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„Nichts“ passiert – Percival Everetts unterhaltsamer Pop-Kultur-Krimi „Dr No“

Es gibt Dinge, die liegen jenseits unserer Vorstellung. Das Universum ist vor 13,8 Milliarden Jahren aus dem Urknall entstanden. Aber was war davor? Die wissenschaftliche Antwort, dass erst mit dem Urknall die Zeit entstanden ist und daher die Frage nach dem Davor sinnlos ist, kann unser im Endlichen gefangenes Denken natürlich nicht begreifen. Genauso wenig können wir uns das Nichts vorstellen. Und um das Nichts geht es in Percival Everetts höchst spannenden Roman in James-Bond-Setting „Dr No“. Denn Wala Kitu ist Professor für Mathematik an der renommierten Brown University und Experte für nichts. Als ebensolcher erhält er von einem reichen Exzentriker namens Sill, der beschlossen hat, sich als Schurke auszuleben, 2 Millionen Dollar überwiesen, damit er ihm als Experte für nichts dabei hilft. Sill, der wie Kitu eine schwarze Hautfarbe hat, musste vor seinem Reichtum reichlich Rassismus erleben und will sich jetzt rächen. In Ford Knox sollen nämlich nicht nur die Goldreserven der USA lagern, sondern auch eine Box, in der sich nichts befindet. Denn nichts hat angeblich die Power alles verschlingen zu können.

Wir sehen schon, Everett leistet sich den unendlichen? Spaß, mit nichts zu jonglieren und Sätze mit mehrdeutigen Aussagen zu schaffen. Leser werden mindestens alle 10 Seiten verblüfft. Aber „Dr No“ ist trotzdem ein veritabler Krimi samt Liebesgeschichte, denn eine Kollegin ist bald schon mit von der rasanten Partie, die an mehreren abenteuerlichen globalen Standorten abläuft. Sill gelingt es mithilfe von nichts eine Kleinstadt im Nordosten der USA auszulöschen, in der er vor Jahrzehnten rassistisch beleidigt wurde. Nichts bleibt übrig, denn alle, die die Stadt gekannt haben, können sich an nichts erinnern.

Everett liefert Schusswechsel und Exekutionen, denn natürlich sind ihm die Geheimdienste auf den Spuren. Der Autor wollte sicher auch beweisen, dass er neben dichten Romanen zum Thema Rassismus – im letzten, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman „James“ erfindet etwa die Nebenfigur Jim in „Huckleberry Finn“ die Geschichte neu – auch unterhaltsame Krimis schreiben kann. Nun, es ist ihm zweifelsohne gelungen!

Percival Everett: Dr No. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Hanser, 320 Seiten, € 26,80

Tatsachenroman über einen vom IS ermordeten US-Journalisten – Colum McCann schrieb mit der Mutter des Opfers Diane Foley „American Mother“

Der in New York lebende irische Schriftsteller Colum McCann schreibt seit 30 Jahren Bücher nach realen Ereignissen. Bei uns wurde er mit seiner bewegenden Darstellung des Seiltänzers Philippe Petit, der 1974 zwischen den Türmen des damals noch nicht eröffneten World Trade Centers spazierte („Die große Welt“, 2009), bekannt.

In „American Mother“ erzählt er gemeinsam mit dessen Mutter die tragische Geschichte des philanthropen Journalisten James Foley, der von IS-Terroristen vor laufender Kamera enthauptet wurde. Im Zentrum stehen drei Personen – die gläubige Mutter des Opfers Diane Foley, James Foley und einer seiner Peiniger Alexanda Kotey, der nach seiner Gefangennahme in den USA eine lebenslange Haftstrafe verbüßen muss.

Es beginnt mit der Begegnung Dianes mit Alexanda im Gefängnis. Sie weiß, dass der Terrorist lügt, wenn er sich bei ihr für das Leid entschuldigt und doch ringt sie um eine Art Verständnis. Alexanda wuchs in London auf und war britischer Staatsbürger, ehe er sich radikalisierte und in den Iran ging, um dort im Namen des Islam zu kämpfen. Das Bild mit James Foley nach der Enthauptung mit seinem Kopf auf dem Rücken ging in den Onlinemedien um die Welt. Wenn Diane also Alexanda und den ebenfalls gefangenen – angeblich noch grausameren – Kumpel Elsheik hassen würde, wäre das nicht verwunderlich.

Doch Diane ist eine gläubige Christin und lebt das Prinzip Vergebung aller Sünden. Richtig verbittert ist sie, dass sie von der US-Administration unter Obama in Stich gelassen wurde. Amerikaner und Briten verhandeln nicht mit Geiselnehmern, lautet die Doktrin und so muss Diane verfolgen wie spanische, französische und italienische Geiseln – über viele Umwege – freigekauft werden, während die US-Bürger dem sicheren Tod entgegensehen. Besonders perfide: keine der Geiseln waren Soldaten, sondern humanitäre Helfer oder Journalisten mit großem Verständnis für die Leiden der Bevölkerung vor Ort. James war schon einmal Geisel, nämlich in Libyen, kam aber dort nach Verhandlungen frei und wollte weiterhin die Wahrheit über die Kriege in Nahost berichten. Geradezu zynisch nimmt sich an, dass der Prozess von Elsheik in den USA ein Vielfaches des Lösegeldes kostete – von einer missglückten Operation der CIA zur Befreiung der Geiseln, die Millionen verschlang, ganz zu schweigen.

Colum McCanns Buch stellt sich den großen Fragen der Zeit. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendwo auf der Welt Geiseln genommen werden – aktuell sind die Medien natürlich voll mit den israelischen Geiseln in Gaza, aber auch in Südamerika blüht der Geiselhandel. „American Mother“ ist wegen der emotionalen Darstellung des Geschehens stellenweise schwer zu lesen, aber wer sich den Problemen unserer Zeit stellen will, kommt darum nicht herum.

Colum McCann (mit Diane Foley): American Mother. Eine Geschichte von Hass und Vergebung. Aus dem Englischen von Volker Oldenburg. Rowohlt. 272 Seiten, € 27,95

Elefanten grasen mitten in Berlin – Gaea Schoeters böse Satire „Das Geschenk“

Bei ihrem im Vorjahr auf Deutsch erschienenen Roman „Trophäe“ konnte ich stellenweise nicht mehr weiterlesen – so schockierend war die beschriebene Menschenjagd in Afrika und so überzeugend waren die Hintergründe dargelegt. Im neuen Werk „Das Geschenk“ bleibt die flämische Autorin Gaea Schoeters ihrem Thema Kolonialismus und die Gesetze des heutigen Kapitalismus treu, allerdings ist der Roman eine Satire – die sehr witzigen Szenen überwiegen.

In Berlin tauchen plötzlich Elefanten auf und bringen das öffentliche Leben zum Erliegen. Bundeskanzler Winkler erfährt durch ein Telefongespräch mit dem Präsidenten von Botswana, dass es sich um ein Geschenk aus Afrika handelt, denn Deutschland hatte vor kurzem ein Einfuhrverbot für Jagdtrophäen beschlossen und damit den armen Bewohnern Botswanas die Lebensgrundlage entzogen. Ein Danaergeschenk also – Deutschland muss plötzlich mit 20.000 Elefanten klarkommen und die Dickhäuter brauchen nicht nur 100 Liter Wasser, sondern auch Tonnen an Futter pro Tag und Rüssel. Der Dung stellt noch einmal ein anderes Problem dar.

Schoeters beschreibt kenntnisreich die Zwickmühlen heutiger Politiker, die demokratisch gewählt sind. Es gibt eben immer Profiteure von Krisen, die simple Lösungen ohne Rücksicht auf andere anbieten. Winkler und sein aalglatter Büroleiter hanteln sich von einer Katastrophe zur nächsten – der Dung wird etwa zu einem in ganz Europa begehrten Dünger verarbeitet und die Geburt des ersten deutschen Elefanten bringt Popularitäts-Bonus-Punkte. Doch dann folgt ein schlimmer Unfall mit einem Dickhäuter auf der Autobahn und aus dem Elefantendung wachsen plötzlich invasive Monsterpflanzen.

Man liest den kurzen, pointierten Roman gerne in einem Schwung und mit viel Vergnügen. Sogar eine ehemalige deutsche Kanzlerin hat ihren Auftritt. Wie 20.000 Elefanten über Nacht am Zoll vorbei in Deutschland landen können, wird zwar nicht erklärt, aber es ist eben eine Satire. Und ersetzt man die Elefanten mit Flüchtlingen – wie wohl intendiert – wird die Geschichte noch brisanter.

Gaea Schoeters: Das Geschenk. Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing. Zsolnay, 142 Seiten, € 22,70

Wie ein jüdisches Arbeiterkind die Nazi-Zeit in Wien überlebte – „Glockengasse 29“ von Vilma Neuwirth

„Dieses Buch habe ich gelesen wie einen Krimi“ schreibt Elfriede Jelinek im Vorwort. Dabei bleibt die 2016 verstorbene Autorin ihrem fast heiterem – wienerischen – Ton bis zum Schluss treu. Aber es geht in dieser Lebensgeschichte aus der Leopoldstadt tatsächlich oft um Leben oder Tod. Denn die kleine Vilma ist ein aufmüpfiges Kind: „Wir waren acht richtige Gfraster“, heißt es gleich zu Beginn über ihre Geschwister und Spielkameraden. Und als sich nach dem Anschluss so gut wie alles in Österreich änderte, war jede Ordnungswidrigkeit gefährlich, denn Vilma war nach Nazijargon „Halbjüdin“. Ihre christliche Mutter aus Niederösterreich war mit einem jüdischen Friseur, der nach dem Tod seiner Frau mit drei Kindern dastand, eine Zweckehe eingegangen, da sie selbst eine uneheliche Tochter hatte. Vilma kam 1928 zur Welt, als die Nazis kamen, war sie 11 und konnte nicht begreifen, warum die Nachbarn in der Glockengasse 29 plötzlich ihre Mutter als „Judenhur“ beschimpften und ihre Spielkameraden nicht mehr mit ihr spielen wollten. Bis zum Anschluss war sie in deren Wohnungen aus und ein gegangen, man hatte das Wenige, was man hatte, geteilt. Für einen Nachbarn hatte man im Austrofaschismus sogar einen Koffer aufbewahrt – nicht ahnend, dass darin die damals illegale SA-Uniform versteckt war. In ebendieser Uniform wollte dieser dann Vilmas Vater zum berüchtigten Gehsteigputzen mit der Zahnbürste zwingen. Doch Vilmas Mutter wusste das mit ihrem energischen Auftreten zu verhindert. Ihr Mut sollte die Familie noch oft retten, zwei von Vilmas Brüdern gelang die Flucht.

Vilmas ungebrochener Übermut brachte die Familie aber oft in Gefahr. Sie ging etwa auch ins Kino oder auf den Eislaufplatz, was für Juden natürlich strengstens verboten war. Auch den Arbeitsdienst überstand Vilma trotz ihrer Unfähigkeit mit Maschinen umzugehen, denn es gab – sehr wenige allerdings – auch anständige Zeitgenossen, die Juden halfen.

Vilma Neuwirths Lebenserinnerungen aus der NS-Zeit sind ein einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument, das sich auch dringend als Schullektüre empfiehlt. Da Vilma niemals eine ordentliche Schulbildung erlangen konnte, ist ihr Bericht frei von künstlerischen Ambitionen. Aber gerade das macht es zu einer „literarischen Kostbarkeit“ wie der Autor Erich Hackl in einer ersten Rezension anmerkte. Der Milena Verlag bringt das erstmals 2008 erschienene Buch jetzt mit vielen SW-Familienbildern und mit dem Vorwort der Nobelpreisträgerin neu heraus. Ein wichtiges Buch, das daran erinnert, wie schnell politische Umbrüche Menschen zu Unmenschen machen können.

Vilma Neuwirth: Glockengasse 29. Eine jüdische Arbeiterfamilie in Wien. Milena Verlag, 140 Seiten, € 24,95

Österreicher, Ungar, Jude und Europäer – Paul Lendvais Lebensbeschreibung „Wer bin ich?“

Als 95jähriger darf man schon ein Resümee über sein Leben geben, zumal wenn man so viel erlebt hat wie Paul Lendvai. Und es wäre nicht der rastlose und stets wissbegierige Journalist, wenn er das nicht mit einer Frage tut. In seinem Buch „Wer bin ich?“ untersucht der (Eigendefinition) Publizist, gebürtige Ungar, Jude, Migrant, österreichische Patriot und Europäer seine eigene Identität. Zunächst als Migrant: 1953 wurde er in seiner Heimat Ungarn als „Trotzkist“ inhaftiert und danach mit Berufsverbot belegt, 1957 gelang ihm – nach dem Ungarnaufstand – die Flucht nach Wien. Noch immer scheint er nicht fassen zu können, dass ihn die Österreicher damals nicht nach 100 Papieren gefragt haben, sondern bloß, ob er hungrig sei und einen Schlafplatz benötige. Eigentlich wollte er ja weiter in die USA, doch als sein Visum abgelehnt wurde, weil er in Ungarn Kommunist war, freute er sich. Er hatte in Wien längst seine zweite Heimat gefunden, zumal er international über das Netzt der Auslandskorrespondenten angebunden war und auch für US-Zeitschriften schreiben konnte. Zunächst veröffentlichte er unter Pseudonym, um seine zurückgebliebenen Eltern zu schützen. In Österreich fand er bald Unterstützer wie Hugo Portisch oder Kurt Vorhofer. Sogar zu Persönlichkeiten aus der Politik unterhielt er freundschaftlichen Umgang – besonders zu zwei Kontrahenten – Bruno Kreisky und Josef Taus. Die Folgen der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz hält Lendvai allerdings für Österreich verhängnisvoll, denn diese habe zu einer langfristigen Vergiftung der heimischen Gesellschaft und Medien geführt. Ungarn bezeichnet Lendvai als „einsamstes Volk in Europa“ – und das liege nicht nur an seiner nicht-indoeuropäischen Sprache.

Und die Zukunft? Lendvais wirklich lesenswertes Buch endet mit dem Satz: „Die Zerbrechlichkeit der Freiheit ist die einfachste und zugleich tiefste Lehre aus meinem langen Leben, aus meinen vier Identitäten als Österreicher, Ungar, Jude und Europäer.“

Paul Lendvai: Wer bin ich? Zsolnay, 124 Seiten, € 24.-

Veranstaltung mit Paul Lendvai im Wien Museum

3. September 2025, 18:30–20:00

Wien Museum, 1040 Wien, Karlsplatz 8 

Anmeldung erforderlich unter: www.wienmuseum.at/event/2013

Flucht nach Tirol – Katharina Köllers Roman um häusliche Gewalt „Wild wuchern“

Die 1984 in Eisenstadt geborene Autorin Katharina Köller hat schon viele Theaterstücke geschrieben und – auch selbst – auf die Bühne gebracht. 2021 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Was ich im Wasser sah“ – „Wild wuchern“ ist nur ihr zweiter und er ist unbedingt lesenswert. Darin geht es um eine verheiratete Frau in Wien, die nach tausenden verbalen Beleidigungen und Schlägen endlich – und zwar buchstäblich, nämlich mit der Bleikristallvase der Oma – zurückschlägt und danach in Panik zu ihrer Cousine Johanna nach Tirol flüchtet.

Ob Peter jetzt tot ist, weiß die Ich-Erzählerin Marie aber nicht. Die Johanna hat das ideale Versteck, sie wohnt nämlich in einer kleinen Hütte in den Bergen – fernab jeder Zivilisation – und ernährt sich von dem, was die Natur hergibt bzw. von der Milch ihrer Ziegenherde. Bloß, die etwa gleichaltrige Johanna ist gar nicht begeistert von der neuen Gesellschaft…

Wie sich die beiden Frauen „zusammenraufen“ und dabei ihre jeweilige Lebensgeschichte aufarbeiten – sehr schwierig, weil Johanna eine Einsiedlerin ist und fast nichts spricht und Maria doch irgendwie noch ein Szene-Stadt-Girl – macht den Reiz dieses Romans aus, der psychologisch durchdacht ist. „Wild wuchern“ hebt sich so wohltuend von der Fülle jener Romane ab, in denen irgendeine Städterin am Land Selbstverwirklichung erleben möchte und natürlich kläglich scheitert.

Katharina Koller: Wild wuchern. Penguin Verlag, 206 Seiten, € 22,70

Wien-Kultur in den 60er- und 70er-Jahren – Der Kulturmanager Edek Bartz im Interviewbuch von Klaus Nüchtern

Vielleicht habe ich die falschen Leute gekannt oder war noch zu jung, aber in meiner Erinnerung waren die 70er-Jahre in Wien noch ziemlich grau und fade. Dass Wien schon vor Helmut Zilk als Kulturstadtrat (ab 1979) durchaus spannende Acts geboten sowie Lokale und Galerien besessen hat, beweist das Interviewbuch von Klaus Nüchtern mit dem Musiker (Geduldig & Thiemann) und Kulturmanager Edek Bartz. Bartz.

1946 als Sohn eines polnischen Chemikers und einer Wienerin in einem Flüchtlingslager der Sowjetunion geboren, organisierte schon 1967 Konzerte von Frank Zappa 1967 und 1969 von Jimi Hendrix 1969 im Wiener Konzerthaus. Er hat aber auch in der Kunstwelt ordentlich mitgemischt. Mit Peter Alexander, Falco und Andre Heller arbeitete er intensiv zusammen. Und er ist in New York bis ins Atelier von Jean-Michel Basquiat vorgedrungen, als dieser noch nicht weltberühmt war und für ein paar tausend Dollar Arbeiten verkaufte.

Falter-Kulturredakteur Klaus Nüchtern hat Bartz, der nächstes Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, in 16 Interviews zur damaligen Szene befragt und dabei neben vielen Anekdoten auch wichtige Eindrücke vom Wien der vermeintlich grauen Jahre gehoben. Natürlich dürfen auch die Schattenseiten – die vielen alkohol- und drogenabhängigen Musiker und Fans – in dieser Geschichte der Wiener Kultur nicht fehlen. Aber der Optimismus von Bartz war wahrscheinlich immer ansteckend, auch wenn es immer schwerer wurde, etwa Falco bei seiner Japan-Tournee für seinen Auftritt fit zu bekommen. Ein Buch, das alle an Wien-Kultur-Interessierte lesen müssen!  

Klaus Nüchtern: Interessant, du, faktisch… – Edek Bartz und Wiens Aufbruch in die Pop-Moderne. Residenz Verlag, 176 Seiten, € 24,-

Der Sommer ist mörderisch in Wien

Der verrückte Literaturbetrieb in Berlin – Nell Zinks „Sister Europe“

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Die Kalifornierin Nell Zink lebt seit 2000 in Deutschland und schreibt hier gut lesbare, aber auch literarisch anspruchsvolle Romane. In ihrem Neuesten nimmt sie Berlins Kulturszene auf die Schippe. Mit schillernden Figuren. Da ist etwa der Sohn des Kunstkritikers Demian, der sich als Mädchen fühlt und in aufreizender Kleidung vergeblich versucht, am Strich Karriere zu machen. Damians Freund ist ein Amerikaner, der im Berlin der Umbruchsjahre mäßig faktenbasierte Büchlein für Pop-Fans bei Konzerten vertreibt. Und da ist ein arabischer Geschichtenerzähler, der voll von Vorurteilen ist, aber dem ein Literaturpreis verliehen werden soll. Eine eher fade Angelegenheit, bei der zum Entsetzen der Gäste nicht einmal Alkohol ausgeschenkt werden darf. Alles kulminiert in einer langen Nacht, in der auch ein vertrottelter Polizist Jagd auf den verhinderten Stricher macht. Mittendrin ist eine Enkelin von schwer belasteten Nazis, die als vermeintliche Widerstandskämpferin eine Villa mitten in Paris für sich retten konnte.

Der Roman ist zweifelsohne sehr amüsant geraten, viel Tiefgang sollte man diesmal bei Zink allerdings nicht erwarten. Sicher nicht das beste Buch der sonst so zuverlässigen Autorin.

Nell Zink: Sister Europe. Aus dem Englischen von Tobias Schnettler. Rowohlt, 268 Seiten, € 25,95

„Reden wir übers Leben“: Uschi Pöttler-Fellner stellte ihren Gesprächsband mit Erika Freeman (98), Zeitzeugin und Psychoanalytikerin, vor.