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Der Wiener Opern- und Theaterregisseur, Autor und Filmemacher Markus Kupferblum lädt schon seit Jahren unter dem Titel „Wild But Heart“ interessante Menschen aus der Kulturszene sonntags um 11 Uhr zu einem Frühstücksgespräch ins „Porgy&Bess“.

Frühstück mit Robert Schindel

Bild: ©Amrei-Marie (CC BY-SA 4.0 DEED)

Der Wiener Opern- und Theaterregisseur, Autor und Filmemacher Markus Kupferblum lädt schon seit Jahren unter dem Titel „Wild But Heart“ interessante Menschen aus der Kulturszene sonntags um 11 Uhr zu einem Frühstücksgespräch ins „Porgy&Bess“.

Am Sonntag, 29.10. wird der Schriftsteller Robert Schindel sein Gast sein.

Der 1944 als Sohn jüdischer Eltern, die sich als elsässische Fremdarbeiter getarnt hatten, geborene Robert Schindel ist einer der bedeutendsten, lebenden Schriftsteller Österreichs. Er ist Lyriker und Romancier. Seine Romane sind durch ihre feine Sprache und die scharfe Beobachtung Seismografen der Gesellschaft, die sie beschreiben. Seine epochalen Werke „Gebürtig“ und „Der Kalte“ zeichnen durch ihre lyrische Kraft ihre Zeit nach, wie kaum ein anderes Werk. Robert Schindel gründete das Studium der Sprachkunst an der „Universität für Angewandte Kunst“ in Wien. Markus Kupferblum wird mit ihm über Lyrik, Literatur, Österreich, die Gegenwart und wohl auch über Israel sprechen.


29 Oktober 2023, 11.00 Uhr
Porgy&Bess
Riemergasse 11, 1010 Wien
LIVESTREAM

Karten gewinnen für die Gala für Bernhard Schlinks DER VORLESER im Rathaus

Bild: ©Peter Rigaud

Eine STADT. Ein BUCH. ist die weltweit größte Gratisbuchaktion und ein jährlicher Fixpunkt für alle Literaturinteressierten in Wien. Bereits zum 22. Mal wird heuer ein Buch vom Team des echo medienhauses ausgewählt und 100.000 x gratis in Wien verteilt. 2023 kommt wieder ein Superstar der Literaturwelt nach Wien, nämlich der deutsche Autor Bernhard Schlink mit seinem internationalen Bestseller DER VORLESER. Auf www.einestadteinbuch gibt es ein Gewinnspiel, bei dem – nach Beantwortung einer Frage – Karten für den Abend gewonnen werden können.

Traditionell wird der Autor/die Autorin des ausgewählten Buches mit einer Gala im Festsaal des Wiener Rathauses geehrt. Die Schauspielerin und Regisseurin Chris Pichler wird bei dieser Einladung des Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und des echo medienhauses am Abend des 7. Novembers Bernhard Schlink als Moderatorin eine Bühne bereiten.

Die Eröffnung von Eine STADT. Ein BUCH. 2023 findet am 7. November 2023 um 11 Uhr in der Hauptbücherei Wien statt.

Tags darauf startet wienweit die Verteilaktion der Gratisbücher. Alle Ausgabestellen werden zeitgerecht auf www.einestadteinbuch.at zu finden sein.

Und am 8. November, 18.30 Uhr, gibt es in der Urania die einzige Möglichkeit, Bernhard Schlink live zu erleben – bei der öffentlichen Podiumsdiskussion mit ihm über seinen VORLESER.  Jeder Gast bekommt ein Aktionsbuch.

Schlink war Professor für Recht an verschiedenen deutschen Universitäten und später auch Verfassungsrichter. 1990 beriet er an der Humboldt-Universität in Berlin eine Arbeitsgruppe für eine neue Verfassung der DDR.

Schon 1987 begann er, sehr anspruchsvolle Kriminalromane zu schreiben, die große Beachtung fanden. Mit seinem Nicht-Kriminalroman „Der Vorleser“ gelang ihm 1995 dann ein Megaerfolg. Allein in den USA wurden mehr als 1 Mio. Taschenbücher verkauft.

DER VORLESER 

In dem in den späten 50er-Jahren spielenden Roman geht es um die erste Liebe eines Schülers zu einer 36jährigen Frau, die sich später als Analphabetin herausstellt. Ihr Lesedefizit hat gravierende Auswirkung auf ihr Leben. Sie machte sich schuldig an einem Nazi-Verbrechen – als sie als Aufseherin Gefangene in einer Kirche verbrennen ließ. Den Job hatte sie nur angenommen, um ihre „Schande“ – nicht lesen zu können –, zu verschleiern. Selbst im späteren Prozess nimmt sie lieber die Schuld auf sich, als ihr Lesedefizit zu bekennen.

„Der Vorleser“ war eines der wenigen deutschsprachigen Bücher, die auch im englischsprachigen Raum zum Bestseller wurden. Der Roman ist Schullektüre in Deutschland und wurde 2007 von Stephen Daldry fürs Kino adaptiert. In der Rolle der Analphabetin gewann die Schauspielerin Kate Winslet den Oscar als beste Hauptdarstellerin.

„Der Vorleser“ ist für „Eine STADT. Ein BUCH.“ ein Glücksfall, geht es darin doch um die Bedeutung des Lesens als wichtigste Kulturtechnik. Wir wollen im Rahmen der Aktion auch auf die leider noch immer hohen Lesedefizite innerhalb der österreichischen Bevölkerung sowie die bestehenden Hilfsangebote für Betroffene hinweisen.  

Ein Projekt wie „Eine STADT. Ein BUCH.“ wäre ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich. Mehr als 15 zahlende Sponsoren finanzieren diese Buchaktion – allen voran und von Beginn an, also seit 22 Jahren, Wien Energie und die Wiener Städtische Versicherung. Der Dank gilt aber selbstverständlich allen Förderern!

Spiel mit realem Personal – Christoph Peters Republikroman „Krähen im Park“.

Spiel mit realem Personal – Buchtipp von Helmut Schneider

Gleich nach der Wahl 2021 wird der über 2G nachdenkende Corona-Gesundheitsexperte Professor Bernburger als neuer Minister gehandelt, während sein Sohn ganz andere Theorien über den Lauf der Welt anhängt und ein paar Freunde in die schwerbewachte Wohnung des Vaters einlädt. Und die literarische Szene Berlins erwartet mit Spannung den Auftritt des französischen Starautors Bernard Entremont, der sich mit seinen Ausfällen gegenüber anderen – namentlich muslimischen – Kulturen einen Namen gemacht hat.

Christoph Peters, Autor bereits zahlreicher Romane und Erzählungen, setzt den zweiten Teil seines Deutschlandromanprojekts „Trilogie des Scheiterns“ in die heikle Nach-Corona- und Neue-Regierungs-Zeit in Berlin an. Sein Personal hat – wie unschwer zu erkennen ist – reale Vorbilder. Konkret den kettenrauchenden, trinkenden Michel Houellebecq und den pastoral gestimmten deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Es macht natürlich Spaß, den französischen Skandalautor durch das Luxushotel wanken zu sehen oder wie der Gesundheitsminister in spe gegenüber Jugendlichen ausfällig wird. Doch Peters bringt auch noch andere, weniger lustige Figuren ein. Etwa einen Flüchtling, der gelinkt und in Selbstverteidigung zum Mörder wird, eine Mutter, die ihre Tochter nur als Belastung empfindet – zumal diese gerade einen Türken heiraten will. Vorurteile feiern fröhliche Urstände. Der Imam wartet schon auf das heiratswillige Paar. Und selbstverständlich darf auch ein Schriftsteller mit Schreibhemmung nicht fehlen, ebenso wie Gesellschaftsdamen, Escort-Girls und Halbstarke. Peters hat durchaus den Ehrgeiz, ein Panoptikum der heutigen Berliner Szene zu schaffen. Dass sich der Roman so gut liest, liegt an der Kunst des Autors mit wenigen Sätzen Stimmungen zu erzeugen und Personen zu charakterisieren.

Christoph Peters: Krähen im Park
Luchterhand
320 Seiten
€ 25,50

Bei der 19. Kriminacht in den Kaffeehäusern lauschten wieder Tausende Wienerinnen und Wiener den neuesten Thrillern heimischer Autorinnen und Autoren bei Mocca und Melange.

Kriminacht in den Kaffeehäusern – Leo-Perutz-Preis an Kurt Palm

Bild: ©Bubu Dujmic

Bei der 19. Kriminacht in den Kaffeehäusern lauschten wieder tausende Wienerinnen und Wiener den neuesten Thrillern heimischer Autorinnen und Autoren bei Mocca und Melange. Alle Publikumslieblinge wie Eva Rossmann, Stefan Slupetzky, Edith Kneifl, Herbert Dutzler, Christian Klinger, Beate Maly, Manfred Rebhandl, Maria Publig, Constanze Scheib, Sabina Naber oder Beate Maxian waren wieder dabei und lasen vor ihrem begeisterten Publikum. Insgesamt hatten 38 Autorinnen und Autoren ihren Auftritt in mehr als 30 Cafés.

Bei der Auftaktveranstaltung im Hotel Imperial wurde der von der Stadt Wien und dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels organisierte Leo-Perutz-Preis vergeben. Der Gewinner heuer ist ein umtriebiger Wiener Künstler und Literat, nämlich Kurt Palm, den man auch als Filmschaffenden und Regisseur kennt. Er erfand etwa Hermes Phettbergs Nette-Leit-Show und sein Krimi „Bad Fucking“ wurde auch erfolgreich verfilmt. Sein neuer Roman „Der Hai im System“ überzeugte die Jury. Vorjahrespreisträger Ulli Brée (Du wirst mich töten“) hielt die gelungene Laudatio. Palm las im Café Korb.

Die Kriminacht dankt ihren Unterstützern Stadt Wien, Wirtschaftskammer Wien – Kaffesieder und Taxi 40100.

kriminacht.at

Roman über die sterbende Provinz – Gabriele Kögls „Brief vom Vater“

Roman über die sterbende Provinz – Gabriele Kögls „Brief vom Vater“

Meist sind Menschen erstaunt, wenn sie erfahren, dass die Suizidrate am Land viel höher ist als in Wien. Die geborene Steirerin Gabriele Kögl hat einen Roman geschrieben, in dem eine einfache Frau, die als Friseurin in einer Kleinstadt lebt, gleich zwei Selbstmorde zu verkraften hat, wie schon auf den ersten Seiten klar wird. Rosa hat keine großen Ansprüche, aber ein bisschen Luft und Freiraum für sich – etwa mit Freundinnen einen Kaffee zu trinken – braucht sie schon. Und so wird ihr die früh eingegangene Ehe mit dem Tischler Sigi bald unendlich langweilig. Sigi hat sie als Schützenkönig auf allen Volksfesten zuerst begeistert, doch bald muss sie erfahren, dass er sonst nichts im Leben anstrebt, als rauchend vor dem Fernseher zu sitzen. Als sich der Drogeriebetreiber Klaus für die hübsche Rosa interessiert, lässt sie Sigi zurück im schlecht isolierten Haus, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. Und den inzwischen geborenen Sohn Severin kann sie mitnehmen in die neue Ehe. Damit steigt sie in die bessere Klasse auf – Klaus verkehrt mit dem Juristen und den Ärzten des Städtchens. Aber natürlich gibt es auch Schattenseiten. Auch Klaus hat Besitzansprüche, die größer sind als seine prachtvolle Wohnung. Und bald zieht die neue Zeit in das Städtchen und schafft Probleme für die Geschäfte im Ort. Ein Einkaufszentrum zieht die Bewohner magisch an – mehr Auswahl, billigere Preise. Und so ist Klaus bald pleite. Schlimmer noch – er wird krank und stirbt.

Doch auch Sigi hat in der neuen Ehe in Tirol nicht das große Glück gefunden. Als seine zweite Frau ihren Liebhaber nicht aufgeben will, bringt er sich in seinem neuen Mercedes um – Autos waren für ihn immer wichtig gewesen. Der Sohn Severin hatte immer zu seinem Vater gehalten, zumal er von den Kindern von Klaus immer nur drangsaliert wurde. Er findet keinen Platz im Leben und bringt sich ebenfalls um – Rosa bleibt allein zurück.

Gabriele Kögl ist ein ebenso stiller wie brisanter Roman über die sterbende Provinz gelungen – die Beweggründe ihrer Figuren sind nachvollziehbar. Natürlich ist das auf den ersten Blick düster, aber mit Rosa schildert sie eine Frau mit erstaunlicher Resilienz. Die Frauen im Buch scheinen mit den neuen Gegebenheiten, die sich nicht so leicht ändern lassen, besser zurechtzukommen.

Gabriele Kögl: Brief vom Vater
Elster & Salis
208 Seiten
€ 25,50

Bei der Kriminacht immer eine beliebte Location: Das Café Frauenhuber.

Am nächsten Dienstag ist wieder die Kriminacht in den Wiener Kaffeehäusern

Bild: ©Ludwig Schedl

Wer mit dem Gruseln nicht bis Halloween warten möchte, kommt heuer bereits am 10. Oktober auf seine Kosten: Denn da findet die 19. KRIMINACHT in Wien statt. In mehr als 30 Kaffeehäusern und Eventlocations lesen bei freiem Eintritt heimische Krimistars aus ihren Neuerscheinungen vor.

Die Kriminacht in den Kaffeehäusern gehört schon zum Herbst wie Allerheiligen und Allerseelen. Die spannungsgeladenen Lesungen fanden selbst in den Pandemiejahren ein begeistertes Publikum.

Am Abend des 10.10. geht’s los: da beginnt die wohl spannendste Nacht des Jahres!

Eingeleitet wird die Kriminacht allerdings schon am Nachmittag mit einem Warm-up für alle Autorinnen und Autoren und der Verleihung des LEO-PERUTZ-Preises, der jedes Jahr vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels und der Stadt Wien an die/den besten Krimi-Autor:in des Jahres verliehen wird.

5 Krimi-Autor:innen sind nominiert und werden bei der Kriminacht lesen:

Markus Deisenberger – Winter in Wien (Edition Laurin)
Peter Lorath – Fluch der Venus – Wiener Abgründe (Piper Verlag)
Beate Maly – Aurelia und die letzte Fahrt (DuMont Buchverlag)
Günther Mayr – Herr Kuranaga (Carl Ueberreuter Verlag)
Kurt Palm – Der Hai im System (Leykam Verlag)

Max Gruber, Drehbuchschreiber, Regisseur und Autor wird sein Programm mit „Mörderballaden“, das schon im Vorjahr am Zentralfriedhof für Furore sorgte, adaptieren und erweitern.

Eva Rossmann hilft ja immer wenn sie Zeit hat in Buchingers Restaurant aus. Ihr neuer Thriller „Fine Dying“ spielt in einem Gourmettempel, wo plötzlich ein syrischer Hilfskoch ermordet wird  – und Mira Valensky wieder ermitteln muss.

Und Krimiqueen Edith Kneifl legt ihren neuen Istrien-Thriller „Klippensturz“ vor, in dem ihre Protagonistin Laura Mars ein Haus erbt. Als sie es in Besitz nehmen will, der Notar ermordet und das Testament verschwunden ist.

Treue Gäste der Kriminacht sind auch heuer wieder:
Stefan Slupetzky, Herbert Dutzler, Christian Klinger, Beate Maly, Manfred Rebhandl, Maria Publig, Constanze Scheib, Sabina Naber und Leo Lukas.

Die Kriminacht findet statt dank der Unterstützung der Stadt Wien und der Wirtschaftskammer Wien, Fachgruppe Kaffeehäuser.

www.kriminacht.at

Das zweite Leben des Erik Montelius – Daniel Wissers Schelmenroman „012“

Das zweite Leben des Erik Montelius – Daniel Wissers Schelmenroman „012“

Wenn jemand 30 Jahre nach seinem frühen Tod wiederkommt, um sein früheres Leben wieder aufzunehmen, ergibt das natürlich Komplikationen. Welche, das hat der in Wien lebende Autor Daniel Wisser in seinem neuen Roman erforscht. Sein Protagonist und Erzähler Erik Montelius lässt sich – weil sein Krebs nicht heilbar ist – nach durchaus erfolgreicher Karriere als Computerpionier einfrieren. In der Gegenwart wird er operiert und wacht auf – als erster Mensch, der die kryotechnische Konservierung sozusagen überlebt. Im ersten Teil denkt er, im Krankenhaus liegend, viel über sein voriges Leben nach. Trost und Rat holt er sich von Beatles-Songs, denn „Abbey Road“ war im ersten Leben quasi seine Bibel. Turbulent wird es erst, als er zu seiner früheren Frau Kris heimkehrt, denn diese hat inzwischen seinen Kompagnon und Freund geheiratet. Sein Sohn ist natürlich längst erwachsen. Montelius erlebt die Seltsamkeiten unserer Zeit mit der Brille der 90er-Jahre: Autos sind groß wie Panzer und fahren noch immer mit Benzin, Plastik ist sowieso überall und unvermeidlich. Erst zögerlich bedient er sich Neuerungen wie Smartphones. Nicht ganz unbegründet nimmt er an, dass sein ehemaliger Partner ihn beim Verkauf ihrer Firma betrogen hat. Als er einer Journalistin vom Lokalfernsehen ein Interview gibt, läuft die internationale Medienmaschinerie an – sogar CNN fragt an. Auch ein Verlag hat Interesse an seiner Biografie – was wir lesen ist sozusagen das launige Manuskript, das Montelius abgeben will.

Zum eigentlichen Problem wird allerdings, dass er offiziell gar nicht existiert, denn er hat ja nur seinen Totenschein. Und ausgerechnet mit der eigenwilligen Tochter seines Kompagnons beginnt er eine neue Beziehung – wissend, dass er mutmaßlich wegen seiner wiederkehrenden Krebserkrankung und dem schlechten Zustand seiner Organe nicht mehr lange leben wird. Montelius landet schließlich zuerst im Gefängnis und dann in einen Asylantenheim – als Existenz, die es gar nicht geben kann. Dazwischen brennen SUVs und Menschen sterben unter ungeklärten Ursachen.

Daniel Wisser ist ein sehr flüssig zu lesender Roman über unsere Zeit gelungen. Mit scharfer Beobachtungsgabe zeigt er die Verwerfungen unseres Daseins auf. Der phantastische Plot ist nur die Folie, um Spießertum und Gedankenlosigkeit sichtbarer zu machen.


Daniel Wisser: 012
Luchterhand Verlag
450 Seiten
€ 26,50

Bereits zum dritten Mal erinnerte eine jährliche Literaturveranstaltung des echo medienhauses an den Wiener Dichter Heimito von Doderer.

Das war der D-Day für Doderer im Justizpalast

Bild: ©Sabine Kehl-Baierle

Bereits zum dritten Mal erinnerte eine jährliche Literaturveranstaltung des echo medienhauses an den Wiener Dichter Heimito von Doderer.

Die Veranstaltung fand auf historischem Boden statt, nämlich dort, wo es vor bald 100 Jahren brannte – in einem Original-Verhandlungssaal im Justizpalast. Mehr als 50 Teilnehmer:innen ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, das der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugängliche beeindruckende Ambiente zu besuchen.

Der Justizpalastbrand im Mammutroman „Die Dämonen“

Heuer widmete sich der D-Day für Doderer der Darstellung des Justizpalastbrands am 15. Juli 1927 im großen Finale des 1400-Seiten-Romans „Die Dämonen“, nach der Chronik des Sektionsrates Geyrenhoff. Nach dessen Erscheinung war Doderer 1956 am Höhepunkt seines Ruhms, der SPIEGEL hob ihn aufs Cover, in Stockholm dachte man an die Verleihung des Literaturnobelpreises an ihn. Doderers 100-seitige Schilderung des Brandes ist einerseits sehr genau, andererseits erlaubt sich der Autor auch dichterische Freiheiten. Im Kontrast zu der Katastrophe lösen sich gleichzeitig die Probleme der einzelnen Menschen, sie finden zueinander, heiraten, bekommen die fast verpasste Erbschaft doch noch, versöhnen sich, und der Mörder kommt im Wiener Kanalsystem um.

Der Historiker Alfred Pfoser, ehemaliger Leiter der Büchereien Wien, analysierte gemeinsam mit echo Chefredakteurin Ursula Scheidl Zusammenhänge und historische Hintergründe sowie das umfangreiche Personal von Doderers Dämonen.

Der Brand begann als Unmutsäußerung gegen ein als skandalös empfundenes Urteil eines Geschworenengerichts zu den Ereignissen im burgenländischen Schattendorf und endete mit Polizeischüssen in die demonstrierende und den Justizpalast angreifende Menge. Es gab 84 Todesopfer unter den Demonstranten und fünf auf Seiten der Polizei, dazu hunderte Verletzte auf beiden Seiten. Es war ein „Ereignis von europäischer Dimension“ wie Alfred Pfoser erläuterte. Doderer, selbst sein Leben lang „ein Zerrissener“, wirft in seinem Wien-Epos einen verzweigten, tiefgehenden, aber auch humorvollen Blick auf das Personal, wovon sich das begeisterte Publikum auch live überzeugen konnte: Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Chris Pichler las gewohnt mitreißend ausgewählte Stellen aus dem Roman. Am Ende des Abends waren sich alle einig: Trotz oder gerade wegen der Widersprüchlichkeit Heimito von Doderers, es lohnt sich immer wieder, in sein Werk einzutauchen.

Danke an die Buchhandlung analog in der Otto-Bauer-Gasse, die einen gut bestückten Büchertisch betreute.

Der D-Day für Doderer bedankt sich bei der Stadt Wien Marketing und beim Justizpalast für die Unterstützung. Der nächste D-Day findet am 21. September 2024 statt.

Heimito von Doderers berühmtestes Werk, „Die Strudlhofstiege“, spielt genau genommen nur an einem Tag, nämlich am 21. September 1925, an dem Mary K ein Bein von der Straßenbahn abgefahren wird. Allerdings besteht das Werk aus unzähligen Rückblenden. Grund genug aber für das echo medienhaus, um jedes Jahr am 21. September Doderers umfangreiches Werk mit einer Veranstaltung zu feiern – ähnlich dem Bloomsday mit dem alljährlich James Joyce gedacht wird.

Constanze Scheib schreibt erfolgreich Krimis um eine unternehmungslustige „Gnä’ Frau“ samt Dienstmädchen in den 70er-Jahren in Wien. Zur Kriminacht am 10. Oktober erscheint ihr neuester Fall.

Constanze Scheib liest bei der Kriminacht 2023

Bild: ©Arman Rastegar

Constanze Scheib schreibt erfolgreich Krimis um eine unternehmungslustige „Gnä’ Frau“ samt Dienstmädchen in den 70er-Jahren in Wien. Zur Kriminacht am 10. Oktober erscheint ihr neuester Fall.

Constanze Scheib wollte schon immer schreiben – schließlich war auch ihre Mutter Schriftstellerin, doch nach der Matura zog es sie erstmals auf die Bühne. Nach einer Ausbildung als Schauspielerin spielte sie unter anderem im Gloria Theater und bei der Komödie am Kai. Doch spätestens nach der zweiten Geburt mit Zwillingen konnte sie ihre Zeit nicht mehr so einteilen, wie sie wollte. Und so kam sie wieder auf ihre erste Leidenschaft – das Schreiben – zurück. Sie schrieb zum Teil unter Pseudonym Grusel- und Horrorgeschichten und immer lieber auch phantastische Krimis. So ließ sie etwa ein von einem Dämon besessenes Meerschweinchen im Chicago der 1930er-Jahre Wienerisch reden.

Vor fünf Jahren erfand sie dann ein ganz besonderes Ermittlerduo, nämlich eine reiche Dame aus Hietzing – die „Gnä’ Frau“ Ehrenstein und ihr Dienstmädchen Marie und siedelte das im – noch etwas trüben – Wien der 1970er-Jahre an.

wienlive: Sie haben immer schon geschrieben?

Constanze Scheib: Ja, meine Mutter hat ja ihren Lebensunterhalt als Autorin verdient. Das Schreiben war also etwas Natürliches, fast Alltägliches für mich. Ich hab immer Kurzgeschichten geschrieben und als Schauspielerin sogar kurze Theaterstücke oder Monologe für mich selbst. Als die Zwillinge da waren, bin ich es dann ernsthafter angegangen, habe Texte bei Verlagen eingereicht und für Anthologien geschrieben.

Zuerst aber Horror und Science Fiction, oder?

Ja, ich mag diese Genres immer noch gerne, die haben etwas sehr Spezielles für mich. Horror, Fantasy, Science Fiction – das ist so eine Ecke, die ich auch jetzt so nebenbei gerne bediene. Aber der Krimi war immer schon meine Leidenschaft. Die erste Erinnerung an Bücher waren die rotschwarzen Agatha-Christie-Bände meiner Mutter – alle schön aufgereiht neben ihrem Bett. Sobald ich lesen konnte, hab ich die dann verschlungen. Mein erster Kontakt zur Buchwelt waren also Krimis.

Was reizt Sie an diesem Genre?

Ein ganzes Paket – das Erste ist natürlich das Rätsellösen, ein Puzzle zusammenzusetzen. Das macht mir ungemein Spaß. Als Autorin besteht die Herausforderung, dieses Puzzle als Ganzes zu haben und dann in kleine Teile zu zerteilen und immer genug zu verraten, dass der Leser sich nicht langweilt – aber eben auch nicht zu viel zu verraten, denn man soll ja rätseln.

Sie haben die gesamte Geschichte schon im Kopf, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen?

Ja, meistens ist es bei mir so, dass ich mich schon länger darauf vorbereitet habe. Ich überlege mir: wo soll es spielen, worum soll es gehen, welche Figuren hätte ich gerne dabei, die auch mir beim Schreiben Spaß machen – und schließlich, welche Art von Verbrechen es sein soll.

Mit der „Gnä’ Frau“ ist Ihnen eine besondere Figur gelungen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine reiche Hietzingerin samt Dienstmädchen ermitteln zu lassen?

Da ist vieles zusammengekommen. Ich wollte etwas schreiben, das mir besonders Spaß macht. Und das sind einmal die Wiener als sehr spezielle Art Mensch mit ihrem Schmäh, Grant und ihren Ausdrücken – und die Art, wie sie sich verhalten. Dann wollte ich noch Musik, Filme und Whiskey reinverpacken. Und schließlich finde ich die 70er-Jahre als spannendes Jahrzehnt – weil sie auf der einen Seite sehr modern waren mit den Hippies und der Musik, und auf der anderen Seite gab es noch sehr viele traditionsbewusste, ältere Menschen, die von ihren Einstellungen her noch am Anfang des 20. Jahrhunderts verblieben sind. Dieses Aufeinanderprallen in den 70er-Jahren fand ich total spannend.

Sie sind 1979 geboren, haben die 70er-Jahre ja gar nicht erlebt, wie haben Sie sich da herangetastet?

Am liebsten recherchiere ich, indem ich mit Menschen rede, die das damals erlebt haben. Da bekomme ich immer auch viele Geschichten. Aber natürlich habe ich auch Bücher darüber gelesen und Videos angeschaut. Es gibt ein paar Dokus über einzelne Stadtteile. Was ich auch liebe: Ich kaufe Originalmagazine aus dieser Zeit, für die „Gnä’ Frau“ nehme ich da etwa alle Frauenzeitschriften – da erfahre ich, welche Stars und Musiker damals gefragt waren. Gerade weil ich es nicht erlebt habe, kann ich das alles neu entdecken.

Ich nehme auch nicht an, dass Sie mit Dienstmädchen aufgewachsen sind, oder?

Nein, das war vielleicht ein bisschen eine Wunschvorstellung – es wäre ja schön in einer riesigen Villa in Hietzing zu leben mit Personal, das sich um mich kümmert. Andererseits ist das auch meiner Liebe zu den britischen Krimis geschuldet. Dort war ganz selbstverständlich immer ein Butler oder ein Hausmädchen dabei.

Wie wichtig war Ihnen, dass Frauen ermitteln?

Das war definitiv etwas, über das ich gerne schreiben wollte. Außerdem wollte ich eine Frauenfreundschaft zeigen, die ganz speziell ist. Eine Freundschaft, die man nicht erwarten würde – denn es ist ja die Dienstherrin und das Dienstmädchen –, aber sie sind nicht so weit vom Alter her entfernt, die „Gnä’ Frau“ ist 32 und das Mädchen 22. Sie begegnen einander mit Respekt und unterstützen sich gegenseitig. Das war mir sehr wichtig, eine weibliche Ermittlerin, die dazulernt, und eine Freundin, die sie dabei unterstützt.

Humor kommt auch nicht zu kurz in dieser Reihe …

Ja, dieser Wiener Schmäh und die ungewöhnlichen Satzstellungen des Wienerischen. Ich habe ja einen Schweizer Verlag und eine deutsche Lektorin. Die Lektorin hat da öfters nachgefragt, ob denn das wirklich so sein soll … Und ich habe erklärt: Ja, das ist die Art, wie die Wiener reden. Beim ersten Buch hatten wir noch kein Glossar und da kam die Reaktion einiger Leser, dass sie es zwar verstanden haben, aber manche Wörter gerne erklärt hätten. Und so erscheinen die „Gnä’ Frau“-Krimis immer mit Glossar.

Sie waren schon mehrmals bei der Kriminacht. Was ist das Besondere für Sie?

Das ist so toll, ich war ja schon vorher sehr oft als Besucherin bei der Kriminacht. Als ich dann mit meiner ersten „Gnä’ Frau“ lesen durfte, ist da wirklich ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Meine zwei Lesungen bisher waren ein Erlebnis, denn im Kaffeehaus die „Gnä’ Frau“ zu lesen, mit den vielen Wienerischen Ausdrücken, war etwas ganz Besonderes. Die Zuschauer leben da richtig mit, denn die Stimmung ist einfach gelöster als anderswo – die Gäste trinken ihre Melange oder ihren Prosecco, das ergibt eine ganz spezielle Atmosphäre.

Constanze Scheib wird ihren neuen Krimi (siehe oben) bei der Kriminacht am 10. Oktober erstmals präsentieren. Und zwar in der Hauptbücherei Wien am Gürtel. „Mord im Dreivierteltakt“ beginnt mit dem Besuch der Gnä’ Frau und ihres Mannes am noblen Philharmonikerball 1973 und spielt in der Theaterwelt, wo eine Diva erpresst wird.

Alle Infos zur Kriminacht in den Kaffeehäusern: kriminacht.at

Weil Hitler Mussolini brauchte, verriet er die deutschsprachigen Südtiroler – obschon er überall sonst in Europa Deutschsprachige „heim ins Reich“ holte. In Italien sollte fortan nur noch italienisch gesprochen werden, wer wollte, konnte das Angebot der Nazis annehmen und sich im deutschen Reich ansiedeln.

Mit den Augen eines Kindes – Sepp Malls Geschichte einer südtiroler Familie „Ein Hund kam in die Küche“

Weil Hitler Mussolini brauchte, verriet er die deutschsprachigen Südtiroler – obschon er überall sonst in Europa Deutschsprachige „heim ins Reich“ holte. In Italien sollte fortan nur noch italienisch gesprochen werden, wer wollte, konnte das Angebot der Nazis annehmen und sich im deutschen Reich ansiedeln.

In Sepp Malls Roman „Ein Hund kam in die Küche“ verlässt eine südtiroler Familie ihren Heimatort und wird zunächst in Oberösterreich angesiedelt. Vater muss sowieso bald einrücken, aber es gibt noch ein weiteres Problem. Der jüngere Sohn Hanno ist aufgrund Komplikationen bei der Geburt behindert, er kann nur schwer gehen und sprechen. Unter dem Vorwand, ihn besser fördern zu können, muss er beim Eintritt ins Reich in ein Heim bei Innsbruck zurückgelassen werden. Beim Lesen wird schnell klar, dass es sich um ein Euthanasie-Heim handelt. Mall erzählt die tragische Geschichte aus der Sicht des zuerst 11jährigen zweiten Sohns, der zu seinem Bruder eine besondere Liebe entwickelt hat. Und er schafft immer wieder Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen: Ein verendeter Hirsch im Wald wird zur Metapher des Leides.

Der jugendliche Ich-Erzähler findet überall, wo die Familie in ihrer Odyssee landet, einen Freund, eine Freundin. Und immer wieder besucht ihn auch sein inzwischen als an einer „Lungenentzündung“ verstorben gemeldeter Bruder Hanno. Sozusagen als Geist. Wer da nicht gerührt ist, hat kein Herz, gerade weil der Autor eben nicht klischeehaft oder auf Gefühle hinzielend schreibt. Dadurch entwickelt der Text eine ungeheure Wucht, der man sich kaum entziehen kann.

Nach Ende des Krieges kehren die Mutter und der jetzt 14jährige Erzähler wieder nach Südtirol zurück – sie passieren illegal die Grenze. Natürlich ist dort alles anders und als der Vater gebrochen aus dem Krieg kommt und zu trinken beginnt, ist es schwer, sich für die Familie eine bessere Zukunft vorzustellen. Der Roman ist zurecht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.


In „Ein Hund kam in die Küche“ verlässt eine südtiroler Familie ihre Heimat während der Zeit von Mussolini um sich in Österreich anzusiedeln.

Sepp Mall: Ein Hund kam in die Küche
Leykam
192 Seiten
€ 25,50