Aufwachsen in Rom, leben zwischen Berlin und Italien – Veronica Raimos Familienroman „Nichts davon ist wahr“
Eine Tochter im Schatten des als Genie angesehenen Bruders – mit einem Vater, der die kleine Wohnung mit Zwischenwänden zu einem Labyrinth mach und einer Mutter, die ihren Kontrollzwang an ihren Kindern auslebt. Veronica Raimo erzählt in Ich-Perspektive von einem Leben, das ihrem ziemlich gleicht. Raimos Bruder ist ebenfalls Autor und sie pendelt gerne zwischen Berlin und Rom. Es ist ein Buch voller kleiner und großer Katastrophen – vom Leiden unter Verstopfung, einem gescheiterten Ausbruchsversuch als Teenager bis zu für sie schrecklichen Besuchen bei der Familie in Apulien und Freundinnen, bei denen der Kontakt abbricht.
Diese Aufzählung lenkt allerdings davon an, wie witzig dieses Buch zu lesen ist. Die Lektüre ist ein großes Vergnügen, denn Raimo besitzt eine stupende Lebensweisheit. Und natürlich nimmt man als Leser an, dass – konträr zum Titel des Buches – alles so oder so ähnlich geschehen ist. Die Langeweile in der Kindheit, die seltsamen medizinischen Behandlungsmethoden des Vaters, die dauernden Anrufe der Mutter und eine Abtreibung, die für sie doch nicht so easy wie gedacht abläuft. Und jede Familie hat auch ihre Geheimnisse – die Tochter kommt dahinter, dass ihr Vater eine Geliebte hatte und Mutter wahrscheinlich davon wusste. Am Ende stellt sich Raimo jener Frage, die sich Schriftsteller immer stellen müssen: Warum schreibt sie? Nämlich konkret sogar über „zwiespältige und frustrierende Dinge“. Wenn das Ergebnis so unterhaltend ist wie dieses Buch, können wir nur hoffen, dass Raimo damit weitermacht.
Veronica Raimo: Nichts davon ist wahr
Aus dem Italienischen von Aufwachsen in Rom, leben zwischen Berlin und Italien – Veronica Raimos Familienroman „Nichts davon ist wahr“ von Koskull
Klett-Cotta
224 Seiten
€ 22,70