Das Sterben eines Gefassten – Bernhard Schlinks „Das späte Leben“
Mit 76 erfährt Martin, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat – Bauchspeicheldrüsenkrebs. Dabei hat der Professor für Recht gerade die vielleicht glücklichste Phase seines Lebens mit einer um vieles jüngeren Frau und einen Sohn im Kindergarten. Was also tun in den letzten Tagen, die im noch bleiben?
Bernhard Schlink stellt in seinem neuen Roman jene Fragen, die alle Menschen sich irgendwann stellen müssen. Denn dem Tod kann niemand entkommen, manche können ihr Ende aber genau datieren. Ulla, seine 43jährige Frau, schlägt Martin vor, seinem Sohn etwas zu hinterlassen – einen Brief oder ein Video. Und daran arbeitet Martin dann auch obwohl ihm Gefühle immer schwergefallen sind. Schicksalsschläge hat er immer erst mit einiger Verzögerung begriffen, manche nannten ihn deswegen gefühlskalt. Schlink beschreibt Martin auch als einen sehr nüchternen Menschen, als einen Gefassten.
Dramatik bekommt der Plot freilich dadurch, dass Martin erfährt, dass Ulla ihn mit einem jüngeren Mann betrügt. Und wieder erweist sich der Professor als durch und durch von Vernunft getrieben. Er macht seiner Frau keine Szene, sondern sucht den Liebhaber auf und bittet ihn, sich um Ulla und seinen Sohn zu kümmern.
„Das späte Leben“ ist somit ein Roman über die zwei wichtigsten Themen aller Menschen, nämlich Liebe und Tod. Es freut ungemein, wenn das ein Autor einmal so unspektakulär und ohne auf Auflagen zu schielen behandeln kann.
Bernhard Schlink: Das späte Leben
Diogenes Verlag
240 Seiten
€ 27,50