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Die Klimaschützerin beim AMS – Nadja Buchers Roman „Rosa gegen die Verschwendung der Welt“

Die Wiener Schriftstellerin Nadja Bucher debütierte 2013 mit dem Roman „Rosa gegen den Dreck der Welt“, in dem die ökologisch gestimmte Putzfrau Rosa mit Verve gegen Stromfresser, SUV-Fahrer und andere Umweltsünder ankämpft. Jetzt erscheint eine Fortsetzung. In „Rosa gegen die Verschwendung der Welt“ hängt die Protagonistin frustriert ihren Job an den Nagel, weil sie nicht länger bei hoffnungslosen Energieverschwendern putzen will. Das Angebot ihres Freundes Bertram, in seinem stets wachsenden Bioladen zu arbeiten, schlägt sie aus. Denn der ist ihr doch zu sehr Bobo-Unternehmer und Verbündeter seiner gutverdienenden Kunden geworden. Während andere von ihrem ökologischen Fußabdruck reden, will Rosa am liebsten gar nicht auftreten, sondern schweben. Ihre Wohnung ist spartanisch eingerichtet, ihr Energieverbrauch tangiert gegen Null, Strom hat sie sowieso abgemeldet. Dabei versorgt sie selbstlos ihre alte Nachbarin. Wie sich nach deren Tod herausstellt, ist die Nachbarin die Besitzerin des Mietshauses und Rosa braucht keine Miete mehr zu bezahlen.

Doch da Rosa arbeitslos gemeldet ist, bleibt ihr ein AMS–Fortbildungskurs nicht erspart. Bucher schildert genüsslich und detailreich die verschiedenen Kursteilnehmerinnen und -nehmer. Eine von ihnen macht dann Rosa – zunächst ohne ihr Einverständnis – zur Jeanne d’Arc der Umweltbewegung. Wie das Social-Media-Experiment entgleist, bestreitet dann einen Gutteil des wirklich sehr amüsant zu lesenden Romans, in dem man auch sehr viel über die gerade stattfindenden, das Klima ungünstig beeinflussenden Transformationen erfährt.

Nadja Bucher ist mit ihrem Roman eine Art moderner Bartleby gelungen, ihre Rosa will eben lieber nicht von den „Segnungen“ der modernen Welt profitieren. Am 19, Mai wird sie um 16.30 Uhr beim Literaturfestival „Rund um die Burg“ ihr Buch Roman „Rosa gegen die Verschwendung der Welt“ präsentieren.


Die Klimaschützerin beim AMS – Nadja Buchers Roman „Rosa gegen die Verschwendung der Welt“. Buchtipp von Helmut Schneider.

Nadja Bucher: Rosa gegen die Verschwendung der Welt
Edition Atelier
272 Seiten
€ 20,-

Bis 1. Mai können sich Drehbuchautorinnen und -autoren beim Wettbewerb „Diverse Geschichten-Drehbücher der kulturellen Vielfalt“ bewerben, um dann mit Profis an ihren Drehbüchen zu feilen.

Drehbuch schreiben – jetzt einreichen und professionelle Hilfe bekommen

Bild: ©Hanna Pribitzer

Bis 1. Mai können sich Drehbuchautorinnen und -autoren beim Wettbewerb „Diverse Geschichten-Drehbücher der kulturellen Vielfalt“ bewerben, um dann mit Profis an ihren Drehbüchen zu feilen. Nach mehreren erfolgreich entwickelten Projekten, wie beispielsweise dem Publikums-Hit „Die Migrantigen“ von Arman T. Riahi oder der Culture-Clash-Komödie „Kaviar“ von Elena Tikhonova, wird nun zur Bewerbung für die 12. Saison aufgerufen. „Diverse Geschichten“ bedeutet kreativen Austausch, dramaturgische Beratung und professionelle Unterstützung unter anderem auch speziell für Autor*innen mit interkulturellem Hintergrund, heißt es in der Ausschreibung.

Das Programm besteht aus mehreren Workshops und umfasst dramaturgische Beratungen von mehrfach ausgezeichneten Drehbuchautoren/Dramaturgen, Lectures und Case Studies namhafter Filmemacher*innen sowie Einzel-Coachings. Das Ganze ist für die ausgesuchten Autoren kostenlos.

Für die eingereichten Geschichten gibt es keine thematischen Vorgaben. Es können sowohl Langspielfilm- als auch Serien-Drehbücher eingereicht werden. Jedes fiktionale Genre ist willkommen.

Für die Einreichung bei DIVERSE GESCHICHTEN XII ist ein Treatment, ein Drehbuch oder ein ausführliches Serienkonzept sowie eine Synopsis (bis zu einer Seite) erforderlich. Außerdem ein aussagekräftiger Lebenslauf mit einer kurzen Erklärung, was von der dramaturgischen Betreuung erwartet wird.

Das Programm ist für die Autor*innen während der Seminareinheiten in Wien kostenlos und beinhaltet auch Vollverpflegung. Im Frühsommer wird eine mehrtägige Drehbuchklausur in Niederösterreich angesetzt, für die ein geringer Selbstbehalt anfällt.

Bewerbungsunterlagen via E-Mail bis 1.Mai 2023 an: script@diversegeschichten.at

Infos auf: www.diversegeschichten.at

Rumpelstilzchen überall – A.L. Kennedys Abrechnung mit Großbritannien: „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“

Rumpelstilzchen überall – A.L. Kennedys Abrechnung mit Großbritannien

Die Schottin A.L. Kennedy ist gewiss eine der interessantesten Stimmen der Literatur. Und so verwundert es schon einigermaßen, dass ihr neuer Roman „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“ zwar bereits auf Deutsch erschienen ist, die Verlage auf der britischen Insel aber noch kein Interesse an einer Veröffentlichung gezeigt haben. Es kann ja wohl nicht sein, dass die bisweilen auch als Stand-up-Comedian auftretende Autorin zu kritisch für die britische Öffentlichkeit ist. Andererseits: Wurde nicht gerade ein Klimaaktivist zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in London eine Brücke blockiert hat?

Ihr aktuelles Buch hat es zweifelsohne in sich: Die Grundschullehrerin Anna muss in London erleben, dass ausgerechnet im Covid-Lockdown ihre ehemaligen Kumpel einer alternativen Comedie-Gruppe Jahrzehnte nachdem Anna ausgeschieden war vor Gericht kommen. In das „Unrule OrKestrA“ wie die für Streikende in den Thatcher-Jahren spielende Spaß-Truppe genannt wurde, hatte sich ein Polizeispitzel eingeschlichen, mit dem Anna sogar eine Liebschaft angefangen hatte. Als sie den nach Buster Keaton Buster genannten V-Mann auf offener Straße wiedererkennt, läuft sie ihm nach. Das ist aber nur ein Handlungsstrang, der allerdings durch Busters Lebensbeichte, die er ihr vor die Haustüre legt, ausführlich zu Wort kommt. Kennedy hat da fast einen Agententhriller eingewoben, denn Buster wird zum bisweilen kaum steuerbaren Killer, der Mädchenhändler und auch politische Verbrecher kaltblütig präzise ermordet. Dabei passieren allerdings auch Kollateralschäden.

Anna erzählt ihren Kindern in der Schule gerne das Märchen von Rumpelstilzchen, das bekanntlich als Gegenleistung von der Müllerstochter Unmoralisches – das erste Kind – verlangt. Für Anna sind alle, die sich an der Menschheit vergehen, einfach nur Stilzchen. Und Buster ist gewiss einer von ihnen.

Doch den größten Teil des Romans machen die Gedanken und Zweifel von Anna aus. Ihrem Sohn, der sich gerade anschickt, die Universität zu besuchen, liebt sie innig – ihren Liebhaber und Gefährten findet sie auch okay. Richtig vermissen tut sie ihn allerdings nicht als er im Lockdown auf seiner schottischen Heimatinsel festsitzt.

Über ihren Job als Lehrerin macht sie sich keine Illusionen: „Das Lernen im 21. Jahrhundert soll funktionieren wie die Erzeugung von Gänsestopfleber – man zwingt den minderwertigen Mais hinein und hält sie in Käfigen und gefügig. Man erntet den entstandenen Schaden und wirft den Rest des Kadavers weg.“  

Hat man die ersten 50 Seiten von „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“ einmal gelesen, entwickelt dieser Roman eine richtigen Sog. Man lauscht gerne der inneren Stimme von Anna, versucht sie doch die uns alle beschäftigende Frage nach dem richtigen Leben in immer falscher werdenden Zeiten zu beantworten.


Rumpelstilzchen überall – A.L. Kennedys Abrechnung mit Großbritannien: „Als lebten wir in einem barmherzigen Land“

A.L. Kennedy: Als lebten wir in einem barmherzigen Land
Aus dem Englischen von Ingo Herzke und Susanne Höbel
Hanser
462 Seiten
€ 28,80

Rund um die Burg: Das Literaturfestival geht am 19. und 20. Mai im Landtmann Bel Etage mit jeder Menge Stars über die Bühne

Margit Mössmer, Autorin des Romans „Das Geheimnis meines Erfolgs“ (Leykam). – ©Minitta Kandlbauer

Bei Rund um die Burg herrscht von jeher eine sehr spezielle Atmosphäre: Gelesen wird im Halb-Stunden-Takt, es gibt vorher immer als Einleitung ein kurzes Gespräch mit den Lesenden und beim Signieren kommen Gäste den Schriftstellerinnen und Schriftstellern näher. Und: Poesie wird hier nicht zu eng gesehen, es gab schon Liedermacher-Konzerte und Talks über Philosophie oder Geschichte. Heuer wird erstmals ein Film gezeigt, nämlich das Architektenpoem „Er flog voraus – Karl Schwanzer“ des Filmers, „Des Ano“-Sängers und Schriftstellers Max Gruber mit Nicholas Ofczarek in der Titelrolle. Schwanzer war einer der bedeutendsten Architekten Österreichs (Philips-Haus, BMW-Headquarter München, Beginn: 20 Uhr). 

Los geht es – natürlich wie immer bei freiem Eintritt – am Freitag um 14.45, ab 15 Uhr stellt Franzobel seinen skurrilen Roman über den Pathologen, der Einsteins Gehirn sezierte und bis zu seinem eigenen Tod bei sich aufbewahrte, vor. Bis zum Filmabend folgen unter anderen Robert Menasse mit seinem EU-Roman „Die Erweiterung“ und Armin Thurnher mit seiner Abrechnung der Kurz-Ära „Anstandslos: Demokratie, Oligarchie, österreichische Abwege“. Am Samstag gibt es ab 10 Uhr Programm bis 13.30 Uhr – unter anderen werden da Marc Elsberg, Mieze Medusa, Margit Mössmer, Robert Sommer und Georg Biron lesen.

Landtmann Bel Etage

Oppolzergasse 6, 1010 Wien

Freitag, 19. Mai, ab 14.45 Uhr

Samstag, 20. Mai, ab 10 Uhr

Infos: rundumdieburg.at

Eine Ärztin in der Gesundheitskrise – Elena Messners Roman „Schmerzambulanz“. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.

Eine Ärztin in der Gesundheitskrise – Elena Messners Roman „Schmerzambulanz“

Der Titel des Romans verweist auf das Versprechen, mit dem die Klinikleitung die engagierte Internistin Judit Kasparek ins Team gelockt hatte. Sie könne im Krankenhaus nicht nur eine Station leiten, sondern gleichzeitig eine Schmerzambulanz aufbauen, in der Patientinnen und Patienten nach der Entlassung aus der Intensivstation behandelt werden sollen. Doch dazu kommt es nie, denn das gesamte Krankenhauspersonal ist komplett überlastet und damit beschäftigt, den Betrieb irgendwie aufrecht zu erhalten. Als dann eine Patientin im Sanitärraum zusammenbricht und nur überlebt, weil sie eine Putzfrau zufällig gleich findet, verlangt Judit die Einsetzung eines Ethikkonzils, um herauszufinden, wie es dazu kommen konnte. Denn eigentlich hatte Judit die Patientin als gesund diagnostiziert und zur Entlassung vorgeschlagen. Sind die vielen von anderen Ärzten verordneten Infusionen am Zusammenbruch schuld?

Elena Messners Roman „Schmerzambulanz“ verblüfft durch Detailkenntnis. Die in Klagenfurt, Salzburg und Ljubljana aufgewachsene Autorin muss umfangreich über Krankenhausabläufe recherchiert haben. Natürlich herrscht in den Spitälern, wie inzwischen allgemein bekannt, allerorts der Sparstift – erst wurden die Wäscherei und die Küchen aus den Spitälern entfernt und durch externe Betriebe ersetzt, dann waren die Pfleger und Hilfskräfte dran. Leiharbeiter sind einfach billiger. Dabei sind Messners Protagonisten durchaus engagiert. Etwa Judits Freundin, die Anästhesistin Asja oder ihr Geliebter Jovo, ein Pfleger. Selbst Primar Tom arbeitet bis an seine Grenzen. Auch das wenig befriedigende Liebesleben des Krankenhauspersonals wird geschildert. Alle haben Schuldgefühle, dass ihr privater und beruflicher Einsatz nie genug sein wird, einfach weil das in diesem System unmöglich ist.

Elena Messner setzt in diesem sehr dichten Roman auch noch einen radikalen Endpunkt: Die Station wird ohne Angabe von Gründen aufgelassen. Höchstwahrscheinlich weitere Sparmaßnahmen. Und die Patientin, die der Grund für das Ethikkonzil war, landet in einer anderen Station. Man muss Schlimmes befürchten.


Eine Ärztin in der Gesundheitskrise – Elena Messners Roman „Schmerzambulanz“. Ein Buchtipp von Helmut Schneider.

Elena Messner: Schmerzambulanz
Edition Atelier
228 Seiten
€ 25,-

Wer ist schwarz, wer ist weiß? – Toni Morrisons Erzählung „Rezitativ“ lässt uns rätseln.

Wer ist schwarz, wer ist weiß? – Toni Morrisons Erzählung „Rezitativ“ lässt uns rätseln

Die Nobelpreisträgerin Toni Morrison hat elf Romane, aber mit „Rezitativ“ nur eine Erzählung geschrieben, die 1983 in einer Anthologie erschien und jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlicht wurde. Denn es gibt – wie ihre britische Kollegin Zadie Smith in ihrem fundierten Nachwort anmerkt – keinen „rasch hingeworfenen Morrison-Text“. Die 2019 verstorbene Autorin schrieb immer mit konkreten Zielen und Vorsätzen. Und so ist diese knapp 40 Seiten fassende Erzählung – das Nachwort ist sogar länger – sehr kalkuliert auf die Reaktion ihrer Leserinnen und Leser hingeschrieben.

Es geht um die zwei Frauen Twyla (die Erzählerin) und Roberta, die sich in einem Waisenhaus als komplette Außenseiterinnen anfreunden und später ein paar Mal zufällig über den Weg laufen. Morrison erklärt uns, dass eine von ihnen weiß, die andere schwarz ist – verrät aber bis zum Schluss nicht welche die Weiße und welche die Schwarze ist. Man kann gar nicht anders als darüber zu rätseln, denn Morrison hat eine Menge von Vorurteilen bestimmter rassistischer Codes verwendet.

Schon der Beginn ist genial: „Meine Mutter tanzte die ganze Nacht, und die von Roberta war krank. Darum wurden wir ins St. Bonny’s gebracht.“ Das Waisenhaus empfinden die beiden Mädchen aber gar nicht so schlimm, es gibt viel Platz und ansprechendes, warmes Essen. Nur vor den älteren, boshaften Mädchen müssen sie sich in Acht nehmen. Und ganz unten in der Hierarchie steht Maggie, eine Angestellte des Waisenhauses, die klein ist und o-beinig. Roberta und Twyla erleben, wie sie die älteren Mädchen schikanieren und ihr ein Bein stellen – und wieder können sie sich später nicht erinnern, ob Maggie weiß oder schwarz war.

Während Twyla als Kellnerin arbeiten muss, gelingt es Roberta nach ihren Hippie-Jahren, in denen sie mit Freunden Jimmy Hendrix nachreisen, einen reichen Mann zu heiraten und im besten Viertel der Kleinstadt Newburgh zu wohnen. So nebenbei beschreibt Morrison die Verwandlung von Newburgh von einer sterbenden Stadt im Hinterland von New York nach dem Krieg und der Absiedelung der Fabriken zum gentrifizierten Schmuckkästchen.

Bei Morrison ist kein Satz, keine Formulierung zu viel – es empfiehlt sich, die Geschichte gleich ein zweites Mal zu lesen. Was zeichnet Twyla als Erzählerin aus, warum ist Roberta plötzlich in eine andere Schicht aufgestiegen? Was sind die Mechanismen, nach denen in den USA Menschen Erfolg haben oder eben nicht? Eine faszinierende Lektüre mit einem Nachwort, das diesen Text noch vielschichtiger erscheinen lässt.


https://www.morawa.at/detail/ISBN-9783498003647/Morrison-Toni/Rezitativ

Toni Morrison: Rezitativ
Mit einem Nachwort von Zadie Smith
Aus dem Englischen von Tanja Handels
Rowohlt
96 Seiten
€ 20,60

Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen erzählt – Margit Mössmers „Das Geheimnis meines Erfolgs“.

Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen erzählt – Margit Mössmers „Das Geheimnis meines Erfolgs“

Alex ist ein Mädchen und kein Kind wie die anderen Kinder um sie herum. Die ersten Lebensjahre schreit sie fast andauernd und bringt ihre Mutter Nina damit an den Rand der Verzweiflung. Die Ärzte wissen keinen Rat und im Kindergarten ist sie eine Außenseiterin. Aber Nina muss arbeiten – als Regalbetreuerin in einem Supermarkt –, denn die finanzielle Situation der Familie – der Vater ist längst abwesend – ist prekär. Bruder Patrick ist auch keine große Hilfe, denn ihm fehlt zunächst das Gespür für die Defizite von Alex. Erst nach und nach wird er Teil des Teams.

Interessanterweise erzählt die in Wien lebende Autorin und Kulturvermittlerin Margit Mössmer die Geschichte völlig aus der Perspektive des mutmaßlich vom Asperger-Syndrom betroffenen Kindes. Wir tauchen somit in eine völlig andere Welt ein. Alex macht sich Sorgen um Supervulkane, liebt Vögel und Fische, SpongeBob und die Disney-Filme Arielle und Käpt’n Nemo, die sie sich unzählige Mal anschauen kann. Besessen ist Alex auch von Briefen und allem, was mit der Post zusammenhängt. In der Schule hält sie ganz nüchtern ein Referat über Briefformate und Umschläge mit und ohne Fenster. Von den Mitschülern wird sie gehänselt – am liebsten sitzt sie allein im Musikzimmer. An Schuhe kann sie sich nicht gewöhnen und überhaupt will sie so wenig Veränderungen wie möglich. Dafür merkt sie sich kleinste Details jahrelang.

Gegen Ende des Romans begleitet Alex eine Nachtigall und verbessert ihre Situation indem sie sie an die Regeln des täglichen Lebens erinnert. Sie wird plötzlich eine aufmerksame Schülerin. Doch die Nachtigall, die gerne auf ihrem Kopf sitzt und von sonst niemand gesehen werden kann, wird von Tag zu Tag schwerer…

Margit Mössmer erzählt einfühlsam von einem Mädchen abseits der Norm. Es gelingt ihr dabei, Leser für die Ängste und Sehnsüchte einer Außenseiterin zu sensibilisieren. Am Samstag, 20. Mai, 10.30 Uhr, wird Mössmer ihren Roman beim Literaturfestival „Rund um die Burg“ vorstellen.


Endlich die passende Wohnung mit den ausgesuchten Möbeln, die richtigen Freunde mit der Garantie auf kultivierte Gespräche – eine Einladung zum Essen soll als Beweis dafür dienen, dass man erwachsen geworden ist. Nicht zuletzt kann dabei der neue große dänische Esstisch mit der geölten Oberfläche eingeweiht werden.

Eine Einladung von Freunden zum Essen als Probe für die große Welt – Teresa Präauers „Kochen im falschen Jahrhundert“

Endlich die passende Wohnung mit den ausgesuchten Möbeln, die richtigen Freunde mit der Garantie auf kultivierte Gespräche – eine Einladung zum Essen soll als Beweis dafür dienen, dass man erwachsen geworden ist. Nicht zuletzt kann dabei der neue große dänische Esstisch mit der geölten Oberfläche eingeweiht werden.

Die Österreicherin Teresa Präauer erzählt in ihrem Roman „Kochen im falschen Jahrhundert“ die Entwicklung eines Abends unter Freunden in mehreren Fassungen und mit immer absurderen Abzweigungen. Im Mittelpunkt steht die Gastgeberin – niemand hat in diesem Buch einen Namen. Sie ist wie auch alle Eingeladenen fest im Job stehend, wenngleich in Stilfragen nicht immer sicher. In diesem Buch geht es nämlich viel um die Ausbildung von Geschmack – welches Getränk passt und ist gerade im Trend, was darf serviert werden und was nicht. Seitenweise werden Speisen angeführt und doch weiß man als Leser immer gleich, dass es weniger um das konkrete Gericht, sondern um seine Geschichte, seinen Status und die Beziehung zur Gastgeberin geht. Zwischendurch wird auch über eine korrekte heutige Sprache diskutiert.

Die Runde der Gäste ist klein, es kommen neben dem Partner der Gastgeberin nur ein Ehepaar, das ihr Neugeborenes bei den Großeltern parken konnte, und der Schweizer, dessen Freundin leider zu Hause noch arbeiten muss. Der Algorithmus eines Streamingdienstes liefert die passende Musik, die im Roman stets angeführt wird – hauptsächlich Jazzstandards in ausgesuchten Interpretation.

Mit jedem neuen Anlauf, die Geschichte des Abends zu erzählen, brechen freilich neue Irritationen auf. Ein Senffleck am schwarzen Outfit der Gastgeberin, die Gäste treffen mit zu großer Verspätung ein, weil sie vorher noch in einer Bar waren, wo sie einen Amerikaner und seine Begleitung kennengelernt haben. Die schauen nachher – als die Quiche verspeist ist – auch noch vorbei und verleihen dem Geschehen eine sexuelle Komponente. Alles nur in der Phantasie, oder? Und die Polizisten vom gegenüberliegenden Kommissariat warnen vor einem Wasserrohrbruch statt wie befürchtet einer Ruhestörung nachzugehen. Teresa Präauers „Kochen im falschen Jahrhundert“ ist eine Art soziologische Zustandsbestimmung heutiger Wohlstandsmenschen – mit Vergnügen lesbar und trotzdem – wie die Amerikaner bei üppigen Essen sagen – ziemlich „heavy“. Teresa Präauer wird ihren Roman am 19. Mai bei „Rund um die Burg“ präsentieren.


Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert
Wallstein Verlag
200 Seiten
€ 22,70

Im Zeichen des Lesens – Das war der Vorlesetag 2023

Sabine Sagmeister las beim Vorlesetag vor. – ©Sebastian Siegel

Die Freude am (Vor)lesen wecken – dieses Ziel des Österreichischen Vorlesetags ist auch heuer wieder mit großem Erfolg geglückt. Das Event im Zeichen der Literatur verzeichnete heuer über 4.300 registrierte Vorlesungen, so viele wie noch nie. Wir bedanken uns herzlichst bei allen Menschen, die mitgemacht haben und sich und Andere für das Vorlesen begeistern konnten.

Jede Vorlesung ist wertvoll

Zu all den Kindergärten, Schulen, Buchgeschäften und Bibliotheken gesellten sich viele Privatpersonen und prominente Persönlichkeiten, denen es wichtig war, mit einer Lesung ein Zeichen zu setzen für mehr und besseres Lesen in unserem Land. Denn Lesen fördert Verständnis und verbindet.

Der Österreichische Vorlesetag im Zeichen der Literatur verzeichnete heuer über 4.300 registrierte Vorlesungen, so viele wie noch nie.
Bürgermeister Michael Ludwig nahm sich die Zeit um zwei Schulklassen aus seinem großen Wiener Sagenschatz vorzulesen . – ©Sandra Oblak

Unterstützung

Zum Auftakt nahm sich Bürgermeister Dr. Michael Ludwig im Rathaus die Zeit und las zwei Schulklassen aus seinem großen Wiener Sagenschatz vor. Ebenso ließ es sich Bürgermeister a.D. Dr. Häupl nicht nehmen, im 16. Bezirk eine Schulklasse zu belesen.

Die VAMED THERMEN in Österreich nützten den Österreichischen Vorlesetag für „Lesungen am Beckenrand“, wo auch Michael Schottenberg in der Therme Wien aus seinen Reisebüchern rezitierte.

Die WKO Sparte Kaffeehäuser Wien animierte ihre Mitglieder, in ihren Lokalen kleine Lesungen zu organisieren. Im Kleinen Café am Franziskaner Platz in der Wiener City und im Kaffee Alt Wien wurden zahlreiche Besucher köstlich unterhalten.

Bei Radio Wien stellte zwischen 5.00 Uhr und 22.00 Uhr einmal pro Stunde ein Radio Wien-Redakteur oder eine Radio Wien-Moderatorin ein Buch vor und las daraus. Von Kinderbüchern über Romane bis hin zu Krimis war alles dabei.

Libro stellte speziell für den Österreichischen Vorlesetag Kinderbücher vor. In Thalia Filialen wurde öffentlich vorgelesen, im Geschäft auf der Mariahilfer Straße gab Daniel Glattauer seiner Hörerschaft Einblick in sein neues Buch „Die spürst du nicht“.

Der Österreichische Vorlesetag im Zeichen der Literatur verzeichnete heuer über 4.300 registrierte Vorlesungen, so viele wie noch nie.
Michael Schottenberg las in der Therme Wien vor. – ©Sandra Oblak

Kreative Locations

Der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt: der Hairstylist Danny Beuerbach war mit seinem Pop-up-Friseursalon in der Bibliothek Mauthausen zu Gast. „Book a look and read my book“ – mit dieser Aktion animierte er Kinder zu ihm zu kommen und sich die Haare schneiden zu lassen.

Unser großer Dank gilt auch allen Bibliotheken und Buchhandlungen, die speziell für den Österreichischen Vorlesetag Schulklassen einluden, sie zu besuchen und in neuen Büchern und Geschichten zu schnuppern.

Nicht nur die Jugend beteiligte sich an dem Event: Zur PVÖ-Wien-Matinée lud Dr. Peter Kostelka die Mitglieder des PensionistInnenverbands ins D’Landsknecht in den 9. Bezirk und alle kamen um Michael Schottenberg, Martina Rupp und Rudi Dolezal zu hören.

Der Österreichische Vorlesetag im Zeichen der Literatur verzeichnete heuer über 4.300 registrierte Vorlesungen, so viele wie noch nie.
Martina Ebm las im Kindergarten Nikolai-Stiftung vor. – ©Sebastian Siegel

Bekannte Gesichter unter den VorleserInnen:

Auf der Website des Vorlesetags wurden VIP-Vorlesungen veröffentlicht, die bis Mai 2023 einzusehen sind. Zu sehen und zu hören sind: Bundesminister Martin Polaschek, Bundesminister Martin Kocher, Psychoanalytikerin Erika Freeman, Vizepräsidentin der WKO Martha Schultz, Generaldirektor der Münze Österreich Gerhard Starsich, Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, Bildungsdirektor für Wien Heinrich Himmer, Vizebürgermeister von Wien Christoph Wiederkehr, Schauspieler und Autor Max von Thun, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherungs AG DI Doris Wendler, Journalist und Autor Dr. Fritz Dittlbacher, Schauspielerin Patricia Aulitzky und Autorin Natascha Kampusch.


vorlesetag.eu

Anita Augustin, eine geborene Klagenfurterin, arbeitet seit 25 Jahren als Dramaturgin in verschiedenen Theatern und lehrt als Dozentin an der Freien Universität Berlin. In ihrem bereits dritten Roman mit dem langen Titel „Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußerst hässliche Tier“ geht es um ein zurzeit sehr vieldiskutiertes Thema, nämlich den Missbrauch von Kindern.

Kindesmissbrauch als verstörender Roman – „Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußerst hässliche Tier“ von Anita Augustin

Anita Augustin, eine geborene Klagenfurterin, arbeitet seit 25 Jahren als Dramaturgin in verschiedenen Theatern und lehrt als Dozentin an der Freien Universität Berlin. In ihrem bereits dritten Roman mit dem langen Titel „Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußerst hässliche Tier“ geht es um ein zurzeit sehr vieldiskutiertes Thema, nämlich den Missbrauch von Kindern. Sie wandelt dabei auf einem schmalen Grat, denn ihr Buch ist durchaus unterhaltsam und man kann als Leser durchaus Sympathie für den mutmaßlichen Täter entwickeln.

Gleich zu Beginn verschwindet ein Mädchen, die Nachforschungen der Polizei sind ergebnislos, die Mutter ist natürlich verzweifelt und unternimmt alles, um ihre Tochter zu finden. Schnitt: Wir lernen Viktor kennen, der sich vom Psychiater Frank Hilfe bei seiner Neigung zu minderjährigen Mädchen erwartet. Viktor hat einen schrägen Beruf, er ist Edelkomparse und spielt bei Filmproduktionen stets eine Figur, die ermordet wird. Viktor hat eine anscheinend einfach gestrickte Frau und eine dominante Schwiegermutter, die beide zu Opernaufführungen schleppt. Und er hat eine geheimnisvolle Geliebte, die sich Karl nennt. Wie von Frank aufgetragen führt Viktor ein Tagebuch, in dem er sein wenig aufregendes Leben zwischen Film – langes Warten auf den kurzen Auftritt – und Selbsthilfegruppe von Menschen mit gleichen Neigungen aufzeichnet. Internet ist allen verboten, zu groß ist die Gefahr, dass sie auf einschlägigen Seiten landen. Am Ende wird klar, dass die Geliebte Karl die verzweifelte Mutter ist, die über den Psychiater an den Täter zu kommen versucht.

Augustin webt ein immer verstörenderes Gewebe aus Einsamkeit, frustrierenden Aussichten auf Heilung, skurrilen Mordszenen – alles vor dem Hintergrund eines wahrscheinlich tatsächlich passierten Verbrechens, das freilich nicht gänzlich aufgeklärt wird. Alles mündet schließlich in einem surrealen Fiebertraum.

„Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußerst hässliche Tier“ ist ein Roman, der Leser sehr nachdenklich zurücklässt.