Ein Bunkerstück im Schauspielhaus. Theaterkritik von Helmut Schneider. Foto: Susanne Einzenberger
Das Schauspielhaus hat mit der britischen Theatergruppe Kandinsky ein aktuelles Stück entwickelt, in dem es um das Überleben bei zu erwartenden Klimakatastrophen geht. Wer reich ist, sorgt vor – nämlich indem er sich einen luxuriösen Bunker anschafft. Bunker-Verkaufsgespräche bilden das Grundgerüst von „SHTF“.
Die Darsteller wechseln permanent zwischen Englisch und Deutsch, Bildschirme werden originell eingesetzt und bisweilen als Verlängerung des Theaterraums verwendet. Da schneidet man etwa Gemüse (am Schirm als Film sichtbar) und die Schauspielerin hält nur die Hände in der richtigen Position. Wie überleben, wenn alles hin ist? Angeblich werden im Silicon Valley längst Projekte forciert, um Lebensmittel künstlich herzustellen. 90 Minuten Nachdenken über den Weltuntergang – klingt ziemlich deprimierend. Durch witzige Einfälle und eine flüssige Handlung gelingt aber dennoch ein sehr ansprechender Theaterabend.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.png00Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2022-04-26 10:10:362022-04-26 10:13:00Theaterkritik: „It’s the End of the World as We Know It“ im Schauspielhaus
Das Fest der Literatur, Rund um die Burg, findet heuer endlich wieder live statt! Das Buch-Festival findet am 20. & 21. Mai im Landtmann Bel Etage statt. Alle Lesungen & Diskussionen werden auch ins Café und ins Netz gestreamt.
Resurrection! Beim beliebten Buchfestival „Rund um die Burg“ können heuer wieder Gäste allen Autorinnen und Autoren persönlich begegnen. Nach den Lesungen und Diskussionen gibt es wieder die Möglichkeit, sich die Bücher signieren zu lassen – die Buchhandlung „Buchkontor“ ist im Landtmann Bel Etage (im ersten Stock über dem Café Landtmann, Eingang Oppolzergasse 6, Eintritt frei!) vor Ort. Und das Programm ist heuer so vielfältig wie noch nie. Heimische Literaturstars lesen neben aus TV & Bühne bekannten Autorinnen und Autoren. Sogar Altbürgermeister Michael Häupl ist mit seiner Autobiografie „Freundschaft“ beim Frühstück im Café zu Gast. Doron Rabinovici wird seinen Roman über einen Polit-Fotografen präsentieren, Renate Welsh ihr Plädoyer für die Literatur als Hoffnungsträger der Zukunft. Daniel Wisser hat 22 Short-Stories über Frauen in allen Lebensituationen geschrieben und auffallend viele spannende Debütromane sind heuer zu entdecken – wie etwa „Luftpolster“ von Lena-Marie Biertimpel oder „Die dritte Hälfte eines Lebens“ von Anna Herzig. Kabarettstar Florian Scheuba widmet sich in seinem neuen Buch den entlarvenden Chats aus der Regierungsebene und Publikumsliebling Lilian Klebow denkt über einen zeitgemäßen Feminismus nach. „Rund um die Burg“ dankt den Unterstützern Stadt Wien, Wiener Städtische Versicherung, Bundesministerium für Kunst und dem Café Landtmann.
Doron Rabinovici wird seinen Roman über einen Polit-Fotografen präsentieren, Renate Welsh ihr Plädoyer für die Literatur als Hoffnungsträger der Zukunft. Daniel Wisser hat 22 Short-Stories über Frauen in allen Lebensituationen geschrieben und auffallend viele spannende Debütromane sind heuer zu entdecken – wie etwa „Luftpolster“ von Lena-Marie Biertimpel oder „Die dritte Hälfte eines Lebens“ von Anna Herzig. Kabarettstar Florian Scheuba widmet sich in seinem neuen Buch den entlarvenden Chats aus der Regierungsebene und Publikumsliebling Lilian Klebow denkt über einen zeitgemäßen Feminismus nach.
„Rund um die Burg“ dankt der Magistratsabteilung 7 Kultur der Stadt Wien, der Wiener Städtischen Versicherung, dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und dem Café Landtmann. Erst deren Unterstützung ermöglicht die Veranstaltung dieses schon traditionellen, weit über die Grenzen Wiens hinaus bekannten Wiener Buchfestivals.
Das Programm
Freitag, 20. Mai
14.45 Eröffnung
15.00 Daniel Wisser: Die erfundene Frau (Luchterhand)
15.30 Lena-Marie Biertimpel: Luftpolster (leykam)
16.00 Renate Welsh: Hoffnung lebt vom Trotzdem (Czernin)
16.30 Christian Klinger: Ein Giro in Triest (Picus)
17.00 Iris Blauensteiner: Atemhaut (K&S)
17.30 Peter Karoshi: Zu den Elefanten (Leykam)
18.00 Georg Biron: Birons Welt (Wieser)
18.30 Otto Brusatti: Der Gaukler mit Beethoven & Co. (Morio Verlag)
19.00 Conny Bischofberger: Eisschwimmen (edition a)
19.30 Chris Lohner: Ich bin ein Kind der Stadt (echomedia buchverlag)
20.00 Andrea Roedig: Man kann Müttern nicht trauen (dtv)
20.30 Stefan Kutzenberger: Kilometer Null (berlin verlag)
21.00 Doron Rabinovici: Die Einstellung (Suhrkamp)
Samstag, 21. Mai
9.00 Michael Häupl/Herbert Lackner: Freundschaft (Brandstätter Verlag)
10.00 Michael Schottenberg: Wien für Entdecker (Amalthea)
10.30 Franziska Waltz/Claus Schönhofer: Plötzlich ein Foto (echomedia buchverlag)
11.00 Christine de Grancy: Über der Welt und den Zeiten (Verlag Die2); Lukas Beck: Wien pur (echomedia buchverlag); Pamela Rußmann: Irgendwann geht auch das vorbei (leykam)
12.00 Florian Scheuba: Wenn das in die Hose geht, sind wir hin (Zsolnay)
12.30 Lilian Klebow: Reise zurück zu mir (edition a)
13.00 Faika El-Nagashi/Mireille Ngosso: Für alle, die hier sind (K&S)
13.30 Anne Herzig: Die dritte Hälfte eines Lebens (OMV)
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.png00wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2022-04-22 09:26:382022-05-13 08:39:13Rund um die Burg 2022
Ein neuer Cyrano im Burgtheater. Zu sehen etwa am 9. und am 27. Mai 2022. Foto: Nikolaus Ostermann
Einfach spielen kann man das vor Kitsch nicht zurückschreckende Versdrama „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand wohl nur in einem Augen-zu-und-durch-Modus in den diversen Sommertheatern. Nimmt man das französische Drama ernst, müssen die Figuren mehr vermitteln können als ihnen der Text vorgibt. Das bedarf einer subtilen Regie und sensibler Schauspieler. Im Burgtheater wird jetzt eine Version des britischen Dramatikers Martin Crimp (in der Übertragung von Ulrich Blumenbach und Nils Tabert) gespielt, die den Cyrano einen etwas moderneren Anstrich gibt und ihn in der Regie von Lily Sykes auch zeitlich nicht völlig in die Mantel- und Degen-Ära abgleiten lässt. Bisweilen rapt man sogar und der Schluss wurde von Crimp völlig verändert wenn auch nicht ins Happy-End verklärt. Franz Pätzold spielt solide den langnasigen Reimeschmieder, Lilith Häßle die angebetete Roxane, etwas blass wirkt Tim Werths als Schönling Christian.
Man kann sich also durchaus gut unterhalten im Burgtheater und das Entsetzen vor dem Krieg und vor totalitären Gesellschaften hat sowieso leider gerade eine tragische Aktualität.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.png00Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2022-04-22 09:17:332022-04-22 09:18:18Theaterkritik: „Cyrano de Bergerac“ im Burgtheater
Eine Geschichtsstunde – Rainald Goetz‘ „Reich des Todes“ im Akademietheater. Theaterkritik von Helmut Schneider. Foto: Ruiz-Cruz
Am Beginn herrscht Party – am Ende Ratlosigkeit. In der Inszenierung von „Reich des Todes“ von Rainald Goetz durch Robert Borgmann im Akademietheater tanzen sich weiß bekleidete Menschen zur Rave-Musik in Trance, während im Hintergrund bereits Leuchtstoffröhren die Fassade des World Trade Centers andeuten. Doch schnell ist Schluss mit lustig, die jungen Menschen liegen leblos am Boden und werden mit Erde bedeckt. Die Anschläge von 9/11 sind für Rainald Goetz aber nur der Ausgangspunkt einer Entwicklung, die sich in den Einschränkungen liberaler Freiheiten und schließlich in den Folterzellen in Abu Ghuraib fortsetzt. Der amerikanische Präsident, Geheimdienstchefs und Folterknechte und -mägde treten auf, Berichte von Menschenrechtsverletzungen werden verlesen. Dass dieses Stück über eine Zeitenwende jetzt just zu einem Zeitpunkt erscheint, als angesichts der Gräuel des Ukraine-Kriegs wieder viele von einer Zeitenwende sprechen, kann man auch als notwendiges Korrektiv eines umsichgreifenden Schwarz-Weiß-Denkens empfinden.
Goetz zieht aber auch Parallelen zu den Verbrechen der Nazis, er holt da ziemlich heftig aus.
Auf einem zweiten Bühnenvorhang ist der Grundriss eines Konzentrationslagers aufgezeichnet, Braunhemden in Wehrmachtsstiefeln treten auf. Aber macht das schon ein gutes Theaterstück aus? Die Folter-Vorwürfe im Irak und Guantanamo sind bekannt, auch wenn man nach wie vor nicht weiß, was Obama letztendlich bewogen hat, sein Wahlkampfversprechen, Guantanamo aufzulösen, zu brechen. Robert Borgmann versucht in einzelnen Szenen durchaus mit Erfolg, ansprechende Theaterbilder zu schaffen und die Texte ins Tragisch-Komische zu verfremden. Die Schauspielerinnen und Schauspieler – Marcel Heuperman, Felix Kammerer, Christoph Luser, Elisa Plüss, Safira Robens, Martin Schwab und Andrea Wenzl – erzeugen eine große Bühnenpräsenz. Mehmet Ateşçi gelingt etwa in einem Käfig ein beeindruckender Folteropfermonolog. Der erkenntnismatte 20-minütigen Schlussmonolog, den Martin Schwab vom Blatt ablesen muss, ist dann aber – nach dreieinhalb Stunden – eine Geduldprobe fürs Publikum.
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.png00Helmut Schneiderhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngHelmut Schneider2022-04-15 08:46:592022-04-15 09:27:04Theaterkritik: „Reich des Todes“ im Akademietheater
Ein Stück über Verschwinden und Verlust – „All right. Good night.“ im Volkstheater. Theaterkritik von Helmut Schneider. Foto: Merlin Nadj-Torma
Kann ein so großes Ding wie eine Boeing 777 in unserer vernetzten, kontrollierten Welt einfach so verschwinden und was passiert mit den weltweit Millionen von Demenzkranken, deren Bewusstsein und Gedächtnis sich von Tag zu Tag mehr vernebelt? Helgard Haug von Rimini Protokoll spiegelt in der Produktion „All right. Good night.“ den tragischen Flug der Malaysia Airlines im Jahr 2014 mit 239 Menschen am Bord, der nie restlos aufgeklärt werden konnte, mit dem Protokoll der Demenzerkrankung ihres Vaters, eines evangelischen Pfarrers. Ein Abend mit viel Musik und viel Text – allerdings wird der nur ganz selten gesprochenen, sondern im Bühnenhintergrund mit gut lesbaren großen Lettern angezeigt. Das erzeugt überraschenderweise eine eigene Stimmung und ganz viel Spannung. Im Theater stören Übertitel ja meistens, man nimmt sie aber im Kauf, um etwa einer fremdsprachigen Oper folgen zu können. Bei dieser Produktion hat man das Gefühl, etwas Intimes zu lesen. Es ist fast wie eine Buchlektüre. Dazu trägt natürlich auch die Musik von Barbara Morgenstern in Zusammenarbeit mit dem Zafraan Ensemble – 3 Musiker und 2 Musikerinnen sind stets auf der Bühne – bei. Es ist beileibe keine Hintergrundmusik, sondern ein dichtes Geflecht an Klängen, immer passend zum Text. Was sonst noch passiert auf der Bühne wird nebensächlich – angedeutet wird ein Strand mit dem Fund eines Wrackteils.
Zwar gehen die vielen Toten des Absturzes natürlich auch nahe – eine Gruppe Angehöriger des Flugs MH370 fragt bis heute seit dem Absturz jeden einzelnen Tag im Büro von Malaysia Airlines nach, ob es Neuigkeiten gebe –, die größte Betroffenheit entsteht aber dabei wenn wir miterleben, wie ein kluger, engagierter Mensch im Alter die Kontrolle über seine Gedanken und Sätze verliert. Die zweieinhalbstündige Koproduktion des Volkstheaters mit u.a Hebbel am Ufer in Berlin wurde heuer – wohl zurecht – zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Das Off-Theater spielt „Der.Semmelweis.Reflex“. Eine Theaterkritik von Helmut Schneider. Foto: Barbara Palffy
Als Semmelweis-Reflex wird die Vorstellung beschrieben, dass das wissenschaftliche Establishment eine neue Entdeckung quasi „reflexhaft“ ohne ausreichende Überprüfung erst einmal ablehne und den Urheber eher bekämpfe als unterstütze, wenn sie weit verbreiteten Normen oder Überzeugungen widerspricht. – Zitat Wikipedia. Im Off-Theater in Neubau stellt das Bernhard Ensemble das turbulente und letztendlich tragische Leben des Ignaz Semmelweis (1818 – 1865, er starb im Irrenhaus an einer Blutvergiftung) als mahnendes Beispiel für Ignoranz in der Wissenschaft dar. Und das mit zum Teil drastischen Mitteln. Bevor die Zuschauer eingelassen werden, müssen sie sich Plastikpatschen über die Schuhe stülpen – man geht schließlich in einen Operationssaal, der sich zunächst als Leichenhalle präsentiert. Denn das war ja die wichtige Erkenntnis des in Wien und Budapest tätigen Arztes Dr. Semmelweis – zu seiner Zeit übertrugen die Ärzte die Keime der sezierten Toten ohne Hygiene direkt auf die Wöchnerinnen, sodass die Frauen, die in der Nachbarabteilung des AKH mit Hebamme entbanden, eine ungleich höhere Überlebenschance hatten.
Glücklicherweise spielt das Off-Theater-Ensemble unter Ernst Kurt Weigel das freilich sehr frei und flüssig. Tote haben ebenso ihre Auftritte wie ignorante Kollegen und leidende Mütter. Zur Choreografie von Leonie Wahl bewegen sich die fünf Darstellerinnen und Darsteller auch oft zu einem schaurigen Totentanz. Wissenschaft kann ja auch Spaß machen.
Balladen von Schiller – ganz anders dargebracht von Otto Brusatti & Friends im Spektakel. Text: Helmut Schneider
Es gab eine Zeit, da mussten in den österreichischen Gymnasien im Deutschunterricht mehrere Balladen von Friedrich Schiller auswendig gelernt werden. Nun will ich ja nicht behaupten, dass mir das die Liebe zur Literatur eingeimpft hätte. Doch selbst heute noch – Jahrzehnte später – hallt der Klang der Verse – etwa in der Bürgschaft – in mir nach. Ein Effekt, der bei einmaligem Lesen wohl nicht aufgetreten wäre. Das Metrum des antiken Daktylus und vor allem die einfachen Reime üben natürlich eine ziemliche Suggestionskraft aus. Viele Reime wurden ja geradezu zu Sprichwörter (Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte usw.).
Der Autor, Regisseur, Moderator und Wienlive-Kolumnist Otto Brusatti wird sich mit seinem „Armen Theater“ nun am 30. März im Spektakel in der Hamburgerstraße gemeinsam mit Julia Prock-Schauer den Balladen von Friedrich Schiller annehmen. Es spielen dazu Timotej Kosovinc (virtuose Gitarre) und Andreas Berhmani. Brusatti: „diesmal: Balladen (ja, tatsächlich, solche von Friedrich Schiller, die Elefanten aus der deutschen Bildungs-Literatur – oder?“
(Bürgschaft und Taucher, Kassandra und die Kraniche des Ibykus, eventuell sogar noch ein Handschuh und eine Freuden-Ode, auf jeden Fall aber – zur Gänze ! – Das Lied von der Glocke; gelesen, gespielt, dargestellt, möglicherweise alles auch etwas anders)
Mittwoch, 30. März 2022, 19.00 freier Eintritt, ein bisschen Spenden (nicht zu viel)
Theater Spektakel, Hamburgerstraße 14, 1050 Wien (entsprechend den aktuellen Corona-Vermeidungs-Vorschriften)
https://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.png00wienlive Redaktionhttps://wienlive.at/wp-content/uploads/2021/03/Bildschirmfoto-2020-04-15-um-14.31.27-1-300x138.pngwienlive Redaktion2022-03-23 14:49:482022-03-23 14:49:51Balladen von Schiller
Shakespeares „Der Sturm“ am Wiener Burgtheater. Eine Theaterkritik. Foto: Burgtheater/Horn
Die Drehbühne dreht sich, die Darsteller schleichen auf der dunklen Bühne herum und singen sich ein, das Orchester spielt ein Medly aus Jazz-Standards, Schlager und Rolling-Stones-Hits, während es im Zuschauerraum anfangs noch hell bleibt. Es vergeht eine Viertelstunde, bevor das erste Wort gesprochen wird. Der isländische Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson macht im Wiener Burgtheater aus Shakespeares „Der Sturm“ einen Liederabend mit eingestreuten Szenen aus dem berühmten Theaterhit. So wirklich Interesse zeigt Arnarsson an dem vielgespielten Stück aber nicht.
Das Bühnenbild von Elín Hansdóttir bietet viel Platz zum Verstecken. Während eines Dialogs rieselt von oben leichtes Material auf die Sprechenden herab und versenkt sie schließlich. Das ergibt ein schönes Bild, aber eben wofür? Dabei ist das achtköpfige Ensemble durchaus erstklassig. Maria Happel verkörpert zwar souverän den Prospero, so wirklich reinziehen kann sie uns aber auch nicht in die Geschichte. Michael Maertens und Roland Koch sind als Blödelpaar Trinculo und Stephano natürlich lustig und Mavie Hörbiger scheint als fragiler Luftgeist das Geschick in Händen zu halten. Florian Teichtmeister spielt den bösen Caliban.
Fast zweieinhalb Stunden nettes Musikhören in sehr unterschiedlicher Gesangsqualität und dazu ein halbgares Theater. Schade um die vielen vergebenen Chancen, die gerade dieses Drama bieten würde.
„Vorlesen für den Frieden“ – am 24. März ist der Österreichische Vorlesetag
Ganz im Zeichen des Friedens findet am 24. März der Österreichische Vorlesetag statt. Er ist auch der erste mit internationalem Zugang: Ein Teil davon ist die Kick-off-Veranstaltung, der European BookDay. Foto: Stefan Joham
Beim European BookDay werden Autor:innen aus mehreren Ländern im Wiener Rathaus ihre Geschichten vorlesen. Zusätzlich ruft der Verein „Auslandsösterreicher Weltbund“ tausende Österreicher:innen, die im Ausland leben, zum Mitmachen auf. Der Österreichische Vorlesetag umfasst bundesweit zahlreiche öffentliche Veranstaltungen und Online-Vorlesungen mit Prominenten, die viertelstündlich auf der Website www.vorlesetag.eu freigeschaltet werden.
Das Motto des Österreichischen Vorlesetages am 24. März wird heuer entsprechend der derzeitigen Weltlage erweitert: „Vorlesen für den Frieden“ soll überall stattfinden. An einer Straßenecke, im Park, im Wirtshaus, zu Hause. Egal wie wir vorlesen, ob privat, öffentlich, digital oder hybrid. Wir bündeln unsere geistigen Kräfte für ein stabiles Weltgefüge.
„Lesen bildet. Vorlesen verbindet. Gemeinsam sind wir stärker.“ – Dafür braucht es Menschen, die Vorbild sein wollen, sich ein Herz und die Zeit nehmen, und für ihre Mitmenschen aus einem Buch vorlesen. Zeit, Bücher hör- und verstehbar zu machen, um daraus neue Geschichten entstehen zu lassen. Geschichten für den Frieden.
Auf der Website www.vorlesetag.eu gibt es heuer einen eigenen Button, unter dem man „Friedensgeschichten“ downloaden kann. Es sind Geschichten und Gedichte, die sowohl Kinder, junge Erwachsene als auch Erwachsene ansprechen können.
PROGRAMM:
Der Österreichische Vorlesetag beginnt um 9:00 Uhr mit dem EUROPEAN BOOK DAY im Wiener Rathaus. Vier internationale Autor:innen werden ihre persönlichen Geschichten vorlesen:
aus Schweden: JONA ELINGS KNUTSSON
aus Rumänien: ION ANDREI PUICAN
aus Deutschland: ANDREA PENKUES
aus Österreich: CHRISTOPH MAUZ
Prominente Vorleser in Österreich:
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, WKO-Präsident Harald Mahrer, Burgschauspieler Peter Simonischek, Sängerin Elisabeth Engstler, Kabarettist Thomas Maurer, Vorturner„der Nation“ Philipp Jelinek, Moderatorin Vera Russwurm, Moderator Dominik Heinzl, Talkerin Barbara Karlich, Dompfarrer Toni Faber, Schauspielerin Lilian Klebow, Style-Expertin Martina Reuter, Sängerin Missy May, Schauspieler Christian Dolezal, Autor Bernhard Aichner, Moderatorin Eser Akbaba
Helmut Schneiders Theaterbesuch: „Karoline und Kasimir – Noli me tangere“ im Volkstheater. Foto: Marcel Urlaub
Das US-Duo Nature Theater of Oklahoma (Kelly Copper und Pavol Liška) hat sich mit seinen anarchistischen Theaterinterpretationen einen gewissen Ruf erspielt. Dass man die Zuschauer mit einem bekannten Horváth-Stück ins Theater locken wollte, bekennen die beiden Performance-Künstler gleich zu Beginn im lockeren, auf Englisch geführten Dialog. Was soll Theater heute überhaupt noch, wird gestenreich gefragt und dabei gleich eingeräumt: „It could be a big failure – and probably will be. But big!“ Bei soviel Charme verzeiht man den Herren gerne, zumal sie ein sehr einfaches, leicht verständliches Englisch sprechen. Immerhin: Eine Szene aus Horváths Stück bekommen wir ja doch noch zu sehen, wenngleich die Darsteller (hervorragend: Frank Genser, Lavinia Nowak, Julia Franz Richter, Samouil Stoyanov und Jürgen M. Weisert) stumm bleiben und das Drama samt Regieanweisungen nur vorgelesen wird. Das ist zunächst witzig und erfrischend.
Der Hauptteil des mit Pause dreistündigen Abends gilt dann freilich dem Dichter Ödön von Horváth selbst. In verschiedenen Szenen und mit verschiedenen theatralischen Mitteln werden die letzten Stunden des Autors vor seinem Tod in Paris nachgespielt. Horváth wird von Todesahnungen gequält, eine Wahrsagerin hat ihm in Paris etwas Gewaltiges prophezeit, er hofft auf einen Geistesblitz für seinen geplanten Roman „Adieu, Europa“, geht spazieren und muss dringend aufs Klo. Um sich zu erleichtern, sucht er schließlich ein Kino auf, wo gerade Walt Disneys „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ gespielt wird. Das gibt dem Ensemble die Gelegenheit, das Märchen voll ironisierend auf blinkenden Rollschuhen fahrend sehr frei zu realisieren.
Später sind wir in einem Straßencafé, wo der Autor den Regisseur Robert Siodmak trifft, um mit ihm über die Verfilmung seines Romans „Jugend ohne Gott“ zu sprechen. In Wirklichkeit quatsch aber fast ununterbrochen seine Assistentin, eine geborene Österreicherin, die eine Rede auf die Verkommenheit der Wiener und deren Besessenheit von ihrer Verdauung hält.
Bis Horváth dann am 1. Juni 1938 bei einem Gewitter auf den Champs-élysées von einem Ast erschlagen wird, ergeben sich noch zahlreiche Möglichkeiten für Tanzeinlagen und Gags. Dem Publikum scheint dieser literatur- und theaterkritische Abend – trotz einiger Leerläufe und Längen – durchaus gefallen zu haben, denn der Premierenapplaus war stürmisch.