der-Hunde.jpg1000633Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-07-02 11:56:472025-07-02 11:56:482 Töchter und der Frieden in Nahost – Leon de Winters ungewöhnlicher Arzteroman „Stadt der Hunde“
Zwillinge sind wohl eine eigene Spezies. Gleichalt aufwachsen, oft sich ähnlich sehend und doch verschieden, sofern es sich nicht um eineiige Zwillinge handelt. Die niederländische Autorin Jente Posthuma beschreibt ein solches Zwillingspaar aus der Sicht des Mädchens, das um ihren Zwillingsbruder trauert, der sich mit 35 Jahren das Leben genommen hat. Dass sie das nicht mit teigigem Trübsinn macht, verleiht dem Roman den nötigen Charme und die gebotene Ernsthaftigkeit. Die Schwester erzählt jeweils in kurzen Sequenzen, in denen sie in Zeit und Thema springt. Etwa indem sie von den Zwillingsexperimenten Josef Mengeles berichtet, vom Einsturz der Twin Towers oder vom Selbstmord Sylvia Plaths.
Der Bruder war nur 45 Minuten älter, nannte sich aber „Eins“ und die Schwester (wie selbstverständlich) „Zwei“. Er war anfangs der Robuste, immer Quirlige und die Schwester die Fragende. In der Schule wird er gemobbt, denn früh zeigt sich auch, dass er homosexuell ist. Die Schwester zieht sich zurück und verwendet Pullover als Ersatz-Kuscheltiere. 142 bunte Pullover umfasst ihre Sammlung, als sie konstatiert: „Es wurde Zeit, in Therapie zu gehen.“ Sie findet freilich einen verständnisvollen Partner, der ihr sogar nachsieht, dass sie nach dem Tod des Bruders nächtelang in dessen naher Wohnung schläft.
Der Roman wurde zurecht für den Booker-Preis nominiert. Ein sehr genaues Porträt einer Zwillingsbeziehung und eines Verlustes.
Jente Posthuma: Woran ich lieber nicht denke. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke. Luchterhand, 256 Seiten, € 23,95
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/06/Woran-ich-lieber-nicht-denke.jpg1000630Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-06-25 07:27:442025-06-25 07:27:45Zwillingsgeschwister – Jente Posthumas Roman „Woran ich lieber nicht denke“ über einen Verlust
Die 1985 in Berlin geborene Ta-Som Helena Yun bringt in ihrem Debütroman die Zerrissenheit einer jungen Frau zwischen zwei Welten auf den Punkt. Dabei läuft für ihre Protagonistin Sunny auf den ersten Blick alles bestens. Das Jurastudium hat der 26-Jährigen wenig Mühe gemacht. Die aus Korea stammenden Eltern können ihre Tochter bei Bekannten aus der Community mit Stolz präsentieren. Doch in Wirklichkeit ist Sunny am Ende ihrer Kräfte. Sie glaubt noch immer, ihre Abtreibung mit 16 würde als Makel an ihr bis in alle Ewigkeiten kleben und ihre Beziehung zu einem angehenden Arzt ist zerbrochen. Nach einem Streit mit ihrer dominanten Mutter flüchtet Sunny aus Bremen nach Berlin zu der etwas älteren Ha, die mit Sunny in der Familie aufgewachsen war, weil sie die Verhältnisse in Korea nicht ertragen konnte. Ha leitet ein koreanisches Sport- und Kulturzentrum am Rande der Stadt. Und dort zieht Sunny kurzerhand ein. Das Periphere, Unsichere ihrer Existenz scheint ihr entgegenzukommen – sie startet nur halbherzig Versuche, Job und Wohnung zu finden. Monatelang lebt sie neben Turnmatten und Medizinbällen. Nach und nach begreifen wir ihre Situation, die ähnlich vieler Migranten scheint. Wobei natürlich die allermeisten weit weniger privilegiert sind. Denn Sunnys Eltern sind wohlhabend, der Vater war in Korea Führer der Opposition und ist in Deutschland Professor. Und Sunny ist perfekt zweisprachig.
Ha überträgt ihr schließlich ein Projekt. In Berlin wurde ein Denkmal für die sogenannten „Trostfrauen“ errichtet, das jetzt plötzlich im Viertel zu stören scheint. Unter diesem euphemistischen Begriff sind Frauen gemeint, die während der japanischen Besatzung Koreas den fremden Soldaten zu Diensten sein mussten. Nach dem Weltkrieg wurden diese oft von ihren eigenen Angehörigen abermals gedemütigt und gemieden.
Ta-Som Helena Yun beschreibt aber auch andere Koreanerinnen in Berlin. Und so besteht das Bild einer eigenen Gemeinschaft mit Ha im Mittelpunkt. Doch Ha ist weit weniger stark als Sunny anfangs vermutet.
Ta-Som Helena Yun wirft einen interessanten Blick auf eine spezielle Community, das Buch liest sich sehr unterhaltsam – obwohl die Hauptperson ja über lange Strecken antriebslos ist und die Konfliktszenen – etwa mit Sunnys Mutter – nicht groß ausgeschlachtet werden. Gehört auch einmal gewürdigt: Der Leykam Verlag macht ausnehmend sorgfältig und originell gestaltete Bücher.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/05/YUN_Oh-Sunny_rgb.jpg24211535Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-05-28 07:14:532025-05-28 07:14:55Koreanerinnen in Berlin und Bremen – Ta-Som Helena Yuns Roman „Oh Sunny“
752 Seiten über ein Staatsgebilde, das es seit 1989 nicht mehr gibt. Soll man sich das antun? Ja, unbedingt! Denn zum einen unterhält Christoph Hein trotzt mancher Längen und trotz eines sehr nüchternen Stils durchaus mit interessanten Romanfiguren. Und zum anderen ist die DDR natürlich Geschichte, aber an den Verwerfungen dieser Zeit kauen nicht nur die Deutschen noch immer, wie überhaupt fast alle ehemaligen Staaten der Sowjetunion an Russland eine dicke Rechnung stellen müssten. Und: Die DDR war eine Diktatur, eine Staatsordnung, die leider wieder Konjunktur zu haben scheint.
Hein konzentriert sich dabei auf 6 Menschen, deren Leben er mit der DDR-Geschichte – vom Aufstand in der Stalinallee 1953, der geheimen Rede Chruschtschows nach Stalins Tod über dessen Terror, dem Ungarn-Aufstand 1956, dem Mauerbau, dem Prager Frühling bis zu den Montags-Demos und dem Mauerfall – spiegelt.
Und zwar: Johannes Goretzka, der vom glühenden Nazi zum Stalinisten mutiert, Kartsen Emser, Professor und Politbüro-Mitglied, deren beider Frauen, die ebenfalls Karriere im Regime machen, sowie Benaja Kuckuck, ein exzellenter Shakespeare-Kenner, der sich Hoffnungen auf eine Professur macht dann aber in der Kulturverwaltung arbeiten muss. Alle Männer kommen aus dem Exil und repräsentieren den Willen, einen wirklich gerechten sozialistischen Staat zu schaffen. Goretzkas Frau Yvonne bringt ihre Tochter Kathinka in die Ehe mit – deren Vater war ein Jude, dem die Flucht aus Nazi-Deutschland nicht gelungen ist. Im Freundeskreis werden die jeweiligen politischen Ereignisse diskutiert, man hilft sich auch gegenseitig im sicheren Wissen, dass man gegen die Partei niemals im Recht sein kann. Wer aufbegehrt, verliert die Mitgliedschaft und darf – wenn er Glück hat – nach einem Jahr an der Parteischule wieder einen Antrag stellen. Und natürlich war der Staat, wie die Ökonomen bald schon wissen, wirtschaftlich eine Fehlkonstruktion wie überhaupt der Kommunismus wegen fehlender Anreize zum Wettbewerb niemals funktionieren konnte. Am Ende wird der Ausverkauf des DDR-Vermögens geschildert, viele verlieren Heim und Hof, denn findige Juristen verhelfen den Erben ehemaliger Eigentümer wieder zu ihren Rechten.
Klingt alles recht trocken, aber Hein bringt auch private Schicksale – Banaja ist homosexuell und muss das zunächst auch in der DDR verbergen, Yvonne hat Affairen, da ihr Mann nicht nur invalide, sondern auch völlig lieblos zu ihr ist. Kathinka versucht einen Weg abseits der Parteilinie und wird Teil der Montags-Demos. „Das Narrenschiff“ wirkt schon wegen des konsequent auktorialen und chronologischen Erzählens wie aus der Zeit gefallen. Aber es zahlt sich aus, einen Staat beim Werden und Untergehen zu verfolgen.
Christoph Hein: Das Narrenschiff. Suhrkamp Verlag, 752 Seiten, € 28,80
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/05/covernarrenschiff100_v-quadratl.jpg.avif900900Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-05-21 08:50:242025-05-21 08:50:26Aufbruch & Untergang der DDR – Christoph Heins Monumentalroman „Das Narrenschiff“
Auch der Büroalltag kann zum Horror werden. Ein kleiner Schneesturm und der Erzähler ist plötzlich mit dem Sicherheitsmenschen und einem etwas kauzigen Kollegen im Büro allein. Der hat gerade eine Scheidung am Hals, seine Frau hat aufgenommen, dass er sie umzubringen gedroht hat und der Sicherheitsmensch hat seltsame Ideen zur Geschichte der Rassentrennung. Doch auch der Erzähler ist seltsam und am Ende bleibt ein beklemmendes Gefühl übrig. Was ist hier los?
Das ist die erste Geschichte der 10 Stories, die der junge amerikanische Erzähler, der noch nicht einmal einen Wikipedia-Artikel hat, obwohl er global schon ziemlich gehypt wird. In „Es werden schöne Tage kommen“ schafft er eine Art postzivilisatorische Welt, in der unser Alltag schon ziemlich kaputt geworden ist. Der Horror im Alltag ist vielleicht unser schlimmster Horror.
Wir erleben, wie eine Mutter beobachtet, wie ihrem Baby ein sechster Zeh wächst, wie zwei ungleiche Brüder in der Provinz Jugendliche beim sinnlosen Feiern beobachten, wie ein Park-Ranger eine Ausflugscrew in Zaum zu halten versucht oder wie ein trauernder Witwer in eine antikapitalistische Verschwörungsgesellschaft gerät. Könnte doch allen passieren, oder?
Zach Williams: Es werden schöne Tage kommen, Stories. Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz, dtv, 272 Seiten, € 25,50
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/9783423284615__COVER_2D-Produktcover-Web-klein_1920x1920.jpg813500Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-04-29 12:18:522025-04-29 12:21:44Geschichten vom Ende der USA – Zach Williams „Es werden schöne Tage kommen“
Heuer jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. U.a. wird am 8. Mai am Heldenplatz das „fest der freude“ gefeiert. Unter dem Motto: „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus – Für ein Niemals wieder und Frieden in Europa“.
Chris Lohner hat die Nachkriegsjahre noch gut im Gedächtnis – „Ich bin ein Kind der Stadt“, nennt sie ihr Buch, in dem sie über diese Zeit schreibt. Lesen Sie hier ein Interview zum Erscheinen des Buches 2020.
wienlive: Sie schreiben, Sie waren rachitisch und unterernährt, aber irgendetwas Essbares fand sich immer…
Chris Lohner: Wir hatten sehr nette Nachbarn, die Portners, die einen Schrebergarten in Meidling besaßen, wo sie Gemüse anbauten, das sie mit uns teilten. Manchmal wurden wir Kinder auch dorthin eingeladen und dann durften wir Beeren essen. Das war wie im Märchen. Andererseits kannten wir keinen Riesenhunger, weil wir ja gewohnt waren, sehr wenig zu essen.
War es in Wien nicht leichter?
Ganz im Gegenteil. In der Stadt war es viel ärger als auf dem Land, wo man immer wieder einmal einen Erdapfel oder ein kleines Stückerl Brot bekam. Darum ist ja meine Großmutter zum Beispiel auf den Laaerberg gegangen, um dort Sauerampfer zu pflücken oder Brennnesseln, die sie dann verkocht hat.
Dann kamen aber die CARE-Pakete aus den USA …
Das war großartig! Wie Weihnachten und Ostern zusammen. Später wurde ich dann Ehrenmitglied von CARE.
Sie erzählen auch von Bassenawohnungen, also Klo und Wasser auf dem Gang, sowie von Bettwanzen.
Wir wurden jeden Morgen auf rote Punkte, also Wanzenbisse, kontrolliert und wenn welche gefunden wurden, streute man hochgiftiges DDT aufs Bett. Man hatte nichts anderes und niemand dachte sich etwas dabei. Jeder machte das, weil ja alle Wanzen hatten.
Sie wuchsen im zerbombten Wien mit Not und Entbehrungen auf, beschreiben Ihre Kindheit aber als eine sehr glückliche.
Wir waren zwar arm, aber gleichzeitig in vielerlei Hinsicht sehr reich. Unsere Eltern haben sich mit uns beschäftigt, mit uns gespielt und waren für uns da. In der Volkshochschule, die mein Vater leitete, durfte ich Kurse besuchen. Ich lernte Töpfern, Französisch und Nähen, zudem gingen wir ins Kino und wir unternahmen regelmäßig Ausflüge aufs Land wie etwa Wandern im Wienerwald. Uns Kinder langweilte das, aber meine Liebe zur Natur verdanke ich meinen Eltern. Denn wir waren so oft als möglich im Freien.
Chris Lohner: „Ich bin ein Kind der Stadt. Wienerin seit 1943“ Vorwort von Hugo Portisch €19,80 echomedia Buchverlag
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/LohnerBB-1.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2025-04-18 09:07:492025-04-18 09:40:48Chris Lohner über die Nachkriegsjahre
Immer in der Fremde – Christoph Zielinskis Roman „Laurenzerberg“ über polnische Juden in Wien nach dem Krieg. Am 10. Mai bei RUND UM DIE BURG.
Am Laurenzerberg beim Schwedenplatz befindet sich die Wohnung von Ada und Szymon, aus Polen stammende Juden, wo auch Adas Cousin Wacek und seine Frau Fela oft zu Gast sind, zumal Wacek in Szymons Unternehmen arbeitet. Wir sind im Wien der 60er-Jahre. An den Schaltstellen der Stadt arbeiten noch immer frühere Nazis, die gerne von ihren Kriegserlebnissen erzählen, während sich die ehemaligen KZ-Häftlinge ihrer tätowierten KZ-Nummer auf dem Arm schämen. Sie sind nach Wien gekommen, weil man im Ostblock mitnichten vor antisemitischen Anfeindungen geschützt ist.
Der bekannte Krebsspezialist Prof. Christoph Zielinski wollte dieser Generation mit seinem Roman eine Art Denkmal setzten. Entstanden ist aber auch das Bild eines Wien, in dem Klassenunterschiede zelebriert werden und die Vergangenheit der Opfer am besten nicht angesprochen wird. Und natürlich ist „Laurenzerberg“ auch ein Migrantenroman über Menschen, die sich nirgendwo zu Hause fühlen und sich in Wien nach Krakau sehnen – obwohl sie wissen, dass dort gerade ein Regime alle Freiheit zunichte macht.
Zielinski kann sehr gut Szenen aus dieser Welt malen – etwa den Besuch der zunächst noch armen Familie bei der schon wohlhabenderen Familie im Südbahnhotel oder die ärztliche Konsultation bei einem Professor, der seiner jüdischen Patientin gerne Anekdoten aus seiner Zeit als SS-Mann in Italien erzählt. Im Nachwort beschreibt Zielinski das Entstehen des Romans – nichts ist wirklich erfunden, aber er hat die verschiedensten Personen zu Romanfiguren zusammengesetzt.
Am 10. Mai wird Christoph Zielinski seinen Roman bei RUND UM DIE BURG vorstellen (13.30 Uhr, Restaurant Vestibül im Burgtheater, Eintritt frei)
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/LaurenzerbergBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-04-18 08:47:402025-04-18 09:08:08Immer in der Fremde – Christoph Zielinskis Roman „Laurenzerberg“ über polnische Juden in Wien nach dem Krieg. Am 10. Mai bei RUND UM DIE BURG.
Auch Chris Lohner kommt zum Festival RUND UM DIE BURG (9. und 10. Mai, rundumdieburg.at) Hier ein Ausschnitt aus dem Interview mit ihr von Ingrid Luttenberger im aktuellen Wien live.
Vor mehr als 50 Jahren machte Chris Lohner ihre erste Ansage im ORF. Sie war (und ist) Fotomodell, Schauspielerin, Stimme der ÖBB, Autorin und eine Pop-Ikone – spätestens seit ihren legendären Auftritten in den „Kottan“-Folgen mit Lukas Resetarits. Heute, mit 82 Jahren, ist sie hochaktiv. Ihr 15. Buch ist gerade erschienen und sie setzt sich für Feminismus ebenso ein wie für Menschen in Afrika.
wienlive:Chris, du blickst auf mehr als 50 Jahre Erfahrung in der Medien- und Kommunikations- branche zurück. Du hast eine professionelle Website, gerade dein 15. Buch geschrieben, du bist auf Facebook. Wie und womit kommuniziert eigentlich die private Chris?
Im aktuellen Wien live auf Seite 8 spricht Chris Lohner mit Ingrid Luttenberger.
Chris Lohner: Gespräche sind mir das Wichtigste! Ich pflege Freundschaften persönlich, ich telefoniere weltweit. WhatsApp nütze ich auch. Das Wichtigste ist mir, dass ich mit meinen Freunden reden und mich auf das Gespräch konzentrieren kann. Daher mag ich schon FaceTime und Videotelefonie nicht, das lenkt mich ab. Briefe schreibe ich gerne, obwohl das durch das Internet weniger geworden ist. Mails verschicke ich auch.
Leider hast du auch Rassismus hautnah erlebt, selbst noch in den 80er-Jahren. Der jamaikanische Musiker und Tennisspieler Lance Lumsden war lange dein Lebensgefährte – und du damit die erste prominente Österreicherin, deren Beziehung zu einem Farbigen öffentlich Thema war.
Ja, Lance und ich waren 14 Jahre lange zusammen. Es ist schon verrückt, was ich damals alles zu hören bekommen habe. Man hat mich sogar eine „Negerhure“ genannt. Heute darf man nicht mehr „Neger“ sagen.
Dein Engagement geht – noch immer – weit über eine angemessene Sprache hinaus. Dein neues Buch heißt „wenn afrika lächelt“ und schildert deinen Einsatz als Botschafterin von „Licht für die Welt“. Chris Lohner in Armutsvierteln in Afrika …
… 20 Jahre lang. Teilweise habe ich dort abends im Schlafsack und mit Taschenlampe mein Tagebuch geschrieben. Und aus diesen Aufzeichnungen ist jetzt das Buch entstanden. Es ist unglaublich, wenn man erlebt, wie jemand durch eine Operation sein Augenlicht wiedererlangt. Vielleicht werden manche Menschen, die das Buch lesen, etwas besser verstehen, wie gut es uns hier geht. Und ein bisschen demütiger werden.
Du schilderst in deinem Afrika-Buch berührende, traurige, aber auch heitere Momente. Das Lächeln hat es sogar in den Buchtitel geschafft. Als du deinen ersten Roman „Der Krokodilmann“ bei „Kaiser“ Robert Palfrader präsentiert hast, bist du selbst als „Ansagerin“ für „die Ansagerin“ aufgetreten. Mit einer Karotte am Revers. Humor, Selbstironie – sind das tragende Elemente in deinem Leben?
Ja! Humor ist nach der Liebe das Wichtigste überhaupt! Humor hilft immer. Und auch, über sich selbst lachen zu können. Etwas anderes, das mir sehr hilft, ist die Fähigkeit, immer wieder das Gute im Schlechten zu sehen. Und: Ich glaube fest an ausgleichende Gerechtigkeit.
Am 10. Mai, 13 Uhr, wird Chris Lohner im Restaurant Vestibül im Burgtheater beim Festival RUND UM DIE BURG ihr Buch „Wenn Afrika lächelt“ vorstellen. Eintritt frei!
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/LohnerBB.png11001800wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2025-04-09 09:07:212025-04-11 07:53:47Chris Lohner bei Rund um die Burg
Man glaubt ja immer, heutzutage laufe das Internet und alles, was daran hängt, längst über Satelliten. Ein Irrtum, denn weit mehr als 90 Prozent des transkontinentalen Datenaustausches – von Telefonaten übers Internet bis hin zu Finanztransaktionen – funktionieren über Unterseekabel. Davon gibt es derzeit 1,48 Millionen Kilometer. Wenn eines dieser überraschend dünnen – nur 4 Zentimeter dicken – Glasfaserkabeln ausfällt, rücken spezielle Schiffe zur Reparatur aus, um sie wieder zu flicken. Um eine solche Aktion und natürlich um noch viel mehr geht es im neuen Roman des inzwischen in New York lebenden irischen Autors Colum McCann, der damit wiederum beweist, dass er zur absolut ersten Riege der lebenden Schriftsteller gehört.
In „Twist“ sind wir im Kopf des gescheiterten Schriftstellers Anthony Fennell, der eine Reportage – 10.000 Zeichen – über die Reparatur eines Kabelbruchs in der Tiefsee schreiben soll und der in Kapstadt mit dem Einsatzleiter John Conway zusammentrifft. Beide sind Iren, die schon in verschiedenen Regionen der Welt gelebt haben. Fennell lernt auch Zanele ,die ungewöhnlich hübsche Frau Conways, die aus den Townships stammt und als Schauspielerin eine Beckett-Aufführung in England vorbereitet, kennen.
McCanns Figuren sind freilich maximal vielschichtig, der Erzähler hat eine gescheiterte Ehe hinter sich, einen Sohn, den er fast nie besucht, und er ist Alkoholiker. Die Fahrt auf dem Reparaturschiff nützt er als Entzug, denn an Bord ist Alkohol verboten. Conway wird im Laufe des Romans immer mysteriöser, seine Verbindung mit Zanele brüchig. Irgendetwas treibt den betont selbstkontrolliert wirkenden Mann an, dessen größte Leidenschaft das Apnoetauchen ist. Wir erleben schließlich, wie zwei Kabel geflickt werden – ein höchst komplexer Vorgang, der eine perfekt eingespielte international besetzte Mannschaft erfordert. McCann hat zweifelsohne gut recherchiert. Doch bevor das dritte Kabel vor der Küste Ghanas – die einfachste Operation – ausgeführt wird, verschwindet Conway plötzlich und Fennell strandet in Accra, wo er die schrecklichen Auswirkungen der Globalisierung und des Kolonialismus erleben muss.
Fennell spricht es selbst an: Die Geschichte Conways scheint eine weitere Adaption von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“, der Erzähler beschreibt genau die Eingangsszene in Coppolas Verfilmung „Apocalypse Now“, in der der Schauspieler Martin Sheen in real einen Spiegel mit der bloßen Faust zertrümmert. Der finale Twist Conways soll hier aber nicht verraten werden. Nach dem grandiosen Buch über den Nahostkonflikt aus der Sicht der Opfer – „Apeirogon“ – ist McCann wieder ein Roman gelungen, der zentrale Fragen unserer heutigen Welt stellt. Unsere Existenz baut zunehmend auf fragile technische Lösungen, während wir für unsere persönlichen Bindungen kaum mehr Worte oder Gesten finden. Ein Buch, das sehr lange nachhallt.
Colum McCann: Twist Aus dem Englischen von Thomas Überhoff Rowohlt 414 Seiten € 29,50
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/TwistBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-04-09 08:45:382025-04-09 08:51:07Unsere fragilen Verbindungen – Colum McCanns kluger Roman „Twist“ über Unterseekabeln enthüllt unsere gestörte Kommunikation
Dreimeterdreißig ist die Höhe der Wiener Altbauwohnung, in der Klara eines Tages neben ihrem toten Freund Balázs aufwacht. Ein Schock zweifelsohne, doch Klara will das Offensichtliche nicht wahrhaben.
Die österreichische Autorin Jaqueline Scheiber, Jahrgang 1993, war einige Jahre als Influencerin unter dem Namen Minusgold sehr erfolgreich und arbeitete auch als Sozialarbeiterin. „dreimeterdreißig“ ist ihr erster Roman und er ist sehr poetisch geworden. Scheiber reflektiert dabei aber nicht nur die Gefühlswelt von Klara, sondern auch das Umfeld des anscheinend bestens integrierten Ungarn Balázs, der in einem Theater hinter der Bühne arbeitete. Daneben ist es auch ein Bild der Generation der jungen Menschen nach dem Zerfall des Ostblocks, das Aufwachsen in instabilen Verhältnissen. Freiheit kann bekanntlich auch überfordern. Die Erfahrung, einen nahen Menschen zu verlieren, musste die junge Autorin auch selbst machen. Trotzdem ist „dreimeterdreißig“ kein Buch über Trauer, sondern ein intensiver Roman über eine Beziehung.
Am 10. Mai wird Jaqueline Scheiber ihr Buch bei RUND UM DIE BURG (12.30 Uhr, Restaurant Vestibül im Burgtheater) vorstellen.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2025/04/DreiMeterDreissigBB.png11001800Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2025-04-03 11:30:452025-04-09 08:51:40Das Nachfühlen einer Beziehung – Jaqueline Scheiber: dreimeterdreißig bei RUND UM DIE BURG am 10. Mai