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„Everything is connected – everyone can make a difference.“

Aus Anlass des Ablebens von Jane Goodall bringen wir ein Interview, das 2019 in Wien im Grand Hotel geführt wurde.

Sie ist eine der berühmtesten Frauen der Welt. Einfach weil ihre Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaften revolutionär waren. Als ich in die Schule ging, lernten wir noch, dass der Gebrauch von Werkzeugen Mensch und Tier unterscheidet. Goodall beobachtete in den 1960er Jahren in Tansania, dass auch Schimpansen sich Hilfsmittel bedienten – etwa wenn sie mit einem Grashalm nach Ameisen stochern. Sie musste lange kämpfen, um in der Wissenschaft Anerkennung zu erhalten. Schon allein deshalb, weil sie eine Frau war, und auch, weil sie ihren „Beobachtungsobjekten“ Namen gab, statt sie wie üblich mit Nummern zu versehen. David Greybeard, zu Deutsch „Graubart“, war der erste Schimpanse, der vor rund 60 Jahren seine Menschenscheu überwand und Goodall näherkam. Ihre wissenschaftliche Leistung ist auch ihrer Geduld geschuldet. 

Inzwischen ist Jane Goodall – heuer 85 Jahre geworden – eine der wichtigsten globalen Umweltaktivistinnen. Überall auf der Welt gibt es Jane Goodall Institute. Das in Wien ist eines der aktivsten, erzählt sie im Interview. Jetzt wurde Goodall von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse ausgezeichnet. Ihr Argument angesichts der globalen Klimakrise, die natürlich auch viele Arten gefährdet, ist so einfach wie schlagend: „Everything is connected – everyone can make a difference.“

Sie waren schon mehrmals in Wien. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

Leider bekomme ich niemals etwas von Wien zu sehen, denn ich muss dauernd Vorträge halten und Anfragen beantworten, zwischendurch Artikel schreiben. Ich reise zwar sehr viel, fürchte aber, ich bin bis zum Ende meines Lebens mit Arbeit ­eingedeckt.

Sie sind praktisch immer unterwegs, ist das nicht extrem anstrengend?

Ich bin 300 Tage – wenn nicht mehr – im Jahr unter­wegs. Natürlich ist das anstrengend. Ich habe gerade nachgeschaut, wo ich bis Weihnachten noch überall sein werde – quasi quer durch die USA, an die sieben Städte und dann noch zwei Orte in Kana­da, dann nach Italien, Spanien, in die Schweiz, danach Malaysia, Singapur und China, dann Frankreich, Belgien und Deutschland.

Sie haben schon vor Jahrzehnten Roots & Shoots gegründet, Ihr Jugendprogramm. Was war die Idee?

Als ich weltweit unterwegs war, wurde mir klar, dass, wenn wir so weitermachen, die Schimpansen und der Regenwald verschwinden würden. Ich versuchte das den Menschen klarzumachen – besonders was die Vernichtung des Regenwalds für das Klima bedeuten würde. Und ich habe festgestellt, dass besonders die Jugend für dieses Thema empfänglich war. Sie waren entsetzt, deprimiert oder wütend. Und wenn ich sie fragte, wie sie sich fühlten, sagten sie mir: „Wie soll es uns gehen? Ihr zerstört unsere Zukunft und wir können nichts dagegen tun.“ Ich sagte ihnen: „Ja, wir stehlen die Zukunft unserer Kinder, aber es gibt noch eine Zeitspanne, in der wir etwas bewirken können – und die ist jetzt!“ Roots & Shoots ist die Antwort auf ihre Frage, denn unsere Botschaft lautet: Jeder kann etwas tun, jeden einzelnen Tag seines Lebens. Wir treffen tagtäglich eine Fülle an Entscheidungen – was wir kaufen, was wir essen, was wir tragen, wie wir uns fortbewegen – das sind Millionen an Entscheidungen, die wir dazu nützen könnten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Roots & Shoots gibt es ja an vielen Orten der Welt, was wird in den Centern gemacht?

Jede Gruppe von Roots & Shoots wählt aus drei Themenprojekten und hilft so Menschen, Tieren oder der Umwelt. Wir haben Mitglieder vom Kindergarten bis zur Universität. Es bilden sich auch immer mehr Erwachsenengruppen, in den USA haben wir jetzt sogar vier Gruppen in Gefängnissen. Alle wählen eigene Projekte – wir sagen ihnen nicht, was sie tun sollen. Wir versuchen aber, Menschen zusammenzubringen. Denn es geht immer auch darum, andere Kulturen, Traditionen und Reli­gionen zu respektieren – es hat keine Bedeutung, ob deine Haut weiß, schwarz oder braun ist.

Die Problematik ist ja, dass Menschen, die nichts haben, von irgendetwas leben müssen …

Ja, wir müssen dringend Armut bekämpfen, denn wenn Menschen wirklich arm sind, werden sie noch den letzten Baum abholzen, um an Nahrung zu kommen. Arme Menschen in den Städten können natürlich nur die billigsten Nahrungsmitteln kaufen – sie können es sich schlicht nicht leisten, auf eine umweltschonende Herstellung zu achten, sie müssen einfach überleben. Aber wir hier in den reichen Ländern haben meist viel mehr, als wir brauchen. Wir müssen also etwas gegen den massiven Bevölkerungszuwachs tun. Ist es nicht schockierend, dass mehr Getreide dafür verwendet wird, um Tiere zu füttern, die dann in reicheren Ländern gegessen werden, als dafür verwendet wird, Hungernde zu versorgen? Und bekanntlich produzieren Nutztiere noch dazu sehr viel Methangas, was wiederum verheerend für unsere Umweltbilanz ist. Everyone can make a difference! (Foto: Rene Wallentin)

„Reden wir übers Leben“: Uschi Pöttler-Fellner stellte ihren Gesprächsband mit Erika Freeman (98), Zeitzeugin und Psychoanalytikerin, vor.

Chris Lohner über die Nachkriegsjahre

Text: Andrea Buday

Heuer jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 80. Mal. U.a. wird am 8. Mai am Heldenplatz das „fest der freude“ gefeiert. Unter dem Motto: „80 Jahre Befreiung vom Nationalsozialismus – Für ein Niemals wieder und Frieden in Europa“.

Chris Lohner hat die Nachkriegsjahre noch gut im Gedächtnis – „Ich bin ein Kind der Stadt“, nennt sie ihr Buch, in dem sie über diese Zeit schreibt. Lesen Sie hier ein Interview zum Erscheinen des Buches 2020. 

wienlive: Sie schreiben, Sie waren rachitisch und unterernährt, aber irgendetwas Essbares fand sich immer…

Chris Lohner: Wir hatten sehr nette Nachbarn, die Portners, die einen Schrebergarten in Meidling besaßen, wo sie Gemüse anbauten, das sie mit uns teilten. Manchmal wurden wir Kinder auch dorthin eingeladen und dann durften wir Beeren essen. Das war wie im Märchen. Andererseits kannten wir keinen Riesenhunger, weil wir ja gewohnt waren, sehr wenig zu essen.

War es in Wien nicht leichter?

Ganz im Gegenteil. In der Stadt war es viel ärger als auf dem Land, wo man immer wieder einmal einen Erdapfel oder ein kleines Stückerl Brot bekam. Darum ist ja meine Großmutter zum Beispiel auf den Laaerberg gegangen, um dort Sauerampfer zu pflücken oder Brennnesseln, die sie dann verkocht hat.

Dann kamen aber die CARE-Pakete aus den USA …

Das war großartig! Wie Weihnachten und Ostern zusammen. Später wurde ich dann Ehrenmitglied von CARE.

Sie erzählen auch von Bassenawohnungen, also Klo und Wasser auf dem Gang, sowie von Bettwanzen.

Wir wurden jeden Morgen auf rote Punkte, also Wanzenbisse, kontrolliert und wenn welche gefunden wurden, streute man hochgiftiges DDT aufs Bett. Man hatte nichts anderes und niemand dachte sich etwas dabei. Jeder machte das, weil ja alle Wanzen hatten.

Sie wuchsen im zerbombten Wien mit Not und Entbehrungen auf, beschreiben Ihre Kindheit aber als eine sehr glückliche.

Wir waren zwar arm, aber gleichzeitig in vielerlei Hinsicht sehr reich. Unsere Eltern haben sich mit uns beschäftigt, mit uns gespielt und waren für uns da. In der Volkshochschule, die mein Vater leitete, durfte ich Kurse besuchen. Ich lernte Töpfern, Französisch und Nähen, zudem gingen wir ins Kino und wir unternahmen regelmäßig Ausflüge aufs Land wie etwa Wandern im Wienerwald. Uns Kinder langweilte das, aber meine Liebe zur Natur verdanke ich meinen Eltern. Denn wir waren so oft als möglich im Freien.


Chris Lohner: „Ich bin ein Kind der Stadt. Wienerin seit 1943“
Vorwort von Hugo Portisch
€19,80
echomedia Buchverlag

Das Jungtalent – Nils Arztmann spielt „Das Vermächtnis“ im Theater in der Josefstadt

Es geht um homosexuelle Freunde in New York von den AIDS-Jahren bis heute. In seinem mehrfach ausgezeichneten Stück „Das Vermächtnis“ (u. a. Tony-Award ) verarbeitet der Amerikaner Matthew López das Schicksal dreier Generationen schwuler Männer zu einem hochaktuellen Spiegel unserer Gesellschaft. Geschrieben in der ersten Periode der Präsidentschaft Donald Trumps entfaltet die Geschichte gerade heute eine enorme Sprengkraft. Das Theater in der Josefstadt bringt ab 15. März das mit Pausen mehr als 7 Stunden dauernde Stück erstmals in Österreich auf die Bühne. In der Inszenierung von Elmar Goerden spielen 11 Männer und nur eine Frau (Andrea Jonasson). Einer von ihnen ist der 1999 in Wien geborene Nils Arztmann, der seit 2 Saisonen fix im Ensemble der Josefstadt ist und schon in zahlreichen Produktionen zu sehen war (u. a. „Leben und sterben in Wien“, „Die Möwe“).

wienlive: Sie wollten schon als Kind zur Bühne, dabei waren die Eltern nicht am Theater, wie kam es dazu?

Nils arztmann: Ich bin zu der Kindertheatergruppe „gut gebrüllt“ von Maria Köstinger gekommen. Das war der Startschuss – obwohl es dann noch lange gedauert hat, bis ich mir eingestanden habe, dass ich das professionell machen will. Aber nach der Matura war mir klar, dass ich das zumindest probieren muss. Ich wollte dann eigentlich in einer deutschen Schauspielschule vorsprechen, bekam aber während meines Zivildienstes nur 10 Tage Urlaub – da gingen sich nur Schulen in Österreich aus und es wurde das Max Reinhardt Seminar, worüber ich nachträglich sehr froh bin.

Sie haben angesichts Ihres Alters schon sehr viel gespielt – sowohl am Theater als auch im Film, dabei war zwischendurch ja Pandemie?

Ja, irgendwie ist sich da viel ausgegangen. Vielleicht auch, weil ich sehr früh angefangen habe. Und: Ich hatte immer auch große Lust zu spielen.

 Das Theater in der Josefstadt ist ideal für Sie?

Ja, vor allem durch die Kolleginnen und Kollegen. Speziell jetzt bei den Proben zum „Vermächtnis“ – da entsteht ein Raum, in dem wir gemeinsam eine Geschichte erzählen wollen, die uns am Herzen liegt. Auch weil wir alle wissen, dass dieses Stück gerade jetzt wichtig ist. Das spürt man. Wenn man so eine lange Zeit – wir proben mehr als 4 Monate! – gemeinsam zusammen ist, fühlt man, dass man echt zusammenwächst. Also das Gegenteil von Lagerkoller, sondern so etwas wie eine metaphysische Verbindung. Dabei sind wir ja fast nur Männer – der tolle Monolog, gespielt von Andrea Jonasson, kommt erst sehr spät – nach fünfeinhalb Stunden.

Ein Stück mit fast nur Männerrollen, herrscht da eine andere Dynamik?

 Ich habe tatsächlich noch nicht darüber nachgedacht, dass wir nur Männer sind, obwohl es mir natürlich bewusst ist. Ich könnte auch nicht sagen, dass sich dadurch eine andere Dynamik ergibt – ich sehe meine Kollegen einfach nur als Menschen.

 Aber es sind doch alles schwule Männer, oder?

Die Mehrzahl schon, aber es gibt auch heterosexuelle Männer in dem Stück. Alle Schauspieler spielen außerdem mehrere Rollen. Ich spiele etwa einen jungen Mann, der Schauspieler werden möchte und in das Leben eines Pärchens – gespielt von Raphael von Bargen und Martin Niedermair – eindringt. Anfangs noch sehr naiv, wird er später auch manipulativ.

 Ist „Das Vermächtnis“ ein Konversationsstück mit wenig Handlung?

Nein, es gibt sogar sehr viel Handlung! Ich spiele auch einen Erzähler, der die Geschichte vorantreibt. Aber es wird immer wieder eingegriffen und „vorgespult“. Durch diesen dauernden Wechsel der Zeiten passiert eigentlich andauernd etwas. Man kann da zuschauen wie bei einer TV-Serie.

Matthew López hat sein Stück als Reaktion auf die erste Ära von Donald Trump geschrieben. Wie politisch ist „Das Vermächtnis“?

Das Drama ist wirklich sehr politisch und passt perfekt in die Gegenwart. Es geht ja auch konkret um den Abbau von Rechten, die über die letzten Generationen hinweg schon erkämpft worden sind. Das wird konkret thematisiert, angesprochen und behandelt. Aber das Stück ist einfach so vielfältig und umfassend – es kommen Sehnsucht, Liebe, Ängste und Politik vor. Das macht es ja so toll und so schillernd. Ich freue mich wahnsinnig darauf, das spielen zu dürfen.


Das komplette Interview lesen Sie im neuen Wienlive. Hier entlang zum E-Paper.

Karten und Infos: josefstadt.org

Interview mit Richard Cockett über Wien als Wiege der modernen Welt

Bild: ©Elisabeth Lechner

Richard Cockett ist nach dem Erscheinen seines äußerst fundierten Buches „Vienna. How the City of Ideas Created the Modern World“, das jetzt auch auf deutsch bei Molden vorliegt, Stadtgespräch unter Intellektuellen. Im MAK war er zu Gast bei den Wiener Vorlesungen. Das Erstaunlichste seiner Beschreibung ist die Fülle der Persönlichkeiten Wiens, die prägend wirkten und so Unterschiedliches wie das moderne Management (Peter Drucker), die empirische Sozialforschung (Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda), die Einbauküche (Margarete Schütte-Lihotzky) und das Einkaufszentrum (Viktor Gruen) erfanden – um nur wenige Highlights zu nennen. Auch das Wiener Kaffeehaus hatte seinen Anteil an der Moderne und so erwies sich sogar das von Touristen belagerte Café Central als ideal für das Interview.

Wie haben Sie Wien bei Ihrem ersten Besuch 1987 erlebt?

Richard Cockett: Ich kam damals noch als Tourist und nur für eine Woche. Also ging ich zum Belvedere, sah mir die Klimt-Bilder an und Schönbrunn. Ich dachte auch nicht viel über Wien nach. Erst später, als ich viel über Wien erfahren und die vielen Wiener Intellektuellen entdeckt hatte, begann es mich weiter zu interessieren. 

Gibt es Orte in Wien, die sie jedes Mal aufsuchen?

Ich habe ein paar Lieblingscafés wie das Landtmann, das Museum und das Prückel – das sind meine Top 3.

Wie wurde Wien für Sie als Historiker interessant – durch Lazarsfeld und Hayek?

Als Wirtschaftsjournalist und Historiker habe ich mit Hayek und Mises angefangen, denn ich schrieb in den frühen 90er-Jahren ein Buch über das Aufkommen der Politik von Thatcher und Reagan. Und schon bald wurde mir klar, dass die beiden sehr von diesen liberalen Wiener Wirtschaftsdenkern beeinflusst waren. Auch von Karl Popper. Ich fand, dass das ein interessantes Gebiet wäre.

Damals wusste niemand, dass der Reaganismus seine Wurzeln in Wien hat?

Ja, das ist auch heute noch teilweise so. Es wird auch schwer sein, einen Amerikaner zu finden, der Peter Drucker kennt oder gar weiß, dass er aus Wien kommt.

Wie sehr erinnert Sie die heutige politische Situation mit Brexit und dem Erstarken der Rechten an die 30er-Jahre?

Es gibt viele Parallelen, wie eine Welle von harter rechter Politik. Aber hier in Wien habt ihr ja eine sozialdemokratische Partei, die eine gesunde Mehrheit hat – wenngleich sie von feindlichen Kräften im In- und Ausland umgeben ist. Das weckt Erinnerungen an die 20er- und 30er-Jahre. Und wie Sie wissen, hatte die rechte Politik in Österreich ein schreckliches Ende. Aber Österreich ist jetzt eine stabile Demokratie, ein Mitglied der EU und hat eine starke Verfassung. Ich sehe also keine apokalyptische Gefahr für Österreich.

Das ganze Interview lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Wien live.


„Vienna“ von Richard Cockett
Verlag Yale University Press
464 Seiten
Sprache: Englisch

Wer Extreme stärkt, schwächt Österreich – Stephan Zöchling und seine Initiative ZusammenStaerker

„Österreich hat sich etwas Besseres verdient als einen Wahlsieger Kickl“ – Unternehmer Stephan Zöchling finanziert die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker aus eigener Tasche, unterstützt wird er von weiteren Wirtschaftstreibenden. – ©picturedesk.com

Gegen Verhetzer in der Politik, gegen Populisten und Demagogen, tritt Spitzenunternehmer und Investor Stephan Zöchling anlässlich der Nationalratswahl am 29. September mit der überparteilichen Initiative #ZusammenStaerker auf. „Wir wollen keine politischen Brandstifter und Extremisten in Ministerien oder anderen Entscheidungsfunktionen“, sagt Zöchling.
„Wir treten gegen extreme politische Ränder auf und machen uns für mehr Respekt und Sachlichkeit in der heimischen Politik stark.“ (zusammenstaerker.at)

Zusammen stärker

Der studierte Betriebswirt Zöchling, u.a. Miteigentümer und Chef des Auspuffherstellers Remus und Mitgesellschafter der Vorarlberger Erne Group, will vor allem potenzielle Nichtwähler bzw. Unentschlossene aufrütteln. Hass, Wut und Zorn seien keine guten Ratgeber, eine Denkzettelwahl solle tunlichst vermieden werden.
Zöchling hat zahlreiche prominente Unterstützer:innen aus der Wirtschaft für seine Initiative wie etwa Industriemanagerin Brigitte Ederer, Immobilienentwickler Erwin Soravia, Hotelière Elisabeth Gürtler und Kunsthändler Roman Herzig.
Im Interview spricht Stephan Zöchling über die Ziele der Initiative #ZusammenStaerker, über die Stimmung in Österreich vor der Nationalratswahl, er fordert kompetente Politiker:innen und er sagt: „Österreich hat sich etwas Besseres verdient als einen Wahlsieger Kickl“.


In der politischen Landschaft Österreichs sind Populisten und Demagogen nichts Neues, es gibt seit Jahren Verhetzer, Brandstifter und Hassredner. Warum haben Sie die überparteiliche Initiative #ZusammenStaerker just 2024 ins Leben gerufen?

Die Initialzündung waren im vergangen März erste Umfrageergebnisse für die EU-Wahl im Juni: die FPÖ lag an erster Stelle. Das hat nicht nur mich, sondern viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sehr nachdenklich gemacht. Uns war klar: Wir können nicht länger tatenlos zuschauen, wir müssen etwas tun. Wir wollen gegen extreme politische Ränder auftreten. Denn ein weiteres Erstarken von Populisten und Demagogen würde nicht nur das friedliche Miteinander in unserem Land gefährden, sondern auch massiv der heimischen Wirtschaft schaden.

Wen wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker in erster Linie ansprechen?

Wir wenden uns an jene, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen. An jene, die vielleicht eine Denkzettelwahl in Betracht ziehen, die aus Wut oder Zorn eine Entscheidung treffen würden, die sie am Tag nach der Wahl vermutlich bereits bereuen würden. Und wir wenden uns an die Österreicher:innen, die vorhaben, nicht zu wählen.

Tatsache ist, dass die Nichtinanspruchnahme des Wahlrechts eine Form der Dekadenz ist. Denn sehr viele Menschen auf diesem Planeten hätten gern ein Wahlrecht und würden sich wünschen, dieses auch ungehindert ausüben zu können. Vor dem diesem Hintergrund ist es unbillig zu sagen, ich kann zwar wählen, aber ich geh nicht hin, weil das sind eh alles Trotteln und das interessiert mich nicht. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, das Wahlrecht wahrzunehmen und damit die Demokratie zu schützen.

Es ist auch nicht egal, wen man wählt. Es gibt ein wählbares Spektrum der Parteien der Mitte – links, konservativ, grün oder liberal. Es geht nur darum, dass sich Österreich etwas Besseres verdient hat, als einen Wahlsieger Kickl.

Wie empfinden Sie die Stimmung in unserem Land kurz vor der Nationalratswahl?

Die Stimmung ist aufgeheizt. Die Extreme an beiden politischen Rändern versuchen, daraus Stimmen zu machen – mit einfachen Feindbildern und negativen Emotionen wie Hass, Angst oder Zorn. Aber Brandstifter und Extremisten sind nicht die Lösung, nur ein sachliches und respektvolles Miteinander bringt uns weiter. Und das brauchen wir, denn Österreich steht vor großen Herausforderungen, nicht nur wirtschaftlich.

Was ist die Intention, was wollen Sie mit der Initiative #ZusammenStaerker bewirken?

Wir wollen aufmerksam machen, sensibilisieren, die Menschen zum Nachdenken bringen. Wir wollen vermitteln, wie wichtig die kommende Wahl ist, und dass jede Stimme zählt. 

Tatsache ist, dass die Politiker:innen, da jetzt so laut schreien, schon mehrfach gezeigt haben, dass sie nicht regieren können. Das haben wir bei den Kommunisten gesehen, bei den Spaßparteien, die nur Proteststimmen bekommen haben, und vor allem bei den rechten Parteien. Denn Ausländerfeindlichkeit, Menschverachtung und Wissenschaftsleugnung bringen die Gesellschaft nicht voran, sondern spalten sie noch weiter.

Schadet die Ausländer-Hetze der rechten Populisten auch der Wirtschaft?

Es hilft mit Sicherheit nicht, ausländerfeindlich zu sein und eine Festung Europa hochziehen zu wollen. Denn eine Festung Österreich würde uns u. a. Touristen kosten, die nicht mehr nach Österreich kommen, weil sie nicht in ein   ausländerfeindliches Land wollen. Eine Festung Österreich würde uns dringend benötigte Arbeitskräfte kosten, denn Menschen, die die Wahl haben, werden nicht nach Österreich kommen, sondern in die Schweiz oder nach Kroatien oder Slowenien gehen – die beiden Letzteren sind mittlerweile neue, attraktive Länder zum Arbeiten.

Auf der Homepage von #ZusammenStaerker kann man eine Unterstützungserklärung unterschreiben. Wie viele Unterstützer:innen haben Sie kurz vor der Wahl?

Um die 13.000. 

Wird aus der Initiative eine neue Partei werden?

Nein, auf keinen Fall.

Sie können sich nicht vorstellen, in die Politik zu gehen –  Zöchling for Kanzler?

Ganz sicher nicht!  Es wird daraus keine politische Aktivität entstehen, es ist eine rein zivilgesellschaftliche Initiative.

Ist die Initiative für Sie mit der Wahl beendet oder wird sie weitergeführt?

Aufgrund der guten Resonanz schließe ich nicht aus, dass wir #ZusammenStaerker nach der Nationalratswahl weiterführen werden.

Die Initiative #ZusammenStaerker quasi als ständiger Beobachter, als Mahnerin, als Sensibilisierungs-Tool für Polemik, für Populisten und Demagogen, für Verhetzer und Brandstifter in der Regierung?

Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Aber nicht mit dem Ziel, dass #ZusammenStaerker einmal im Parlament sitzt.

Was erwarten Sie sich von einer neuen Regierung?

Die neue Regierung hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört vor allem auch, den Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver zu gestalten. Die Unternehmen müssen entlastet werden. Es gibt hohe bürokratische Hürden und bürokratische Belastungen, da spreche ich noch gar nicht von den Lohnnebenkosten.

Ein Beispiel: Unternehmen müssen mittlerweile zusätzlich zum Jahresabschluss und zu einer Vielzahl an weiteren Berichten, wie einem Umweltbericht, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht schreiben. Den liest niemand, aber er kostet mittelständische Unternehmen knapp 70.000 Euro pro Jahr – so viel kostet ein Arbeitsplatz.

Größere Unternehmen geben pro Jahr insgesamt bereits rund 750.000 Euro für Audits und Berichte aus – das ist Lobbyisten-getrieben, da verdienen nur irgendwelche Berater daran, weiters bringt das überhaupt nichts. 

Sowohl in den Ländern wie auch beim Bund wurde eine unglaubliche Bürokratie

aufgebaut. Sie müsste durchkämmt werden, um die Unternehmen zu entlasten.

Mit dem freigesetzten Geld könnte man Arbeitsplätze schaffen, Investitionen tätigen und Innovationen und Startups finanzieren. All das können wir nicht, weil wir mittlerweile ganze Abteilungen brauchen, um dem Bürokratie-Irrsinn Herr zu werden.

Es ist Aufgabe der Politik, diese Bürokratismen zu durchkämmen. Da käme man sehr schnell auf Einsparungspotenzial in Milliardenhöhe, damit könnte eine Steuersenkung finanziert werden. Derartige konkrete Vorschläge vermisse ich bei den Wirtschaftsprogrammen der Parteien, sie sind immer sehr vage, verlieren sich in Allgemeinplätzen. Deshalb brauchen wir dringend kompetente Politiker:innen, die wissen, was es bedeutet, Unternehmer zu sein.

Wie schätzen Sie als Spitzenunternehmer generell die Wirtschaftslage ein? – Die aktuellen Schlagzeilen lauten etwa „Wirtschaftskrise hält an“, „Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt“ …

Wir stehen am Anfang eines Tsunamis. In Deutschland wurde die Wirtschaft von der Regierung an die Wand gefahren. Das wirkt sich insofern auf Österreich aus, weil wir ein Exportland sind, Stichwort Zulieferindustrie, da wird es weniger Nachfrage geben. Außerdem ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte für unseren Tourismus. Im kommenden Winter werden wir schon zu spüren bekommen, dass unsere deutschen Nachbarn vermehrt ausbleiben, weil sie sich einen Schiurlaub nicht mehr leisten können oder das Geld aufgrund der ungewissen Arbeitsmarktsituation lieber sparen. Dieser Trend hat sich bereits im vergangenen Sommer bei den Buchungen für Kroatien, Italien und Griechenland gezeigt. Nicht nur die Deutschen bleiben aus, dasselbe gilt für die Benelux-Länder und natürlich für die Engländer, die nach dem Brexit mit dem Rücken zur Wand stehen.

Das alles zusammen ist für unsere Wirtschaft ein toxischer Cocktail. Vor diesem fordernden Hintergrund ist es umso wichtiger, dass wir kompetente und besonnene Politiker:innen haben und keine Populisten, die nichts anders können, als Hassreden zu halten.


zusammenstaerker.at

Nächte der Philosophie – Interview mit Anna Gius

©Sandra Oblak

Bei den Nächten der Philosophie wird vom 22.–26. Mai an verschiedenen Locations bei freiem Eintritt über Philosophie gesprochen. Veranstaltungen u. a. von Lisz Hirn (Nietzsche und die Frauen), Regula Stämpfli (Die Hannah-Arendt-Kontroversen), Alfred Pfabigan (When I’m 64. Altern als Kunst) und Simone Klein (Philosophisches im Wiener Lied und Austropop). Programm: www.gap.or.at

Zur Einstimmung bringen wir ein Interview mit Anna Gius, die über „Die Schwierigkeit zu lieben“ referieren wird.

Anna Gius ist geborene Südtirolerin und kam zum Studium nach Wien, wo sie sich später in der „Philosophischen Praxis“ engagierte. In dieser Einrichtung können Gespräche mit ihr – auch etwa als Paar – zu persönlichen Problemen gebucht werden, es soll ein philosophisches Reflektieren über das eigene Leben stattfinden. Daneben arbeitet Gius in der Kinder- und Jugendkultur bei WIENXTRA.

Philosophie als Lebenshilfe. Wie geht das?

Anna Gius: Ich habe das zum ersten Mal bei mir selbst erfahren, als ich als Jugendliche begonnen habe, Sartre zu lesen – das hat mich damals komplett abgeholt. Als ich dann entdeckt habe, dass es den Lehrgang „Philosophische Praxis“ gibt, war für mich klar, dass das ein Ort sein kann, wo ich viel finden und viel geben kann. Meine Steckenpferde wurden dann Liebe und Beziehungen. Deshalb machen Paarsettings bei mir Sinn, gerade wenn sich Paare abseits von normativen Beziehungslogiken bewegen. Aber ich denke: Egal, wo man sich umtreibt, ist philosophisches Handeln notwendig, denn es geht darum, Denkprozessen eine Tiefe zu geben und Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen.

Sie werden bei den „Nächten der Philosophie“ über die romantische Liebe sprechen – das ist ja das Klischee schlechthin, oder?

Genau, ich möchte weniger über die Liebe in der Philosophie reflektieren als über die Liebe im Leben. Das Romantikideal ist eine machtvolle Vorstellung, wenn es um ein gutes und glückliches Leben geht. Ich finde es gerade heute wichtig, Philosophie mit den Erkenntnissen aus anderen Fachbereichen zu verschränken. Die Glücksforschung zeigt uns etwa ganz deutlich, was Menschen am wichtigsten für ihr eigenes Glück erkennen, nämlich die Beziehungen, die sie führen. Gleichzeitig berichten Soziolog*innen, dass Menschen gerade dabei Erfahrungen des Scheiterns machen. Mich interessiert die Verschränkung von gesellschaftlichen Normvorstellungen mit den eigenen Selbsterzählungen – also dem eigenen Bewusstsein des Individuums, als das man sich sieht.

Das Scheitern ist in der romantischen Liebe ja fast schon angelegt – also die Liebe zu einem, einer und das für immer und ewig …

Obwohl wir alle anerkennen, wie unwahrscheinlich und selten die Erfüllung dieses Ideals ist, hören wir trotzdem nicht auf, es zu verfolgen. Wir müssen das Ideal hinterfragen, ohne den Wunsch nach liebevollen, erfüllenden Beziehungen aufzugeben. Viele Potenziale, die vorhanden sind, werden nicht genutzt. Wir haben sehr viel mehr Handlungsspielräume, ein erfülltes Leben zu führen und erfüllt zu lieben, als wir uns bewusst machen.

Nun gab es ja schon in den 60er-Jahren andere Formen wie die „freie Liebe“, aber das ist ja oft in der Praxis gescheitert …

Ich glaube, es gibt mehrere Gründe, warum alternative Beziehungsmodelle bisher nicht breitenwirksam geworden sind. Zum einen hat man nicht ehrlich genug auf die Auswirkungen und Handlungspraktiken im Patriarchat geschaut und zum anderen hat es gesellschaftliche Gegeninteressen gegeben, die das erschwert haben. Die Kleinfamilie galt als ein gesellschaftlich stabilisierender Faktor. Es wurden also Machtdynamiken übernommen, die nur die Verhältnisse reproduzieren und keine wirklichen Veränderungen ermöglichen können. Solange wir so starke patriarchale Hierarchien in unsere intimsten Beziehungen mitnehmen und dort keine Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit erlauben, werden wir scheitern.

Sie sprechen konkret über die Schwierigkeiten in der Liebe. Was sind die größten Schwierigkeiten?

Ich gehe von der lebenskundlichen Erfahrung aus, dass wir alle sehr vertraut sind mit Liebeskummer und vielleicht auch mit der Erkenntnis, dass es ein Ideal ist, an dem wir scheitern, und nicht die Liebe an sich. Die Schwierigkeiten können sehr individuell sein, deshalb ist gerade ein philosophisches Gespräch ein guter Ort, um sich das anzuschauen. Wenn wir in der Liebe eigene Wege gehen, gibt es auch Schwierigkeiten, denen wir alle begegnen: dass wir gelernt haben, dass Eifersucht natürlich ist und ein Beweis der Stärke unserer Gefühle zum Beispiel, oder dass es nicht möglich ist, mehrere Menschen gleichzeitig romantisch zu lieben, oder dass die romantische Liebesbeziehung wichtiger sein muss als Freund*innenschaften.

Herkules der Künste – Interview mit Stephan Koja

Das Porträt der Clara Serena Rubens gehört zu den berührendsten Kinderporträts der europäischen Kunstgeschichte. – Peter Paul Rubens (1577–1640), Porträt der Clara Serena Rubens, der Tochter des Künstlers (1611–1623), um 1616
© LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna

Im Gartenpalais Liechtenstein ist bei freiem Eintritt die Schau HERKULES DER KÜNSTE zu sehen, in dessen Mittelpunkt ein Fürst steht, dem Wien viel zu verdanken hat. Ein Interview mit dem neuen Direktor der Sammlung, Stephan Koja.

Mit 1. April 2023 löste der Wiener Kunsthistoriker Stephan Koja Johann Kräftner an der Spitze der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein ab. Kräftner hatte zwei Jahrzehnte das Bild der berühmten Sammlung geprägt.

Der 1962 geborene Stephan Koja konnte bislang schon viele internationale Erfahrungen sammeln und wurde für seine Verantwortung bei der Renovierung der Dresdner Sempergalerie am Zwinger viel gelobt. Begonnen hat er seine Karriere an der Spitze der Sammlungen des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne im Belvedere. Und natürlich hat er auch für das Gartenpalais und das Stadtpalais Liechtenstein neue Ideen. Er möchte etwa die Rolle der Liechtenstein’schen Fürsten bei der Entwicklung Wiens stärker betonen. Denn durch den Bau des Gartenpalais in der damaligen Vorstadt wurde das Viertel Lichtental nachhaltig auch wirtschaftlich entwickelt. Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein baute nicht nur die Schulden seines Vaters ab, sondern machte aus seinen Besitzungen funktionierende und florierende Musterbetriebe.

Sonderausstellung

Das Palais Liechtenstein ist seit einigen Jahren nur gegen Voranmeldung und mit Führung zu besichtigen. Allerdings gibt es jährliche Sonderausstellungen bei freiem Eintritt.

Ab sofort lockt die Schau „HERKULES DER KÜNSTE – Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700“.

Was war die Idee zur Ausstellung?

Stephan Koja: In „Herkules der Künste“ geht es um die zentrale Fürstengestalt, der man zum einen – auf politischer Ebene – verdankt, dass die Liechtensteins Reichsfürsten werden, zum anderen, dass die Kunstsammlung eine ganz neue Bedeutung gewinnt und der Hauptsitz der Fürsten nach Wien verlegt wird. Die großen Besitzungen der Fürsten liegen ja in Böhmen und Mähren, wo sie wunderbare Schlösser besessen haben.

Johann Adam Andreas schafft in Wien repräsentative Bauten und kauft die besten Kunstwerke, die er in Europa bekommen kann. Und da er der Meinung ist, dass italienische Architekten die besten sind, lässt er sich in Lichtental ein Palais im italienischen Stil bauen.

Damals waren rundherum ja noch Felder, oder?

Stephan Koja: Genau, Johann Adam Andreas I. macht aus dem Gebiet eine Mustersiedlung – mit einer Brauerei, Mühlen und einer von ihm gestifteten Kirche. Er gewährt Steuererleichterungen, damit sich Menschen – vor allem Handwerker – hier ansiedeln. Um 1700 boomt Wien gerade, die Türkenbelagerung ist überstanden, und es geht wirtschaftlich steil bergauf.

Der Fürst denkt viel darüber nach, wie seine Betriebe noch effizienter arbeiten könnten und ist sehr erfolgreich. Seine Besitzungen sind weitgehend autark – mit Landwirtschaft und deren Weiterverarbeitung, Handwerk und Brauhäusern. Der damit erwirtschaftete Wohlstand erlaubt die Sammeltätigkeit und eine imposante Bautätigkeit. Denn die Großzügigkeit des neuen Gartenpalais ist wirklich sensationell. So etwas wie die Sala Terrena oder den Herkulessaal – das hat es in diesen Dimensionen zu dieser Zeit in Wien nicht gegeben. Das wird dann bis in den süddeutschen Raum zum Vorbild – auch für das Belvedere – Prinz Eugen beschäftigt zum Teil sogar die gleichen Handwerker.

Was sind nun die Highlights der Ausstellung?

Stephan Koja: Das überwältigende Deckenfresko im Festsaal von Andrea Pozzo zeigt die Taten und die Apotheose des antiken Helden Herkules in einer beeindruckenden Scheinarchitektur und ist deshalb Namensgeber der Schau. Dann die riesigen Ausstattungsbilder von Marcantonio Franceschini. Und schließlich sind natürlich die Gemälde von Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck in der Sammlung von überragender Qualität. Das Porträt der Clara Serena Rubens gehört zu den berührendsten Kinderporträts der europäischen Kunstgeschichte.

Das gesamte Interview können Sie in der kommenden Ausgabe von Wienlive lesen.

HERKULES DER KÜNSTE
Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein und das Wien um 1700

16. Februar – 1. April GARTENPALAIS Liechtenstein
Fürstengasse 1, 1090 Wien
Montag bis Sonntag 10–18 Uhr | Freier Eintritt | Keine Anmeldung erforderlich.
palaisliechtenstein.com

Vor 110 Jahren wurde George Tabori geboren – Rückblick auf ein Interview

Bild: ©Oliver Mark

Heuer ist ja ein richtiges Literatur-Gedenkjahr: 100. Todestag Franz Kafka, 150. Geburtstag von Hugo von Hofmannsthal, 150. Geburtstag von Karl Kraus und Friederike Mayröcker wäre im Dezember 100 Jahre alt geworden. Auf einen gerade auch für Wien wichtigen Autor und Spielmacher (Regisseur wollte er nicht genannt werden) könnte da leicht vergessen werden, aber George Tabori wurde vor 110 Jahren in Budapest – damals noch Österreich-Ungarn – geboren.

Nach Jahren in Berlin, wo er etwa im berühmten Hotel Adlon arbeitete, emigrierte er nach der Machtergreifung Hitlers 1933 über einige Umwege in die USA, wo er mit Bertolt Brecht, Elia Kazan und Alfred Hitchcock zusammenarbeitete und Drehbücher schrieb. Vom FBI überwacht zog er nach dem Krieg wieder nach Europa und schrieb erste Stücke fürs Theater. Ab 1986 arbeitete Tabori in Wien bei Peymann im Burgtheater und als Chef der Schauspielhauses, das er in „Der Kreis“ umbenannte. In den letzten Lebensjahren arbeitete er wieder in Berlin. Das folgende Interview führte ich wenige Monate vor seinem Tod (23. Juli 2007) in Wien.

Tabori wird aktuell wieder im Burgtheater gespielt. Itay Tiran inszenierte die Farce „Mein Kampf“ mit Adolf Hitler im Männerasyl in Wien, wo ihn selbstlos ausgerechnet ein Jude umsorgt. Eine durchaus gelungene Produktion – besonders Markus Hering als Schlomo Herzl ist sehenswert, Silvie Rohrer spielt die Frau Tod, Marcel Heupermann den obdachlosen Adolf Hitler und Oliver Nägele den Koscherkoch, der sich für Gott hält, den Tabori bei der Uraufführung in Wien selbst gespielt hatte. Zu sehen wieder am 1. Februar.

Interview George Tabori (geführt am 16. Oktober 2006 am Lusterboden im Volkstheater von Helmut Schneider)

Herr Tabori, Sie haben am Theater ja fast alles gemacht. Sie waren Regisseur, Schauspieler, Autor. Was war das Schwierigste?

Tabori: Das ist eine gute Frage. Also das Schreiben ist wirklich nicht das Schwierigste, weil da redet niemand zurück – beim Schreiben ist man alleine. Dann Regisseur … Ich bin eigentlich nicht ein Regisseur. Was Regisseure üblicherweise machen, ist sehr schön, aber nicht mein Weg. Ich glaube, die Schauspieler sind am Theater die wichtigsten Beteiligten und ich versuche da immer herauszufinden, was sie schon gemacht haben – weil meistens wiederholen sich Schauspieler – und das versuche ich zu verhindern, ich will etwas Neues mit ihnen machen.

Ich glaube, dass jeder Mensch und besonders die Schauspieler, jeden Tag anders sind. Der Schauspieler weiß es vielleicht nicht, aber wenn man beobachtet, dann findet man etwas, das er gestern noch nicht gemacht hat. Und das Anderssein, das Neue, das noch nicht da war, das interessiert mich.

Ich weiß nicht, ob mir das als Regisseur auch gelingt, aber ich schaue mir die Schauspieler genau an, weil ich sie für am wichtigsten halte. Bühnenbildner und Assistenten, die sind auch sehr wichtig – aber für mich sind die Schauspieler der Schlüssel bei einer Inszenierung.

Sie waren ja selber als Schauspieler auf der Bühne oder sind zumindest eingesprungen. In „Mein Kampf“ habe ich Sie am Akademietheater als Koscherkoch Lobkowitz gesehen.

Nein, ich bin kein Schauspieler, ich bin in „Mein Kampf“ eingesprungen, weil der Hugo Lindinger, ein sehr guter Schauspieler, krank wurde. Ich wollte die Premiere verschieben, aber Peymann hat gesagt: Nein, mach du seine Rolle. Ich dachte, ich probiere es mal, habe die Kochkappe aufgesetzt und mit Ignaz Kirchner gespielt – und es war ganz schön. Jetzt könnte ich es nicht mehr tun. Jetzt bin ich schon 5310 Jahre alt (lacht) also, 93. Aber das Denken funktioniert noch. Ich liege zum Beispiel oft im Bett und schaue für eine Stunde den Plafond an. Dann kommen mir verschiedene Gedanken und das habe ich gern.

Aber die Rolle war ja insofern auch interessant, als sie ja einen Koch spielten, der Gott ist, oder der sich zumindest für Gott hält…

Ja also, der Lobkowitz, der ist schwierig. Er ist verrückt, er glaubt er ist Gott, aber er war ein Koscherkoch. Ich hab mich in der Rolle auch nicht als Gott gefühlt.

Aber ich beschäftige mich sehr oft mit Gott, zum Beispiel gestern, vorgestern habe ich wieder das erste Kapitel der Bibel, das Alte Testament, gelesen und das Interessante ist, da steht immer „Und Gott sagte“ und ich frage mich dann – Zu wem hat er gesprochen? Zu den Tieren, den Bäumen oder dem Morgen und dem Gestern – was auch immer –. Und ich dachte immer, das erste Kapitel der Bibel, dass da der Gott mir sehr sympathisch war, weil er Ideen hatte, die nicht stimmten, also als er mit Tieren und Bäumen fertig gewesen ist, wollte er nach Hause gehen und dann ist ihm erst der Mensch eingefallen und er hat den Adam geschaffen. Adam steht nackt da, Gott ist zufrieden – auf Wiedersehen, ich gehe – und dann geht er und denkt „Hallo? Der kann ja nicht allein leben. Ich muss eine, wie nennt man das, Frau erfinden…“ Und er erfindet die Eva und jetzt will er endlich wirklich weggehen. Aber er hat ihnen gesagt, sie dürfen nicht Liebe machen. Und als sie sich nicht daran halten – also er hat sie allein gelassen, nackt, was hat er erwartet? – als sie doch Liebe gemacht haben, hat er sie rausgeschmissen aus dem Paradies und das ist ja eine interessante Geschichte…

Ich denke oft daran, wie er jetzt wäre, ich weiß noch nicht aber wenn ich es weiß, dann werde ich Ihnen Bescheid sagen. Diese Widersprüchlichkeiten, die finde ich schon sehr stark ausgeprägt. Wenn ich könnte, würde ich ihn danach fragen.

Sie glauben also an ein höheres Wesen, hab ich das richtig verstanden?

Ein höheres Wesen, das ist ein Ausdruck, den ich nicht genug kenne … höheres Wesen … Ich denke immer an den Renoir, Da Vinci, Malerei, wo gottartige Schöne dargestellt sind. Wo Gott „so“ macht und Adam den Finger zeigt, und ich sag dann: na ja der Michelangelo oder der Leonardo hat sich das genau so vorgestellt. Das finde ich heutzutage schwer, wenn ich an Gott denke, ich denke nicht an ihn als allgegenwärtiger Herrn, sondern ich weiß nicht wie er aussieht, ich weiß nicht, ich möchte es wissen, aber ich weiß es nicht wenn ich ehrlich bin. Ich habe ein Buch über Malerei zum Thema Christus bekommen. Da sieht man etwa ein sehr schönes Bild von Salvador Dalí, wo der Kopf nach unten gerichtet ist. Dieses Leiden kann ich verstehen, was hat Jesus gesagt, bevor er stirbt?

Er hat gesagt „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Ich habe mich sehr viel mit Christus beschäftigt, ich lebte auch während des Krieges ein Jahr lang in Jerusalem. Ich fuhr auch die „Via Dolorosa“ entlang, wo die heiligen Stätten sind. Aber ich glaube nicht, dass es sich so ereignet hat, wie es in der Bibel steht. Erstens: der Golgota, wo man Christus erhängt hat, das war freie Luft – und jetzt ist da ein Loch in der Wand und man sagt, es ist wichtig, weil da hat der tote Jesus gelegen und dann ist er wieder zum Leben erweckt worden – weil er ja unsterblich ist. Ich fand diese offizielle Religiosität interessant und schön – aber geglaubt habe ich das nicht.

Zurück zum Theater. Das Theater hat ja heute viel Konkurrenz – Fernsehen, Internet usw..

Ja, ja. Das ist sehr schade. Vor einigen Jahren sind die Medien wichtiger geworden. Etwa das Fernsehen. Ich schaue in Berlin jeden Tag vielleicht eine Stunde Fernsehen. Höchstens einmal in der Woche finde ich etwas, was mich interessiert, sonst gibt es immer nur hübsche Frauen, die etwas verkaufen wollen, oder dicke Herren, die politisch sprechen. Ich glaube das Fernsehen war am Anfang interessanter als jetzt. Also zum Beispiel Fußball. Ich habe Fußball sehr gern gehabt und war früher oft auf Fußballplätzen. Aber jetzt sieht man es im Fernsehen. Am Nachmittag ein Spiel, und nachher noch eins und noch eins. Ich glaube das Resultat wird sein, dass in ein paar Jahren die Leute überhaupt nicht mehr Fußball zugucken.

Aber trotzdem schauen sich ja noch viele Menschen Theaterstücke an, es ist immer wieder faszinierend volle Häuser zu sehen.

In Österreich schon, in Berlin weniger. Ich habe da eine Theorie, wobei ich hoffe sie ist nicht richtig. Ich denke das alte griechische Theater, das hat fünfzig Jahre gedauert, dann kam das römische Theater, das war brutal und so weiter, dann kam Shakespeare und mehrere Engländer, dann kamen mehrere Franzosen und dann im 19. Jahrhundert Goethe, Schiller, Kleist… Ein Jahrhundert lang waren wir die besten und die größten, jetzt aber nicht mehr. Und außerdem was haben wir hier, also ich hab Probleme mit dem wie heißt er Peter … wie heißt er der große Schriftsteller…

Handke?

Ja. Ich glaube er hat sich sogar antisemitisch geäußert. Das ist nicht unbedingt schön, aber die Düsseldorfer Sache (Anm.: Handke wurde von der Stadt Düsseldorf der Heinrich-Heine-Preis verweigert) hat man weggesteckt und jetzt schimpft Handke auf Günther Grass. Günther Grass ist ein Freund von mir und was er als 17jähriger gemacht hat, das interessiert mich nicht und dass er das zu spät zugegeben hat, das interessiert mich auch nicht, das ist seine Sache. Vielleicht hätte ich es auch so gemacht aber das finde ich es nicht richtig, dass man ihn so angreift, nur weil er einige Sachen nicht gleich zugegeben hat. Ich kenne ihn seit Jahren, mit seinen Kindern und seiner Ehefrau. Ich habe mich gefreut, dass er den Nobelpreis bekommen hat – ebenso wie die österreichische…..

Die Frau Jelinek, ja.

Ich hab sie gekannt, damals als sie hier lebte, wir haben uns bei Shakespeare & Company getroffen. Ich habe dann auch ein Stück von ihr gemacht und sie kam drei Mal zu der Probe und sie sagte „Sie haben gewisse Sachen geändert, kürzer gemacht. Gut, machen sie nur. Ich habe den Text geschrieben, aber das heißt nicht, dass es so bleiben muss. Sie war die einzige Schriftstellerin, die das zugegeben hat. Denn wenn man etwas schreibt, das ist anders, als wenn man etwas spielt. Ich hoffe ich werde sie irgendwann wieder sehen.

Übrigens, ich habe meiner Frau gesagt, ich bleibe in Wien, Good Bye. Sie hat gelacht. Also ich gehe, Samstag gehe ich nach Hause, aber ich werde versuchen, sie zu überreden, lass uns wieder nach Wien kommen!

Das wäre toll.

Warum das so ist, das kann ich nicht sagen, aber ich fühlte mich hier wohl. Ich bin immer zu Fuß ins Burgtheater gegangen, Währinger Straße, dort war ein Hotel, mit „R“ fängt es an, dort habe ich auch gewohnt…

In der Währinger Straße ist das Hotel Regina.

Es ist ein kleines Hotel, … na ja ich will nicht nostalgisch werden …

Was ist in Wien besser für Theatermacher als in Berlin?

Also ich würde es nicht so formulieren „Was ist besser“. Weil schauen Sie, ich bin der älteste Theatermachende der Welt, aber das heißt nicht, dass ich unbedingt Gutes geschafft habe, ich hab ja so viele Stücke geschrieben, warum habe ich das gemacht?

Haben Sie ein Lieblingsstück unter ihren eigenen? 

Bei mir ist es so, wenn ich ein Stück schreibe, dann bin ich nur darauf konzentriert, alle anderen Stücke interessieren mich nicht. So war das früher. Wenn die Premiere gekommen ist, Good Bye, Ciao … So war es früher. Jetzt, seit drei, vier Jahren denke ich auch darüber nach, welches Stück ich am besten finde. Ich habe sehr gerne „Weisman und Rotgesicht“, das ich in Amerika geschrieben hab, ich möchte das wieder in Wien machen lassen. Und dann „Die Kannibalen“ – das wurde in Berlin aufgeführt, das hat mich eigentlich nach Berlin geführt.

Rickerls Wien – Voodoo Jürgens über seine erste Rolle und seine Karriere

Voodoo Jürgens im Café Weidlinger. – ©Stefan Diesner

Liedermacher Voodoo Jürgensentwickelte mit Regisseur Adrian Goiginger den Musikfilm RICKERL, in dem er einen traumtänzerischen Wiener Sänger und Vater spielt. Beim Interview im Café Weidinger erzählt der Austropopstar über den Film und seine Karriere.

Heite grob ma Tote aus“: Mit dieser – auf FM4 viel gespielten – Single im breiten Wiener Dialekt wurde Voodoo Jürgens 2016 schlagartig berühmt. Es folgten die Alben „Ansa Woar“, „’S klane Glücksspiel“ und zuletzt 2022 „Wie die Nocht noch jung wor“, sowie zahlreiche Auftritte in Österreich und Deutschland. In der Theaterproduktion mit Stephanie Sargnagel spielte er im Rabenhof und sogar im „Tatort“ hatte er einen Gastauftritt. In „RICKERL – Musik is höchstens a Hobby“ spielt er aber seine erste Hauptrolle in einem Film. Wobei der Streifen von Adrian Goiginger (Regisseur u.a. von „Die beste aller Welten“ und „Der Fuchs“) doch ein bisschen autobiografisch geworden ist. Der Plot wurde bei vielen Gesprächen entwickelt, das Drehbuch schrieb aber Goiginger selbst.

„Ich wollte auf keinen Fall vermitteln, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt.“

Voodoo Jürgens

„RICKERL“ erzählt die Geschichte eines Wiener Musikers, der seinen Job auf einem Friedhof verliert – Voodoo Jürgens hat auch einmal in diesem Gewerbe gearbeitet – und jetzt als Musiker über die Runden kommen muss. Er besitzt zwar schon viele auf Schmierzettel geschriebene Songs, aber Selbstvermarktung gehört zweifelsohne nicht zu seinen Talenten. Als Musikmanager mit Herz hat der Schriftsteller Georg Biron einen Gastauftritt.

Zum eigentlichen Movens des Films wird allerdings Rickerls Beziehung zu seinem Sohn, der nach der Trennung bei seiner Mutter und dessen neuen Partner lebt. Der etwas chaotische Rickerl verliert seinen ihn innigst liebenden – von Ben Winkler sehr authentisch dargestellten – Sohn zwischendurch. Ausgespart wird auch nicht das zwiespältige Verhältnis des Protagonisten zu seinem sich immer auf der Suche nach Geld befindenden Spieler-Vater. 

Und während üblicherweise bei einem Musikfilm der Durchbruch des Stars das Grande Finale bildet, verweigert RICKERL das A-Star-Is-Born-Happy-End. 

Helmut Schneider: Waren Sie Autodidakt beim Schreiben und in der Musik?

Voodoo Jürgens: Ja, mein Großvater war ein Sportler und ich bin dann auch in eine Sportschule gegangen. Kunst und Kultur waren lang gar kein Thema in unserer Familie. Ich bin damals ziemlich viel Skateboard gefahren. Das Gitarrespielen habe ich mir beigebracht, damit ich Lieder singen kann. 

Im Film ist Autobiografisches dabei. Sie waren auch Friedhofsgärtner …

Ich habe dem Adrian – meistens hier im Weidinger – viele Geschichten erzählt. Aber wir wollten beide nicht meine Biografie machen, wenngleich einige Anekdoten dann doch in den Film gekommen sind. 

Der Sohn ist sehr präsent. Haben Sie selbst Kinder?

Ich habe eine Tochter, aber die Idee, ein Kind in die Handlung einzubauen, ist von Adrian gekommen. 

Im klassischen Künstlerfilm hat ja der Künstler zwar am Anfang keinen Erfolg, aber dann wird er entdeckt. Das wird bei RICKERL verweigert, warum? 

Genau das war mir wichtig. Ich wollte eine Geschichte erzählen, wo das zumindest offen bleibt. Eben keine 0815-Erfolgsstory. Ich kenne ja viele, die es probieren und hart daran arbeiten und bei denen es niemals aufgeht. Ich wollte auf keinen Fall vermitteln, dass harte Arbeit immer zum Erfolg führt.



Rickerl – Musik is höchstens a Hobby. Der Spielfilm von Adrian Goiginger kommt am 19. Jänner in die österreichischen Kinos.

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby. Der Spielfilm von Adrian Goiginger kommt am 19. Jänner in die österreichischen Kinos.

Was war Ihnen noch wichtig? 

Es ist ja ein sehr schmaler Grat, wo etwas kitschig, das Wienerische platt wird und in Klischees abdriftet. Auch die Schauplätze im Film sind keine Ansichtskartensujets von Wien. 

Wo in Wien fühlen Sie sich persönlich am wohlsten? Ihr Klischee wären ja die Beisln …

Ich bin jetzt eher weniger in Beisln als früher. Es gibt ja auch immer weniger Beisln. Aber dieses Gefühl, dass an einem Ort die Zeit stehen geblieben ist, mag ich schon sehr. 

Sie sind sehr viel auf Tournee, auch in Deutschland – werden Sie da überhaupt verstanden?

Ich bin sogar mehr in Deutschland unterwegs als in Österreich, weil es dort mehr Auftrittsmöglichkeiten gibt. Im bayerischen Raum werde ich gut verstanden. Im Norden wird die Textebene natürlich weniger wichtig, aber die Band gleicht das dann gut aus. Da geht es dann mehr um das Feeling, das ich vermitteln kann. 

Der klassische Spruch, den ich dann oft in Deutschland höre, lautet dann: „Kein Wort verstanden, aber richtig geil!“ 

Ich habe aber schon das Gefühl, dass bei meinen Konzerten mehr rüberkommt, als es den Leuten wirklich bewusst ist. Meine Texte lassen sich über die Musik schon gut vermitteln. Mir geht das ja genauso manchmal bei amerikanischen Songs, wo ich auch nicht immer so auf den Text achte. 

Voodoo Jürgens ist natürlich eine Kunstfigur, Sie stehen ja für ein gewisses Lebensgefühl?

Ja, deswegen habe ich ja auch ein Pseudonym gewählt. Das hat sich natürlich erst entwickelt. Der Voodoo ist quasi eine Version von mir, bei der ich mehr draufdrücke.


Voodoo Jürgens mit Ben Winkler als Sohn und Agnes Hausmann als Ex. – ©FILMLADEN Filmverleih


Sie sind in Tulln aufgewachsen, aber schon lange in Wien. Fühlen Sie sich inzwischen als Wiener?

Ja, klar. Ich habe mit 15 in Wien eine Lehre angefangen, lebe also schon lange hier. Für mich war aber schon lange vorher klar, dass ich Tulln verlassen würde.

Der Schriftsteller Georg Biron spielt auch im Film mit, wie ist das entstanden?

Lustigerweise hat Adrian das Drehbuch in seinem Salzburger Heimatdialekt geschrieben und so brauchten wir jemanden, der das ins Wienerische übersetzt. Für mich war das neben der Musik nicht machbar und so ist der Georg eingesprungen und hat dann auch gleich eine kleine Rolle übernommen. 

 Der Film scheint aus der Zeit gefallen, es tauchen zwar Handys auf, aber auch Schreibmaschinen und Kassettenrekorder. War das gewollt?

Na ja, es gibt durchaus auch heute Menschen – zu denen auch ich gehöre –, die auf das Analoge, das Haptische abfahren. Und der Rickerl ist eben so einer. 

Der Hauptkonflikt ist aber die Geschichte mit dem Sohn …

Der Rickerl muss eben schauen, wo er seinen Platz findet – er hat ja eine Trennung hinter sich, ist arbeitslos. Und in seiner Rolle als Vater ist er sich genauso unsicher wie beim Musizieren.

In einer Szene gibt es eine Schlägerei auf einer Hochzeit, wo der Rickerl spielt. Haben Sie so etwas schon erlebt?

Ja, tatsächlich – aber in meiner Kindheit, wo ich mit den Eltern bei einer Hochzeit war und irgendwer die Braut angebraten hat. Da gab es dann eine Schlägerei. 


Informationen & Details zum Film: filminstitut.at