Bild: ©Arman Rastegar
Markus Feigl ist Chef des Büchereiverbandes Österreich BVÖ, der 1.358 Büchereien in ganz Österreich betreut, und Vorsitzender der „Stiftung Lesen Österreich“. Beide Institutionen unterstützen den Vorlesetag am 23. März. Feigl im Interview über die Wichtigkeit des Lesens und über seine Liebe zu Büchern.
Von Caroline Autherry
Lange Tische mit Stapeln von Büchern – liebevoll nimmt Markus Feigl ein Exemplar in die Hand, blättert darin, legt es zurück, geht weiter, zieht ein anderes Buch hervor … Hier, im Hauptquartier des Büchereiverbandes Österreich BVÖ in Wien, warten Hunderte Werke österreichischer Verlage auf die Auslieferung an Büchereien in ganz Österreich. – Ein Dankeschön des Büchereiverbandes für Büchereien, die an Programmen und Initiativen teilnehmen. Mag. Markus Feigl ist Geschäftsführer des BVÖ – Bücher sind sein Leben. Mit 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt er Gemeinden und Pfarren in ganz Österreich bei der Erhaltung und der Führung der Büchereien. 88 öffentliche Bibliotheken gibt es in Wien, österreichweit sind es 1.358, elf Millionen Medien warten in den Büchereien auf potenzielle Leserinnen und Leser.
Nachvollziehbar, dass der „Büchereiverband Österreich“ Partner des Vorlesetages am 23. März ist. Markus Feigl, überdies Vorsitzender der „Stiftung Lesen Österreich“ weiß:
„Vorlesen ist extrem wichtig, weil es einen positiven Bezug zu Büchern schafft und die Welt des Lesens eröffnet.“
wienlive: Welches Buch lesen Sie derzeit?
Markus Feigl: „Der Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman. Ein sehr amüsanter und intelligenter Krimi in bester britischer Tradition.
Warum ist Lesen so wichtig?
Abseits von den pragmatischen Gründen des Lesens, wie den Alltag zu bewältigen, am Berufsleben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, bereichert uns das literarische Lesen. Das Wissen wird erweitert, Empathiefähigkeit gebildet oder ausgebaut, die Persönlichkeit entwickelt sich im Idealfall zum Besseren.
Sie sind umgeben von Büchern. Was leistet der „Büchereiverband Österreich“ BVÖ fürs Lesen?
Gegründet wurde der Verband bereits nach dem Zweiten Weltkrieg zur Unterstützung der Gemeinden und der Pfarren bei der Erhaltung und Führung der Gemeinde- bzw. Pfarrbüchereien. Das machen wir – neben zahlreichen anderen Tätigkeiten – bis heute. Der BVÖ unterstützt u. a. österreichweit Bibliotheken durch Maßnahmen wie die Abwicklung der bundesseitigen Förderung des Medienankaufs, Projekte zur Leseförderung und die Förderung von Veranstaltungen in den Bibliotheken.
Worin liegen die Aufgaben der Büchereien?
Im Vordergrund steht heute, dass man in den Büchereien kreativ sein kann, seine Phantasie ausleben darf, und natürlich kann man sich in der Bibliothek Wissen aneignen. Wichtig ist, dass hier nichts konsumiert werden muss. In der Bibliothek kann man etwa Aufgaben machen, weil zu Hause kein Platz ist. Aber in Büchereien soll es nicht nur ums Lernen gehen, sie sollen kein verlängerter Arm der Schule sein, sondern hier kann man auch Spaß haben und etwas Schönes erleben.
Sie sprechen von Kindern und Jugendlichen. Stellen diese den Großteil der Besucherinnen und Besucher?
Nein, aber der Fokus hat sich auf Kinder und Jugendliche verlagert. Wir wollen, dass sie ganz selbstverständlich Büchereien besuchen, dass sie keine Schwellenangst haben und dass sie wissen, dass es sich lohnt hinzugehen. Um das zu erreichen gibt es beispielsweise in Wien eine Empfehlung der Bildungsdirektion, dass jede Wiener Volksschulklasse zumindest einmal pro Jahr die nächstgelegene öffentliche Bücherei besuchen sollte. Durch diese Maßnahme wird bei Kindern das Interesse an Büchereien und am Lesen geweckt. In den Büchereien finden Veranstaltungen statt, etwa Autorenlesungen, und die Kinder haben Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen. Das kommt sehr gut an.
Die Wiener Büchereien verzeichnen pro Jahr rund 1,6 Mio. Besucherinnen und Besucher und 4,9 Mio. Entlehnungen, österreichweit sind es mehr als 7 Mio. Besuchende und 21 Mio. Entlehnungen. Das analoge Buch ist demnach noch immer sehr gefragt?
Das analoge Buch bleibt das erste Medium zum Lesen. Die elektronischen Bücher konnten die gedruckten Bücher nicht kannibalisieren, die digitalen Bücher haben nie mehr als fünf Prozent erreicht.
Am 23. März ist Vorlesetag, der BVÖ ist Partner. Warum ist Vorlesen so wichtig?
Vorlesen eröffnet den Zugang zum Lesen, die Geschichten regen die Phantasie an. Wenn etwa die Eltern vorlesen, verbinden die Kinder etwas überaus Positives mit dem Vorlesen und generell mit Büchern, denn vorgelesen wird in einer angenehmen, schönen Atmosphäre. Und das nehmen die Kleinen mit ins Leben. Deshalb ist der BVÖ Partner des Vorlesetages, wir bewerben ihn in unseren Büchereien in ganz Österreich.
Am Vorlesetag können und sollen Menschen jedes Alters jeder Altersgruppe vorlesen, deshalb kann jede und jeder eine Vorlesung anmelden, ob im privaten Bereich oder im öffentlichen, etwa in einem Altersheim oder in einem Kindergarten. Alles ist möglich.
Wem lesen Sie am Vorlesetag vor?
Meinem kleinen Sohn und seinen Schulfreunden aus dem Buch „Die Kuh, die vom Himmel fiel“ aus der Reihe „Geschichten aus Bad Dreckskaff“ von Philip Ardagh. Sehr lustige und sehr schräge Kindergeschichten.
Welche Bücher haben Ihr Leben bestimmt?
Als Kind haben die Karl-May-Bücher für mich eine große Rolle gespielt. Da habe ich auch die Aus-dauer entwickelt, dicke Bücher zu lesen. Später, mit etwa 17 Jahren, habe ich dann die Welt des französischen Romanciers Raymond Queneau für mich entdeckt. Den größten Einfluss auf meine Lesevorlieben und durchaus auch auf meine Weltsicht hatte aber das von Humanismus und auch von Humor und Melancholie geprägte Werk des schwedischen Schriftstellers und Philosophen Lars Gustafsson.
Was sind für Sie die fünf wichtigsten Bücher der Weltliteratur, die man unbedingt lesen sollte?
Die Romanpentalogie „Risse in der Mauer“ von Lars Gustafsson, die sehr atmosphärisch, sehr poetisch und auch heiter vom Lebensgefühl in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erzählt.
Der Schelmenroman „Der abenteuerliche Simplicissimus“, das Hauptwerk von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, das wichtigste Prosawerk des Barock in deutscher Sprache.
„Don Quijote“ von Miguel de Cervantes, der erste große Roman der Neuzeit und neben der Bibel das meistübersetzte Buch der Weltliteratur.
„Das Leben. Gebrauchsanweisung“ von Georges Perec – eines meiner absoluten Lieblingsbücher über das Leben in einem Pariser Mietshaus, ein kunstvolles Puzzle der menschlichen Existenz
„Die Dämonen“ von Heimito von Doderer – meines Erachtens der großartigste Roman der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Ein Buch, das Sie immer wieder lesen?
Eines der schönsten Bücher, das ich immer wieder lese und erst jüngst wieder zur Hand genommen habe, ist „So tun, als ob es regnet“ von der deutschen Autorin Iris Wolff. Über vier Generationen des 20. Jahrhunderts und vier Ländergrenzen hinweg wird erzählt, wie historische Ereignisse die Lebenswege von Einzelnen prägen – mit unglaublichem Sprachgefühl und poetischem Charme.
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