Rapperin, Slampoetin und Synchronstimme von Lisa Simpson. Yasmin Hafedh gilt zu Recht als eine der erfolgreichsten Texterinnen Österreichs. Im Herbst erscheint ihr neues Album.

Yasmo in Full Power

Rapperin, Slampoetin und Synchronstimme von Lisa Simpson. Yasmin Hafedh gilt zu Recht als eine der erfolgreichsten Texterinnen Österreichs. Nun ist ihr neues Album „Laut und Lost“ erschienen.
Text: Ursula Scheidl / Foto: Karo Pernegger

Yasmin Hafedh nennt sich Yasmo, wenn sie als Rapperin auf der Bühne steht. 2011 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „Keep it realistisch“. Als erste Österreicherin schaffte sie den ersten Platz in der Kategorie U-20 in der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaft sowie den ersten Platz beim Ö-Slam 2013. 2018 wurde sie als erste Künstlerin in der Kategorie Best HipHop/Urban für einen Amadeus Austrian Music Award nominiert. Zusammen mit ihrer neunköpfigen Jazzband Klangkantine bildet Yasmo seit 2015 eine perfekte Symbiose aus Hip-Hop und Jazz.

Du stehst seit deinem 15. Lebensjahr auf der Bühne und dichtest. Was treibt dich an? Wäre auch eine andere Berufswahl für dich möglich gewesen?

Yasmin Hafedh: Die Frage hab ich mir schon oft gestellt. Ich glaube, ich wäre sonst Floristin geworden. Aber die Bühne, Sprache, Publikum, Austausch – das ist schon mein absoluter Antrieb. Dazu muss ich aber schon sagen, dass ich mit 15, 16 noch lange nicht daran gedacht hätte, das, was ich liebe, zum Beruf machen zu können. Schreiben hat mir immer Spaß gemacht – ich hab eine sehr extrovertierte Seite, kann gut mit Menschen und mag Menschen grundsätzlich auch. Aber dann gibt es noch eine sehr introvertierte Seite von mir, die kann ich ausleben, wenn ich allein mit einem Notizbuch irgendwo sitze und versuche, mir die Welt zu erklären.

Deine Songs haben fast immer einen politischen Unterton. Welche Dinge nerven dich im Moment?

Haben wir ein paar Stunden? Nein, im Ernst, womit ich mir sehr schwer tue, ist so eine gewisse Selbstgefälligkeit. Damit kann ich gar nicht. Und es gibt solche Menschen, die denken, dass ihnen alles zusteht, aber das ist nun mal nicht so. Ich bin große Verfechterin von Solidarität und halte wenig von diesem ganzen „Ich, ich, ich“. Und unsere Gesellschaft und Kultur driftet immer mehr ab in Egoismus und ich kann mir eh vorstellen, dass sich das für kurze Zeit gut anfühlt, aber es ist eben nichts, das auf Dauer hält. Ich glaube, wir kommen mit grundlegendem Respekt vor und für Menschen auf Dauer weiter.

Wo hast du die besten Einfälle?

Die einen kommen vorm Schlafengehen, das ist meist problematisch, weil ich es in 15 Jahren schreiben immer noch nicht ganz drauf habe, mir die Sachen aufzuschreiben. Ich denke mir dann „Ja, das merke ich mir schon bis morgen.“ Jo eh … da ist schon viel verloren gegangen. Und ansonsten tatsächlich im Alltag, das kann überall sein.

Wie wichtig sind dir Auszeichnungen?

Auszeichnungen sind natürlich etwas Schönes und vor allem gut fürs Ego, aber es gibt keine Auszeichnung, die so viel Wert sein kann, wie der Moment, in dem man auf einer Bühne steht, das Publikum dich anlächelt, annickt und man so einen kurzen Augenblick hat, wo man das Gefühl haben kann: ok, wir sind alle verbunden, wir verstehen uns. Ich war immer schon Fan von nachhaltiger und langfristig denkender Arbeit, die meisten Auszeichnungen sind dann doch eher Momentaufnahmen – die auch nett sind.

Wer sind deine beruflichen Vorbilder und warum?

Beyoncé! Ich habe so viel Respekt vor dieser Frau, ihrer Kunst, ihrem Team und der Karriere, die sie die letzten Jahre hingelegt hat. Mieze Medusa ist auch ein großes Vorbild für mich, sie hat nie nur für sich Bühnen gebaut, sondern auch für andere und hat immer solidarisch gedacht. Außerdem ist sie sprachlich eine der spannendsten Autorinnen Österreichs und eine tolle Freundin mittlerweile. Und, wenn auch völlig aus der Zeit gefallen und gar nicht meinem Stil entsprechend, Peter Alexander. Der hat ganz viel Verschiedenes gemacht und ich finde, dass es eher ein Vorteil ist, breit aufgestellt zu sein.

Glaubst du, dass die Pandemie das Verständnis für Kunstschaffende verändert hat?

Ich glaub, das kann ich selbst als Kunstschaffende gar nicht beantworten. Aber wahrscheinlich schon, weil das Leben und der Beruf von Kunstschaffenden ganz bestimmt schon lange nicht mehr so viel öffentlich diskutiert wurde. Auch das Rufen und die Sehnsucht nach Kulturveranstaltungen war sehr spürbar. Im besten Fall sind im Herbst alle Veranstaltungen voll, weil wenn wir etwas gelernt haben, dann doch, dass kollektives Erfahren von Kultur schon die schönste Form der Seelennahrung ist.

Du hast den Poetry Slam Text der neuen Milka-Kampagne #zartstattzwider kreiert. Warum?

Ich glaube, ich habe mittlerweile in der Öffentlichkeit etabliert, dass ich für 1000 Prozent Liebe stehe, dass ich ein Miteinander extrem wichtig finde, und da hat diese Kampagne, netter zueinander zu sein, perfekt gepasst. 

Wie bist du zur Synchronsprecherrolle der Lisa Simpson gekommen?

Ich bekam eines Tages einen Anruf und hielt es zuerst für einen Scherz. Weil das so ungefähr die größte Ehre ist, die ich mir vorstellen kann. Und dann meinten sie es aber ernst und ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich Österreichs Lisa Simpson bin. Da sind nämlich auch ein paar Parallelen – ich wollte immer Saxophon lernen, vielleicht werde ich noch irgendwann Präsidentin und ich mag Perlenketten. Als ich von der restlichen Cast gehört hab, bin ich – glaube ich – durch meine Wohnung gesprungen, vor Freude. Fun fact: Paul Pizzera und ich kennen uns noch aus Slam-Zeiten und waren damals schon großer Bruder und kleine Schwester – das hat also auch sehr gut gepasst.

Hat sich die Poetry-Slam-Szene in Österreich seit deinen Anfängen verändert und wie?

Absolut! Also ich war bei den richtigen Anfängen noch gar nicht dabei. Da hatten Mieze Medusa und Markus Köhle schon sehr viel Szenearbeit gemacht. Die Szene hat sich professionalisiert, füllt große Hallen und – was ich ganz besonders in Österreich finde – hat trotz ihrer Professionalität noch Platz für alles. Die österreichische Szene ist um einiges vielfältiger und breiter geworden und wächst stetig. Der vorläufige Höhepunkt wird am 5. November im Wiener Burgthea-
ter beim Finale der deutschsprachigen Meisterschaften sein.

Was erwartet uns auf eurem neuen Album?

Ein bisschen Pierre Bourdieu ist drinnen, ein paar Ratschläge meiner Therapeutin und der Versuch, nicht verloren zu gehen. Wir haben unser Team erweitert und uns musikalisch so sehr ausgetobt wie noch nie mithilfe der Produzenten Mirac und Luca Pivetz und meine lieben Freundinnen Mira Lu Kovacs und W1ZE sind auch dabei. Es ist sehr intim und gleichzeitig allumfassend, zumindest für uns.


INFO
Yasmo Live.
Konzertabende am 1. & 2. 12. im Porgy & Bess. 
2.– 6. 11. SLAM 22 – Europas größtes Live-Literatur-Festival, zum ersten Mal in der Geschichte finden die deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften in Wien statt – vom Spektakel bis zum Volkstheater, vom MuTh bis zum Konzerthaus, vom Aera bis zum Burgtheater.
slam22.at

„LAUT UND LOST“ von Yasmo & Die Klangkantine